BEITRAGE
EXTWICKLUXGSRESOHIOHTE
DEK
H 1 R U D 1 X E E X
VOX
HEINRICH RATHKE,
WEIL. PnoF. IN Königsberg.
HERAUSGEGEBEN UNI) THEILWEISE BEARBEITET
VON
RUDOLF LEUCKART,
Pkof. in Giessen.
VERLAG VON WILHEL:\I ENGELMANN.
1862.
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in 2016
‘'V
/
https://archive.org/details/b22288417
VORWORT
Die in den nachfolgenden Blättern publicirten Untersuchungen über die Ent-
wicklungsgeschichte von Nephelis und Clepsine gehören zu der reichen literarischen
Hinterlassenschaft eines Mannes, der sich durch eine mehr als vierzigjährige, unaus-
gesetzte und glückliche Forschung für alle Zeiten einen der ersten Plätze unter den Ver-
tretern der thierischen Morphologie erworben hat. Sie sind ein Vermächtniss, das uns um
so theurer sein muss, als sie zugleich den Schlussstein eines thatenreichen Lebens bilden.
Wenn auch schon früher, schon in den vierziger Jahren, begonnen, verdanken
diese Untersuchungen doch erst der letzten Zeit ihren gegenwärtigen Umfang. Sie waren
es, die unsern berühmten Forscher in den letzten zwei Jahren seines Lebens vor allen
andern Arbeiten anzogen, die ihn noch wenige Tage vor seinem Tode anhaltend be-
schäftigten. Rathke hatte die Absicht, die ganze Entwicklungsgeschichte der Hirudineen
bis in die Details hinein zu ergründen und damit ein Werk zu liefern, das sich in jeder
Beziehung würdig an die einst bahnbrechende Arbeit über die Entwicklung des Fluss-
krebses anschliessen sollte.
Die erste der beiden Abhandlungen war fast druckfertig, eine Anzahl von Tafeln
(Taf. I — IV.) bereits zusammengestellt, als der jähe Tod dem unermüdlichen Streben ein
Ziel setzte.
Ich will den Verlust nicht ermessen, den unsere Wissenschaft, den die vielen
Schüler, Verehrer und Freunde unseres Rathke durch diesen Tod erlitten haben. Wo
die Werke sprechen, können die Worte schweigen.
Durch die Familie des Verstorbenen aufgefordert, unterzog ich mich gern und
willig der Herausgabe jener Untersuchungen. Es war nicht blos das Gefühl der Ver-
ehrung für den bewährten Forscher, dessen Arbeiten mir von jeher eine Quelle der
reichsten Belehrung gewesen waren, das mich dazu antrieb, es war noch ein anderes,
persönliches Verhältniss, das mir die Erfüllung jener Bitte zu einer heiligen Pflicht machte.
IV
Vortcori.
Konnte ich doch hoffen, dadurch einigermaassen die Schuld des Dankes für die innige
Theilnahme, für allen den freundlichen Rath und Beistand abzutragen, den der berühmte
Forscher einst dem jungen Anfänger, dem Neffen seines alten Studiengenossen und
Freundes Fr. S. Lecckart, geschenkt und fortwährend bewahrt hatte.
Ob es mir freilich gelungen ist, bei der Herausgabe der vorliegenden Unter-
suchungen ganz und überall im Sinne des Verfassers zu verfahren, mussich dahin gestellt
sein lassen. Bei der Abhandlung über Neplielis dürfte das vielleicht noch am ersten der
Fall sein, da sich meine Beihülfe hier ausschliesslich auf eine Ueberarbeitung des fast
druckfertigen Textes, auf Einfügung einiger nachträglichen Notizen und Zusammenstel-
lung der letzten Tafel beschränkte. Aber anders in Betreff der zweiten Abhandlung über
Clepsme, von der ich wenig mehr als die ersten zehn Paragraphen und auch diese nur
in einer älteren, fast veralteten Fassung als IManuscript vorfand. Das Material der übrigen
Paragraphen war in einzelnen Notizen und Zeichnungen niedergelegt, die erst sorgfältig
von mir studirt, zusararaengestellt und verarbeitet werden mussten. Natürlich bedurfte
es dabei einer ganzen Reihe von eignen Untersuchungen, durch die hier und da eine
augenfällige Lücke der RATiiKE’schen Beobachtungen gefüllt, dort vielleicht ein Wider-
spruch verschiedener Angaben ausgeglichen werden musste. Wenn ich die Resultate
dieser meiner eignen Untersuchungen gleichmässig mit dem RAiiiKE’schen Materiale ver-
arbeitet habe, so geschah dies aus Gründen, die durch den Wunsch einer Gleichförmigkeit
in der Darstellung und textuellen Behandlung des ganzen Werkes geboten wurden. Ob-
wohl es nicht Weniges ist , was ich in dieser Arbeit mein eigen nennen könnte, — wie
denn auch sämmtliche Figuren der zugehörenden Tafeln von mir (zum Theil allerdings
nach RATHKE’schen Skizzen) ausgeführt sind — so nehme ich davon doch nichts für mich
in Anspruch, als die Verantwortlichkeit etwaiger Fehler und Irrthümer.
Die Nothwendigkeit dieser eignen Unteisuchungen darf ich schliesslich auch
wohl zur Entschuldigung der etwas verspäteten Herausgabe geltend machen.
Giessen . den 2. August 1 862.
Rud. Leuckart.
I.
NEPHELIS VULGARIS.
llathke, Entwicklung der Hirudineen.
1
Die Eier von Nephelis vulgaris werden an mancherlei Wasserpflanzen , besonders an
der untern Seite der Blätter von Nymphaea lutea und W alba angetrolFen. Der Form nach sind
sie elliptisch und an der einen Seite, mit der sie an der Pflanze festsitzen, platt, an der gegen-
überliegenden massig stark gew'ölbt. Ihre Länge beträgt je nach dem Alter und der Grösse der
Thiere, von denen sie gelegt wmrden sind, IV» bis 2y„ Linie, ihre grösste Breite 1 bis 1 ‘/a Linie.
Ihre Hülle ist mässig dick , völlig dicht und structurlos , durchweg von gleicher Beschafienheit,
wie eine dünne Platte von Guttapercha, ziemlich biegsam, halbdurchsichtig, dunkel oliven-
grün, bräunlich oder beinahe schwarzbraun, und ganz in der Nähe ihrer beiden Enden an der
gewölbten Seite mit einer kleinen nabelartigen Erhöhung versehen. Der Kaum, der von
dieser Hülle umschlossen wird, ist zum grössten Theil mit einer farblosen und ziemlich
durchsichtigen Substanz ausgefüllt, die einigermaassen gallertartig, aber ziemlich fest und zähe
ist, und ihrer Bedeutung nach dem Eiweiss in den Eiern anderer Thiere entspricht, weshalb
ich sie denn auch das Eiweiss nennen werde. Der Hauptsache nach besteht diese Substanz
aus zarten, weichen und unbestimmt begrenzten Fasern, die nur mässig lang sind, im Allge-
meinen nach der Länge der Eihülle verlaufen und theils sehr nahe bei einander liegen, theils
auch mit ihren Enden zwischen einander eingreifen. Zwischen ihnen befinden sich in unzähl-
barer Menge und in nur mässig grossen Abständen von einander unmessbar kleine rundliche
Körperchen, die etwas glänzend sind und bei starker Yergrösserung mittelst eines Mikroskops
schwach gelblich erscheinen. Alle diese verschiedenen Theile aber werden durch ein dickliches
formloses Bindemittel zusammengehalten. Chromsäure macht die Faserung des Eiweisses deut-
licher; dagegen macht Essigsäure sie bleicher und undeutlicher, ohne sie jedoch zu vertilgen.
Die rundlichen Körperchen dieser Substanz werden durch Essigsäure und kaustisches Kali zum
Verschwinden gebracht, und sind mithin nicht etwa Fettkügelchen. Zerreisst man das Eiweiss
unter Wasser, so dringt aus ihm eine geringe Menge einer dünnen Flüssigkeit hervor, die in
Folge einer dabei entstehenden Gerinnung eine schwach weisse Färbung erhält und einer stark
mit Wasser verdünnten Milch ähnlich wird.
Eingebettet in das Eiweiss und zerstreut in ihm findet man 6 bis 20 kleine kugelför-
mige Körper, die in verschiedenen Eiern, nach angestellten Messungen mittelst eines Schiek’-
schen Schrauben - Mikrometers, einen Durchmesser von 0,0035 bis 0,0050 Pariser Zoll haben,
1*
4
Nephelis vulgaris.
weiss von Farbe sind und aus dem Grunde, weil sich aus ihnen eben so viele Embryonen ent-
wickeln können, als Dotter bezeichnet werden müssen. Ein jeder von ihnen besteht zum
Theil aus einer unzählbaren Menge von INIolekularkörnern, die zwar verschiedentlich gross, doch
im Allgemeinen unmessbar klein sind, und als die eigentlichen Dotterkürperchen oder Formele-
mente des Dotters betrachtet werden können. Einige von ihnen haben eine rundlic he, andere eine
ovale, obwohl niclit immer regelmässige, sondern öfters etwas eckige Form: alle aber brechen
das Licht sehr stark und haben einen starken Glanz und eine rein weisse Farbe. Durch Ein-
wirkung von Essigsäure oder kaustischem Kali werden sie nicht zum Yerschwinden gebracht.
Durch einen stärkern Druck können sie, zumal wenn eines jener Mittel auf den Dotter einge-
wirkt hat, zu grösseren Kügelchen zusammengetrieben werden, die sich deutlich als ein flüssi-
ges Fett zu erkennen geben. Obgleich sie aber durch die angeführten Mittel keine Auflösung
erfahren, so werden sie doch nach deren Einwirkung etwas kleiner und in der Kegel kugelrund.
^Yahrscheinlich also bestehen sie nicht allein aus Fett, sondern besitzen noch eine protein-
haltige Beimischung, die durch Essigsäure oder kaustisches Kali aufgelöst oder davon abge-
schieden wird. Im Vergleich mit der übrigen Masse des Dotters machen sie übrigens zusammen-
genommen nur einen kleinen Theil desselben aus. Ihre Lagerung ist von der Art, dass sie
durch die ganze übrige Masse des Dotters zerstreut oder mit ihr durch einander gemischt sind,
so jedoch, dass die grössten immer isolirt liegen, von den kleinsten aber öfters einige sehr nahe
oder sogar dicht bei einander Vorkommen, auch nicht selten mehrere von diesen näher beisam-
menliegenden kleineren einen Hof um je eines jener grösseren Körperchen bilden. — Der übrige
Theil des Dotters, oder der bei weitem grössere Theil desselben ist eine farblose, klare und durch-
sichtige Substanz von der Consistenz einer sehr dünnen, aber etwas zähen Gallerte, die durch
M^asser, ohne getrübt zu werden, allmäblich etwas angeschwellt und verdünnt, dagegen durch
Salpetersäure und 'Weingeist getrübt und erhärtet wird. Unter dem Mikroskop hat sie bei star-
ken Yergrösserungen stellenw'eise das Aussehen, als wäre sie aus dicht beisammenliegenden und
gegen einander etwas abgeplatteten Körnern zusammengesetzt, die ihrer Mehrzahl nach 0,00015
bis 0,0002 Zoll im Durchmesser hielten, und als wären die beschriebenen Dotterkörperchen
zwischen diesen Körnern gelagert. Bei einer nähern Betrachtung aber wird man finden, dass
ein solches Aussehen durch eine optische Täuschung hervorgebracht Avorden ist und seinen
Grund hauptsächlich darin hat, dass hie und da kleinere Dotterkörperchen in unregelmässig
geformten Kreisen nahe bei einander liegen. So weit ich mir habe eine Einsicht in die Beschaf-
fenheit dieser gallertartigen Dottersubstanz verschaffen können , ist dieselbe an und für sich eine
durchaus formlose Masse, die ihrer physiologischen Bedeutung nach der farblosen und eiweiss-
haltigen tropfbaren Flüssigkeit in den Dottern anderer Thiere entspricht, für welche ich in
früheren Schriften den Namen Liquor vitelli gebraucht habe, jetzt aber den Namen Plasma
vitelli in Vorschlag bringen möchte. Ich glaube kaum zu irren, wenn ich dieser Substanz für
die späteren Veränderungen des Dotters eine grosse Bedeutung beilege, sie namentlich als die
Masse betrachte, die eben so wohl die Kerne, wie auch die Hüllen der spätem Embryonalzellen
bildet.
Eier und Eihülle.
o
Umgeben ist ein jeder Dotter von einer structurlosen und sehr zarten häutigen Hülle,
die für nichts anderes, als für eine Uotterhaut auszugeben sein dürfte. In dem eben gelegten
Ei findet sich kein Zwischenraum zwischen dieser Dotterhaut und dem Dotter, bald darauf aber
und noch ehe sich der Dotter zu durchfurchen beginnt, entsteht ein solcher, wie ich das später-
hin noch besonders hervorzuheben habe.
§• 2.
Die Substanz der äussern Eihiille ist ein Erzeugniss der Hautbedeckung, nicht der
weiblichen Geschlechtswerkzenge der Nephelis. Ich habe nämlich einige Mal gesehen , dass
eine auf einem Pflanzenblatte oder an der Seitenwandiing eines Glasgefässes sitzende Nephelis
in der Gegend, wo ihre Geschlechtswerkzeuge ausmündeten , von einem mässig breiten Gürtel,
der aus einer schwach weissen und sehr dicklichen gallertartigen Substanz bestand, wie von
einem dünnen Bande umgeben war. Nach einiger Zeit streifte sie dann, rückwärts kriechend,
den jetzt an dem Pflanzenblatte oder an dem Glase haftenden, allmählich erhärteten und sich an
seinen Enden verengenden Gürtel von sich ab, worauf sich dieser an seinen Enden rasch zu-
sammenzog und hier die beiden oben angeführten Nabel bildete, dabei auch seine Form änderte
und überhaupt sich in die äussere Hülle des Eies umwandelte. Anfangs war diese Hülle ganz
farblos, vollkommen durchsichtig und überaus biegsam, so dass die Mutter, die mehrere Minuten
hintereinander mit dem Kopfe auf das Ei bald hie, bald da drückte, um es an den Gegenstand,
an den es abgesetzt war, gehörig zu befestigen, in dasselbe, wie in eine mit Wasser gefüllte
häutige Blase, sehr tiefe Eindrücke machte.’) Im Verlauf von drei oder vier Stunden aber
wurde die äussere Hülle des Eies durch die Einwirkung des Wassers, worin es gelegt worden,
pergamentartig fest, braun oder olivengrün und mehr oder weniger undurchsichtig.
Die Substanz, welche innerhalb der Eihülle als ein Eiweiss die Dotter einschliesst, hat
höchst wahrscheinlich nicht einen gleichen Ursprung mit jener Hülle, sondern ist ein Erzeug-
niss der weihlichen Geschlechtswerkzeuge, das zugleich mit den Dottern ausgeleert wird. In
dem frisch gelegten Ei ist sie so dünnflüssig und klar, wie reines Wasser: denn in zwei Fällen,
1) Ungefähr ein Jahr später, als ich diese Beobachtung gemacht hatte, fand ich, dass eine ihr ähnliche
2in einer Nephelis vulgaris schon von Carena gemacht worden war. Derselbe beschreibt sie in seiner in den
Denkschriften der Academie der Wissenschaften zu Turin (Bd. XXV.) vorkommenden Abhandlung : Monographie
du genre Hirudo, wie folgt (Seite 292 und 293). »Ze \1 . juin je remnrquai un oeuf colle contre les parois du cristal,
et qui venait (X etre pondu depuis peu. Utie sangsue s’y promenait dessus en Vexplorant tout autour av ec sa bouche,
comme pour leßaireri quelque fois eile fix ait sa bouche dessus qjour le comprimer, et le faire adherer d’ avanluge aux
parois du vase-, eile repetait cette manoeuvre avec tant de frequence et de vivaciU , queje commencuis dejä ä craindre
pour cet oeuf et pour les germes, qui y etaient enfermes , et j’etais pret ä enlever cette sangsue; mais tin retour sur
moi - meine m’a fait bientot rougir d' avoir ainsi defie de la prevoyance de la nature, plus interessee que moi ä la
Conservation de ces petites creatures. Eeus Heu d’etre content de ma resolution, car en p>eu de minutes la sangsue fit
disparaitre avec sa bouche un gros repli qui aurait excessivement retreci la capacite de cette espece d’ovaire, au preju-
dice des petits , qui devaient y croitre et sejourner pour assez long - temps k. (Man vergleiche über die Bildung
der Nephelis-Kier weiter die Beobachtungen von Dalyell , the poivers of the creator. London 1 853. Vol. II. p. 1 .
Anm. des Herausgebers.)
6
NepJielis vulgaris.
in denen ich eine Nejylielis , die ihr Ei an die Wandung eines Standglases abgesetzt hatte,
beobachtete, sah ich, dass innerhalb desselben, wenn es von der Mutter an das Glas angedrückt
wurde, die Dotter wie in reinem Wasser hin - und herflottirten. Auch bemerkte ich mehrmals
bei dem OefFnen frisch gelegter Eier, dass ihr Eiweiss, welches übrigens nach einer Vermischung
mit einigen Wassertropfen schwach milchig- weiss wurde, in hohem Grade dünnflüssig war.
Drei oder vier Stunden nach dem Legen findet man das Eiweiss aber schon zu einer dicken und
zähen gallertartigen Älasse erhärtet. Noch später, wenn sich aus den Dottern Embryonen ent-
wickeln, wird diese Substanz allmählich wieder flüssig. Und zwar beginnt dann ihre Verflüssi-
gung zunächst um die eigene Hülle eines jeden Dotters, der sich zu einem Embryo ausbildet,
worauf sie von da aus immer weiter vorschreitet.
Nach dem Angeführten können die Körper, welche von der Nephelis vulgaris gelegt
werden und in denen sich die .Jungen dieses Wurms entwickeln, im Vergleich mit den Eiern der
Wirbelthiere nur uneigentlich Eier genairnt werden, da ein solcher Körper ein Haufen von
Dottern ist, die nebst einer gallertartigen Substanz von einer festen äussern Hülle zusammen-
gehalten werden, und diese ihre gemeinschaftliche Hülle einen ganz andern Ursprung, mithin
auch eine andere Bedeutung hat, als das Chorion, womit die Eier der meisten Wirbelthiere
versehen sind.
§. 3.
Die Bildung von Embryonen aus den Dottern einer Nephelis beginnt erst ausserhalb
des mütterlichen Leibes. Eine wie lange Zeit nach dem Absetzen der Eier darüber vergeht, bis
aus ihnen die Embryonen hervorkommen, ist mir unbekannt: doch kann ich mit einiger Wahr-
scheinlichkeit angeben, dass dieselbe etliche Wochen beträgt, weil ich im Verlaufe von dr-ei
und selbst mehreren Tagen die Embryonen nur sehr wenig habe an Grösse zunehmen sehen.
.\uch ist es sehr wahrscheinlich, dass die Länge dieser Zeit nach der Temperatur des Wassers,
in dem sich das Ei befindet, eine verschiedene ist. — Von den Dottern, die sich in einem Ei
befinden, verderben und zergehen zuweilen einige, ohne dass sich aus ihnen ein Embryo zu ent-
wickeln angefangen hätte. Auch gelangen nicht alle in einem Ei entstandenen Embryonen zu
voller Reife: denn nicht gar selten stirbt einer, oder sterben einige von ihnen früher oder später
ab, obgleich die übrigen sich immer weiter entwickeln. Diejenigen aber, welche sich in einem
und demselben Ei so weit entwickelt haben, dass sie es verlassen und ein selbstständiges Leben
beginnen können, besitzen zwar sämmtlich zu der Zeit, da dies geschieht, schon die Gestalt
ihrer Eltern, sind jedoch dann nicht von gleicher, sondern von verschiedener Grösse, weil
immer einige in ihrer Entwickelung, seit dem Beginn derselben, hinter den übrigen mehr oder
1) Aehnliche Eischläuche finden sich bekanntlich auch bei andern Würmern aus der Gruppe der
Ilirudineen , bei Lumbricinen , Nemertinen und selbst bei zahlreichen Mollusken, besonders Schnecken, vergl.
Leuckart. Art. Zeugung in ^Vagner’s Handwörterbuch der Physiologie. (Bd. IV. S. 89S.) — Anra. des Heraus-
gebers.
Erste Periode des Fruclitlehens .
I
weniger weit, und mitunter sogar bedeutend, Zurückbleiben. Die Länge der grössten , die ich
habe aus den Eiern ausschlüpfen sehen, betrug 2 Linien.
Das Fruchtleben der Nephelis oder der Zeitraum, in dem sie innerhalb desijEies sich
so weit entwickelt, dass sie aus demselben ausschlüpfen und ein selbstständiges Leben beginnen
kann, lässt sich am passendsten in 3 Perioden abtheilen. Die eine derselben reicht von dem
Legen der Eier bis zu der Bildung der Mundöffnung bei dem Embryo, die zweite von der Bil-
dung der Mundöffnung bis zu der Bildung des hinteren Saugnapfes, die dritte von der Bildung
dieses Napfes bis zu dem Auskriechen des Embryos aus dem Eie. Die erste Periode ist am
kürzesten, die letzte wenigstens so lang, wie die beiden andern zusammengenoramen.
Abbildungen der Eier von Nephelis 'oulgaris haben gegeben ; Eayer in den Annales
des Sciences naturelles. Bd. IV. Tafel 10 Figur 1 bis 6 und Moquin- Tandon in seiner Mono-
graphie de lafamille des Hirudinees Paris 1827. Tafel 6. Fig. 4. — Abbildungen von Embryo-
nen dieses Wurms sind mir nicht bekannt.
Erste Periode des Fniclitlebens.
Die Entwickelung einer Frucht aus dem Dotter der Nephelis wird durch eine totale Durch-
furchung und Zerklüftung desselben eingeleitet, wobei dieser sich zugleich nicht unbedeutend ver-
grössert. Ehe aber eine solche Klüftung beginnt, entsteht zwischen dem Dotter und der ihn ur-
sprünglich knapp einhüllenden Dotterhaut ein ziemlich weiter Zwischenraum, der sich hei einer
Beleuchtung von unten in der Regel als einen schmalen, zuweilen aber als einen ziemlich breiten
ringförmigen Hof, oder auch, obwohl nur selten, als einen halbmondförmigen Hof darstellt, und
mit einer dünnen, farblosen und ganz klaren tropfbaren Flüssigkeit erfüllt ist. (Taf. I. Fig. 1.,
die nach einem zwei Stunden alten Eie gefertigt ist.) Demnächst erscheint in diesem Zwischen-
räume eine kleine Kugel, die scharf begrenzt, ganz farblos und in der Regel völlig klar und hell
ist, selten in ihrer Mitte ein Körperchen oder einige wenige Körperchen von einem derartigen
Aussehen enthält, wie es die kleinsten Dotterkörperchen haben. Zuweilen aber erscheinen statt
einer einzigen solchen Kugel zwei nahe bei einander liegende und an Grösse ungleiche, von
denen wohl jedenfalls die kleinere die später zum Vorschein gekommene ist. (Taf. I. Fig. 1 bis
13, c.) Ohne sich in ihrer Beschaffenheit zu verändern, bleihen diese Kugeln fast so lauge be-
stehen, wie die Dotterhaut j nämlich bis über die Mitte der ersten Periode hinaus; dann aber
vergehen sie und verschwinden spurlos, nachdem sie vorher an Umfang ein wenig zugenommen
und ihren scharfen Umriss mehr und mehr verloren haben. (Taf. I. Fig. 13, c.)
Der angeführte Raum, der schon bald nach der Absetzung des Eies zwischen dem Dot-
ter und der Dotterhaut entstanden ist, und die wasserdünne Flüssigkeit, die ihn ausfüllt, bleiben,
während der Dotter durchfurcht wird und sich dabei vergrössert. Ja, trotz dieser Vergrösserung
8
Nejyhelis vulyaris.
nimmt der Zwischenraum unter einer langsam vor sich gehenden Ausweitung der Dotterhaut
eine Zeit lang noch an Umfang, wie die Flüssigkeit an Menge zu. Es kann daher diese dünne
Hüssigkeit nicht etwa aus dem Dotter ausgeschieden sein. Sie muss vielmehr durch die Dot-
terhaut von aussen , namentlich aus dem ursprünglich flüssigen und nachher gallertartig ge-
wordenen Eiweiss hindurchdringen, nachdem dieses wieder seinen Aggregatzustand zu ändern
und flüssig zu werden angefangen hat. (§. 1.) Was aber die kleine Kugel anbetritft, welche
vor dem Beginn der Durchfurchung des Dotters zwischen diesem und seiner häutigen Hülle er-
scheint, so dringt sie, wie ich einige Mal gesehen habe, ziemlich langsam aus dem Dotter her-
vor, worauf nachher zuweilen an derselben Stelle, an welcher sie heraustrat, noch eine zweite
zum Vorschein kommt. Es fragt sich nun, wofür man diese Kugeln, die zwar scharf begrenzt
sind, doch bei einer Beleuchtung von unten keinen besonders breiten dunkeln Rand zeigen, zu
halten habe? Heinrich Frey, von dem vor mehreren Jahren einige Mittheilungen über die
Entwickelung der Nephelis vulgaris gemacht worden sind, hat sie für Zellen mit blassen und
dünnen Rändern ausgegeben, doch dabei erklärt, dass ihm ihre Bedeutung räthselhaft geblie-
ben sei. Eine solche Kugel aber hat keine häutige Wandung, und ist nichts weiter, als ein
sehr kleiner Theil des an sich klaren und etw'as gallertartigen flüssigen Bindemittels der Dotter-
körperchen (des Liquor vitelli), den der Dotter vor dem Beginn seiner Durchfurchung aus sich
hervorgetrieben und ausgestossen hat. Ein Gleiches geschieht auch bei dem Dotter vieler (oder
der meisten?) Gasteropoden — worüber ich bereits vor einigen Jahren mich geäussert habe^) — ,
so Avie nach Bischoff’s Beobachtungen bei dem Dotter des Hunde -Eies und des Kaninchen -
Eies^), vielleicht sogar ganz allgemein bei den Eiern mit totaler Dotterfurchung.
§. 5.
Um dieselbe Zeit, in der aus dem Dotter ein Theil des Bindemittels seiner Form-
elemente (oder des Liquor vitelli) als ein einfacher oder doppelter kleiner Tropfen hervordringt,
oder selbst noch etwas früher, jedenfalls vor der beginnenden Durchfurchung, begeben sich die
innersten , zunächst um den Mittelpunkt der Dotter gelegenen Körnchen weiter nach aussen.
Es ist das wohl ein Zeichen, dass die provisorischen Formelemente des Dotters immer dichter
zusammenrücken. In Folge davon entsteht allmählich in der Mitte des Dotters (wie die erste
Figur der ersten Tafel andeutet) eine verhältnissmässig ziemlich grosse helle Masse, die dieser
Körperchen entbehrt und völlig klar ist. Sie hat die Gestalt einer Kugel, ist dabei aber an-
fangs ohne scharfe Begrenzung, und stellt gleichsam einen Kern für den ganzen Dotter
1) Göttingische gelehrte Anzeigen. Jahrgang 1845, Seite 276 bis 286.
2) Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. Jahrgang 1848, Seite 157 bis 162. — Bei Firoloides sah
LeüCKART dieses Tröpfchen gleichfalls aus dem Dotter hervorqueilen. Zoologische Untersuchungen , Giessen
1854, Heft III. S. 65.
3) Entwickelungsgeschichte des Hunde -Eies. Braunschweig 1845. S. 37, 38, 39 und 45. Entwicke-
lungsgeschichte des Kaninchen -Eies. Braunschweig 1842. S. 54, 76.
Erste Periode des Fruchtlebens,
9
dar.*) Noch etwas später tlieilt sich diese zähflüssige Masse in zwei kugelförmige Hälften, die
sich von einander trennen und darauf allmählich aus einander weichen. Gleichzeitig giebt der
Dotter seine Kugelform auf und plattet sich so ab, dass er in einer ähnlichen .\rt, wie die
Frucht der Linse [Ervum lens) zwei einander gegenüberliegende mässig stark gewölbte Seiten
und einen abgerundeten dicken Rand erkennen lässt. Dabei wird derselbe aber nicht linsen-
förmig rund, sondern ein wenig und zwar so gestreckt, dass er, von einer seiner beiden Seiten
angesehen, schwach oval erscheint. (Taf. I. Fig. 2.) Auch entsteht jetzt, während er eine
solche etwas längliche Form annimmt, ungefähr in der Mitte seiner einen Seite, wo aus ihm
schon eine kleine Quantität seines flüssigen Bestandtheiles hervorgedrungen ist, eine seichte
Querfurche, die darauf in kurzer Zeit an Tiefe und noch mehr an Länge zunimmt, so dass sie
bald nachher eine mässig tiefe und den Dotter unvollständig in zwei Hälften theilende Ring-
furche darstellt. (Taf. I. Fig. 3.) Ist dies geschehen, so erscheinen die beiden Hälften oder
ersten Furchungsballen, in welche sich der Dotter getheilt hat, anfangs als ein Paar ungefähr
halbkugelförmige, dicht an einander angeschlossene und an Grösse einander gleiche oder doch
beinahe gleiche INIassen, von denen eine jede im Innern die eine Hälfte des vorhin erwähnten
klaren Dotterkerns enthält. Später aber runden sich dieselben zu, indess die zwischen ihnen
befindliche Ringfurche breiter und auch tiefer wird. Sie gewinnen eine Aehnlichkeit mit ganzen
Kugeln und werden an Grösse mehr oder weniger ungleich, indem sich die eine von ihnen eine
grössere Quantität der um den Dotter abgelagerten und von dem Eiweiss hergegebenen Flüssig-
keit aneignet, als zu derselben Zeit die andere. (Taf. I. Fig. 4.)
Weiterhin giebt derjenige Furchungsballen des Dotters, welcher sich am meisten ver-
grössert hat, seine Kugelform auf und nimmt entweder die Form einesOvals oder die Form einer
dicken Bohne an , in welchem letztem Falle er dem andern Ballen mit seiner concaven Seite zu-
gekehrt und angeschlossen ist. Gleichzeitig theilt sich der in ihm befindliche Kern , der bis
dahin die Form einer Kugel behalten hatte, aber etwas dichter und gallertartiger gcAvorden war,
in zwei Hälften, die sich wieder zu Kugeln abrunden und allmählich in der Richtung des gröss-
ten Durchmessers des gleichzeitig in die Länge sich streckenden Ballens auseinanderrücken.
(Taf. I. Fig. 5.) Darauf aber entsteht an diesem Ballen ungefähr in der Mitte seiner Länge
eine Ringfurche, durch die er in zwei kleinere Ballen geschieden wird, die sich in kurzer Zeit
zu Kugeln abrunden, und von denen ein jeder wieder seinen besondern klaren und etwas gallert-
artigen Kern hat. (Taf. I. Fig. 6.) Noch etwas später findet derselbe Vorgang auch an der
andern Hälfte des Dotters statt, nachdem diese ebenfalls an Umfang und Masse zugenom-
men hat.
1) Eine gleiche Erscheinung habe ich auch an den Dottern von Lymnaeus, Planorbis, Paludina impura
und Succinea amphibia bemerkt, in denen sich aber die Masse , welche vor dem Beginn der Durchfurchung des
Dotters einen Kern für denselben darstellt, viel zäher erwies, als der übrige Theil des Bindemittels der Dotter-
körperchen. In Folge vielfach wiederholter Untersuchungen kann ich, wie das später noch besonders begründet
werden soll, die Ansicht nicht theilen, dass die Kerne der Furchungsballen aus den Keimbläschen entstehen
(Letdig, Lehrbuch der Histologie §. 10).
R a t h k e , Entwicklung der Hirudineen.
2
10
Nephclis vulgaris.
Wenige Stunden nach dem Beginn der Durchfurchung besteht demnach der Dotter,
der im Ganzen während der angegebenen Veränderungen seine von zwei Seiten etwas abgeplattete
Form beibehalten hat, aus 4 um seine imaginäre Achse herumliegenden, mit einem gallertarti-
gen Kern versehenen und äusserlich durch ziemlich tiefe und breite Furchen gegen einander ab-
gegrenzten Ballen, die sämmtlich die Form von Kugeln haben. Nur eine kurze Zeit aber be-
halten diese 4 Ballen, die übrigens nicht immer an Grösse einander gleich, sondern meistens
etwas ungleich sind, die Form von Kugeln bei; denn bald nach ihrer Entstehung drängen sie
sich dicht zusammen, platten sich gegen einander ab und erscheinen dann, von der einen oder
der andern Seite des Dotters angesehen, als unregelmässig dreieckige Körper, deren periphe-
rische, den Rand des Dotters zusammensetzende Seiten oder Grundflächen stark convex sind,
ohne sich dabei jedoch in Hinsicht der Grösse, wie der Form vollständig zu gleichen.
(Taf. I. Fig. 7.)
Nachdem sich der Dotter in 4 Abschnitte oder Ballen getheilt hat, erfahren 3 von
ihnen eine längere Zeit hindurch keine besonders bedeutende Veränderung. Sie werden nur
etwas umfangreicher, gleichen sich in ihrer Grösse und Form gegen einander völlig oder doch
beinahe völlig aus, und wölben sich auch meistens gegenüber der Achse des Dotters stärker
hervor, indess von den bereits entstandenen und wie IMeridiane verlaufenden 4 Furchen des
Dotters die beiden zwischen ihnen befindlichen breiter und tiefer werden. Der vierte Ballen aber
vermehrt sich in derselben Zeit durch eine mehrmalige Theilung, worauf dann seine Abkömm-
linge, die zusammen einen grössern Raum einnehmen , als je die übrigen Ballen , sich in einer
verschiedenen Weise entwickeln und noch weiter vermehren. (Taf. I. Fig. 8 bis 16.)
Nach dem Angeführten zeigt also der Dotter einer Nephelis in seiner Durchfurchung
oder Zerklüftung ein Verhalten, das von demjenigen, welches namentlich der Dotter eines Hun-
des, Kaninchens, Frosches, Lymnaeus und noch mancher andern Schnecken bemerken lässt,
sehr abweicht.*) Denn nachdem an ihm die erste Furche entstanden ist, und ihn ringförmig
umfasst hat, bildet sich an ihm nicht ebenfalls, wie an den Dottern der erwähnten Thiere, eine
dieser Furche gleiche zweite, von der die erste an zwei einander gegenüberliegenden Stellen unter
rechten Winkeln geschnitten würde, so dass nunmehr die Hälften beider Furchen 4 Meridiane
darstellten, die eben so viele Ballen äusserlich gegen einander ahgrenzten, sondern es bildet
sich an ihm nach einer entstandenen Ringfurche zunächst nur eine Meridianfurche, worauf
dann einige Zeit nachher zu ihr noch eine andere solche Furche hinzukommt. Ferner haben an
dem Dotter der Nephelis, wenn an ihm bereits 4 Meridianfurchen verkommen, diese gewöhnlich
nicht eine solche regelmässige Lage zu einander, dass je 2 von ihnen eine Ringfurche zusam-
mensetzten, wie es an den Dottern der vorhin erwähnten Thiere zu einer gewissen Zeit der Fall
ist, sondern eine mehr oder weniger unregelmässige. Auch entstehen bei ihm weiterhin nicht
1) Dass es freilich auch Arten giebt, die sich durch die Art ihrer Dotterklüftung an Nephelis an-
schliessen , beweisen u. a. die Beobachtungen von Gegenbaur an Hyalea und Tiedemannia , Untersuchungen
über Pteropoden und Heteropoden. Leipzig 1855, Tab. II. und III.
Erste Periode des Fruchtlehens.
1 I
gleichzeitig an allen 4 Hallen, die durch diese Furchen äusserlich gegen einander abgegrenzt
werden, neue Furchen, sondern nur an dem einen von ihnen, indess die übrigen eine ebene
Oberfläche behalten.
§• 6-
Wenn die Entwickelung des Dotters bereits so weit vorgeschritten ist, dass derselbe
aus 4 Abschnitten oder Furchungsballen besteht, bildet sich an dem einen von ihnen, nachdem
er sich in der Richtung von der Achse des Dotters zu dem Rande desselben etwas verlängert
hat, eine ihn der Quere nach umgebende Ringfurche , wodurch er in zwei neue Ballen getheilt
wird, von denen der eine in der erwähnten Richtung nach aussen vor dem andern liegt, der
eine also an die Achse des Dotters angrenzt, der andere aber, der breiter und überhaupt grösser,
als jener ist, einen Theil von dem Rande des Dotters darstellt. Gleich darauf entsteht eine
Ringfurche an dem äussern von diesen beiden Ballen, die aber eine radiale Richtung hat, in
den Rand des Dotters einschneidet und den letzten Ballen in zwei neben einander liegende und
einander völlig gleiche kleinere theilt. (Taf. I. Fig. 8.) Ist dies geschehen, so bildet sich auch
an dem erstem oder innern Ballen , nachdem er sich vorher besonders in die Breite vergrössert
hat, eine Ringfurche, die gleichfalls eine Richtung von der Achse des Dotters nach dem Rande
desselben nimmt, und durch die er ebenfalls in zwei neben einander liegende und einander
gleiche, aber den beiden Abkömmlingen jenes andern oder äussern Ballens an Grösse ein Avenig
nachstehende, kleinere getheilt Avird. (Taf. I. Fig. 9.) Einige Zeit nach dem Beginn der Durch-
furchung des Dotters kommen also an ihm 4 im Verhältniss zu seinem Umfange nur sehr mässig
grosse Ballen vor, die sich zwischen ZAvei bedeutend grössere gleichsam eingekeilt befinden,
dicht und paarAveise beisammen liegen und an jeder mn den beiden Seiten des Dotters so her-
vorragen, dass sie an ihm eben so AÜele niedrige und abgerundete Hügel bilden. Wie ein jeder
von den 3 übrigen oder grössern Ballen des Dotters, die sich noch nicht vermehrt haben, be-
steht auch jeder von ihnen zum kleineren Theil aus einem etwas gallertartigen Kern ohne Kern-
körper und häutige Wandung, zum grössern aber aus einer diesen Kern umgebenden dicken
Rinde, die aus einer Menge von Dotterkörperchen und einer Partie der dickliclien Dotterflüs-
sigkeit zusammengesetzt ist.
Anfangs bilden von den angeführten 4 kleinern Ballen die des äusseren Paares , Avie
schon aus der oben gemachten Bemerkung über ihre Entstehung zu entnehmen gcAvesen sein
wird, einen Theil des Dotterrandes und springen an demselben als ZAvei Hügel ziemlich weit
vor. (Taf. I. Fig. 9.) Allmählich aber, und ZAvar ziemlich rasch, nämlich schon nach Avenigen
Stunden, wachsen die beiden anliegenden Dotterballen um diese vier kleinen Ballen hcnum. Sie
erheben sich an den Seitenrändern derselben, kommen nach aussen von ihnen einander bis zur
innigen Berührung immer näher und umfassen sie zuletzt dermassen , dass dieselben an der
Bildung des Dotterrandes nicht länger mehr Theil haben , sondern neben demselben , obschon
ziemlich oberflächlich, liegen. Man findet also die Abkömmlinge des einen der 4 grössern Fur-
chungsballen , in welche der Dotter anfangs getheilt AAar, kurze Zeit nach ihrer Entstehung
f
1 2 Nephelis vulgaris.
von den 3 übrigen, die sich inzwischen nicht vermehrt haben, wie von einem Ringe derart ein-
gefasst, dass sie dem Rande des Dotters zwar an einer Stelle ziemlich nahe liegen, im Uebrigen
aber davon beträchtlich weit entfernt sind. (Taf. I. Fig. 10.)
Anmerkung. Die In dem Dotter erfolgenden Entwickelungsvorgänge, welche ich in dem
Vorstehenden beschrieben habe, sind zum Theil schon von H. Fket bemerkt und in dem früher
erwähnten Aufsatze (Göttingische gelehrte Anzeigen, Jahrgang 1845) angegeben worden. Auch die-
ser Beobachter nahm wahr, dass sich der Dotter von Nephelis vulgaris erst in zwei Kugeln und
darauf in 4 Segmente theilt, von denen jedes im Innern einen besondern Körper ( Embrjmnalzelle
nach Frey) enthält. Weitere Theilungen aber konnte er nach seiner eigenen Angabe nicht auffin-
den , namentlich niemals etwas , das einer Achttheilung oder einer Maulbeerform des Dotters anderer
Thiere entsprochen hätte ; wohl aber fand er den Dotter in dem frühesten Stadium der Entwickelung
am häufigsten so gestaltet , dass derselbe eine aus 3 mit einander verbundenen Kugelsegmenten be-
stehende Masse darstellte, von denen jedes einen für eine Zelle gehaltenen Kern einschloss. Weiter-
hin war nach seiner Angabe der mittlere Theil dieser Masse da, wo die 3 Kugelsegmente zusammen-
stiessen, verdickt , und in demselben befanden sich 4 neue deutlich gekernte Zellen ( oder vielmehr
kleinere Furchungsballen). In andern Dottern hatten sich zu diesen mittlern Zellen noch einige neue
hinzugesellt, so dass deren dann 6 oder 8 oder noch mehrere vorhanden waren. Die Entstehung
der letztem Form aus der frühem, nämlich aus der sogenannten Viertheilung, konnte jedoch Frey,
wie er selbst geäussert hat, aller angewandten Mühe ungeachtet nicht wahrnehmen. Üebrigens
schien ihm die angeführte Umwandlung des Dotters — wie es auch in der That unter günstigen
äussern Verhältnissen der Fall ist, — sehr rasch vor sich zu gehen, denn schon nach einigen Stun-
den hatte sich der in 4 Theile zerklüftete Dotter in die letzterwähnte Form metamorphosirt , welche
er dann mehrere Tage beibehielt. Frey vermuthete nun, dass eines der 4 Segmente des viergetheil-
ten Dotters seine Lage verändert, indem es allmählich weiter nach dem Centrum des Dotters hinrückt,
wobei es sich zwischen die beiden benachbarten Segmente eindrängt, und dass es zu derselben Zeit
auch seine Form in eine mehr glatte (platte?) und breite umwandelt. Diese Vermuthung aber ist
zwar insofern zutreflFend , als das eine Segment des Dotters in der That eine andere Lage erhält und
seine Form verändert, nicht jedoch auch darin, dass es sich zwischen zwei ihm benachbarte ein-
drängt und seine Form in eine mehr glatte umwandelt. Vielmehr wird dasselbe, nachdem es sich
vorher in etliche kleinere getheilt hat, an seiner dem Centrum des Dotters abgekehrten Grundfläche
von zwei ihm benachbarten umwachsen, ausserdem aber allmählich uneben, indem die an den beiden
Seiten des Dotters nach aussen hervorragenden Theile der Ballen, in welche es sich zerklüftet hat,
immer stärker hervortreten. Zu dieser Bemerkung muss ich indess hinzufügen, dass es mir im Laufe
von zwei Sommern, aller angewandten Mühe ungeachtet, eben so wenig, wie Herrn Frey, gelingen
wollte, zu ermitteln, wie aus einem viertheiligen Dotter der Nephelis jene Form desselben, die ich
oben zuletzt beschrieben habe, zu Stande kommt, bis ich in einem dritten Sommer mehrmals erst
unlängst gelegte und viertheilige Dotter enthaltende Eier, deren Hülle ungewöhnlich dünn und durch-
sichtig war, einige Stunden hindurch , ohne sie geöffnet zu haben , beobachtet und die in ihnen vor-
handenen Dotter sich unter meinen Augen weiter entwickeln sah. ')
1) Robin, der neuerdings {l’Inst. 1861. ?s. 1443. p. 291.) die Furchung von Nephelis und andern
Hirudineen näher untersuchte , lässt die vier kleinen Furchungsballen nicht durch Theilung eines grossem ent-
stehen, sondern von dem einen Pole der persistirenden vier grossen Ballen hervorknospen. So weit ich indessen
beobachten konnte, dürfte die Darstellung von Rathke zutreffend sein. Ich konnte wenigstens neben den vier
kleinern Furchungsballen immer nur drei grössere Dotterballen unterscheiden. Anm. des Herausgebers.
Erste Periode des Fruchtlehens .
13
§• 7.
Bald nachdem die 4 kleinern Ballen des Dotters, die aus dem einen von den 4 grossem
entstanden waren, von den 3 übrigen grossem wie von einem Ringe eingefasst sind, findet man
an ihrer Stelle zwölf kleinere, die sämmtlich eine rundliche Form und eine gleiche Beschaffen-
heit haben. Acht von ihnen liegen oberflächlich und sind so vertheilt, dass vier an jeder Seite
des ziemlich stark abgeplatteten Dotters Vorkommen, an der sie hügelartig hervorragen und zu
einander eine eben solche Lage haben , wie die hervorragenden Theile der 4 Ballen , in die sich
der eine grössere zerklüftet hatte. (Taf. I. Fig. 10 bis 13, e, e und f, f.) Die übrigen 4 von
ihnen befinden sich in der Tiefe des Dotters, liegen, in einer Schicht ausgebreitet, in der Mitte
zwischen jenen oberflächlichen und sind in Hinsicht ihrer Lage zu einander eben so geordnet,
wie jene erstem an den beiden Seiten des Dotters. Im Ganzen kommen also in dem Dotter,
wenn er in seiner Entwickelung fortschreitet, zu einer gewissen Zeit 3 Schichten von kleinem
Furchungsballen vor, von denen eine die Mitte zwischen zwei oberflächlich gelegenen einnimmt,
(Taf. I. Fig. 11, g, g.) jede aber aus 4 dergleichen paarweise geordneten und dicht bei einander
liegenden Ballen besteht. Bei der ziemlich grossen Durchsichtigkeit, die der ganze Dotter be-
sitzt, schimmern die der mittlern Schicht, besonders aber ihre verhältnissmässig recht grossen
Kerne, durch die der oberflächlichen Schichten, von welcher Seite man den Dotter betrachten
mag, ziemlich deutlich hindurch. Von den 4 an jeder Seite des Dotters oberflächlich gelegenen
sind übrigens die desjenigen Paares, welches dem Rande am nächsten ist, etwas grösser, als
die des andern Paares. Jene und diese aber liegen an der einen Seite des Dotters denen der
andern Seite desselben genau gegenüber, wie ich in zwei Fällen gesehen habe, in denen nach
dem Oeffnen und Entleeren eines Eies ein Dotter — was höchst selten geschieht — eine solche
Stellung erhalten hatte, dass mir ein Theil seines Randes zugekehrt war. (Taf. I. Fig. ll.j
Leicht jedoch kann man in Folge einer Täuschung die Meinung fassen, dass das Gegentheil
davon stattfinde. Denn wenn dergleichen in dem dicklichen Eiweiss eingeschlossene Dotter,
in denen schon die angeführten 12 kleinern Furchungsballen Vorkommen, dem Beobachter ihre
eine Seite zugekehrt haben, so scheinen häufig wegen geringer Schieflage derselben die 4 klei-
nern Ballen dieser Seite an einem von ihnen so zu liegen , dass sich das eine Paar hart an dem
Rande desselben befindet , an einem andern aber , von dem man glauben könnte , dass er eine
andere Seite nach oben gekehrt hätte, eine solche Lagerung zu haben, dass das jenem entspre-
chende Paar ziemlich weit davon entfernt ist.
Die Lagerungsverhältnisse der 12 kleinen Ballen, von denen soeben die Rede war, las-
sen mit Sicherheit annehmen, dass sie Abkömmlinge derjenigen 4 Ballen sind, in die sich
früher der eine von den 4 grossen je einen Quadranten des Dotters darstellenden Ballen ge-
theilt hat. Wie sie aber aus jenen entstehen, ist mir nicht gelungen zu beobachten. Ich ver-
muthe jedoch, dass sich ein jeder von jenen Ballen der Quere nach zu einer und derselben Zeit,
in 3 kleinere theilt, die dann in der Richtung von der einen zu der andern Seite des Dotters,
wie die Werkstücke einer aus solchen Stücken zusammengesetzten Säule, in einer Reihe über-
einander liegen.
14
Nephelis vulgaris.
Wenn der Dotter sich bereits dermaassen verändert hat, dass er aus 12 kleinern und
3 viel grösseren Ballen besteht, haben die Kerne dei'selben nicht mehr eine gallertartige und
durchweg homogene Beschaffenheit, sondern es lässt alsdann der Kern eines jeden von ihnen
deutlich eine Zusammensetzung aus einer häutigen Wandung , einem klaren flüssigen Inhalt
und einem bleichen und verhältnissmässig ziemlich grossen rundlichen Kernkörper erkennen.
Von einer häutigen äussern Hülle aber kommt auch jetzt an keinem Ballen des Dotters irgend
eine Andeutung vor.
Anmerkung. Die Durchfurchung oder Zerklüftung des Dotters eines Thieres, mag sie eine
totale oder nur partielle sein, ist, wie längst bekannt, die Einleitung zu einer Entwickelung von
elementaren Zellen aus der Substanz des Dotters. Wie nun in den Eiern der Nephelis, so enthalten
auch in denen mancher andern Thiere die Ballen eines in der Zerklüftung begriffenen Dotters in der
ersten Zeit dieses Vorganges einen aus einer klaren, durchweg gleichartigen und mehr oder weniger
dicklichen Substanz bestehenden Kern, späterhin aber einen ganz anders beschaffenen, nämlich einen
solchen , der, gleichwie der Kern einer gewöhnlichen thierischen Zelle, aus einer hautartigen Wan-
dung, einem einfachen oder zweifachen Kernkörper und einem mehr oder weniger flüssigen Inhalt
zusammengesetzt ist. Namentlich ist dies nach meinen Untersuchungen nicht nur in den Eiern der
Nephelis der Fall, sondern auch in denen der Clepsine , verschiedenartiger Süsswasserschnecken,
namentlich der Succinea amphibia, und der Frösche. Desgleichen fand Bischoff bei seinen Unter-
suchungen über die Entwickelung des Hundes , dass in den Eiern dieses Thieres , wenn sich der
Dotter zu zerklüften begonnen, ja sogar sich schon in ziemlich viele Ballen getheilt hatte, ein jeder
von diesen einen rundlichen und völlig klaren Kern enthielt, in dem kein Kernkörper »oder etwas
der Art zu erkennen war«.*) Bischoff hat zwar dieser Kerne unter der Benennung von Bläs-
chen Erwähnung gethan; indess muss ich vermuthen, dass auch in dem Hunde -Ei die Kerne der
frühesten Dotterballen noch keine hautartige Wandung haben, sondern durch einen scharfen Umriss
nur den Schein von dem Vorhandensein einer solchen gewähren.
Die angeführten Kerne der frühesten Dotterballen in den Eiern der Nephelis vulgaris, der
Clepsine, der Süsswasserschnecken {Succinea amphibia) , der Frösche und wahrscheinlich auch
noch vieler andern oder der meisten Thiere sind nichts weiter , als rein ausgeschiedene Quantitäten
des Liquor vitelli. Nachdem aber die Zerklüftung des Dotters dieser Thiere weiter fortgeschritten
ist, also die Ballen desselben und ihre Kerne sich durch eine Theilung vermehrt haben, gewinnen
diese letztem zum Theil eine grössere Festigkeit, wie überhaupt eine höhere Ausbildung. Dann
nämlich werden sie an ihrer Oberfläche hautartig , im Innern hingegen flüssiger : auch entsteht als-
dann , nachdem sich schon an ihnen eine Wandung zu bilden begonnen hat, in oder an dieser ein
sogenannter Kernkörper. Sind einmal bereits dergleichen zusammengesetzte oder höher ausgebildete
Kerne in dem Dotter entstanden, so kommen auch fortan in den sich immer stärker vermehrenden
Ballen desselben nur solche vor.
Am leichtesten und genauesten habe ich die Entwickelung der Kerne der Dotterballen in den
Eiern der Frösche, Süsswasserschnecken und Spinnen untersuchen und verfolgen können. Von einer
Theilnahme des Keimbläschens an der Kldung dieser Kerne habe ich niemals auch nur das Geringste
beobachtet. Dasselbe geht nach der Befruchtung überall spurlos zu Grunde.
1) .4. a. O. Seite 38 bis 45.
Erste Periode des Fruchtlehens.
15
§■ 8.
Nach der erfolgten Abplattung des Dotters, die, wie erwähnt, schon frühe vor sich
geht, findet man denselben immer so gelagert, dass seine eine Fläche der convexen, seine andere
der platten Seite der Eikapsel zugekehrt ist. Aus der erstem entwickelt sich die Ilückenseite,
aus der letztem die Bauchseite des Embryos. Von den 15 verschiedenen Ballen aber, in welche
sich der Dotter einige Zeit nach dem Beginn seiner Durchfurchung getheilt hat , dienen die 1 2
kleinern nebst den beiden symmetrischen grossem, von denen sie, wie von einem Halbringe,
umfasst sind, zur Entwdckelung der hintern grossem Körperabtheilung der iVisjö/ie/w', die als
Rumpf bezeichnet werden kann, der dritte grössere Ballen aber zur Entwickelung des viel
kleinem andern Körperabschnittes, der das Gehirn einschliesst und den Namen des Kopfes er-
halten hat. In den nächstfolgenden Paragraphen werde ich daher, um mich kurz zu fassen, den
von dem letztem Ballen gebildeten Theil des Dotters den Vordertheil, den aus den übrigen
Ballen zusammengesetzten Theil desselben den Hinter theil des Dotters nennen.
§• 9-
Während der weitem Entwickelung scheidet sich der Dotter zunächst in zwei verschie-
den beschaffene Substanzen, aus deren einer sich nachher unmittelbar die verschiedenen Ge-
webe des .Embryos bilden, deren andere aber von dem Embryo gleichsam als ein Nahrungsmittel
verbraucht wird, so dass man dieselben unter dem Namen des Bildungsdotters (oder der Embryo-
nalsubstanz) und des Nahrungsdotters aufführen kann. Ausserdem aber vergrössert er sich im
Ganzen durch eine Aufnahme und Aneignung von Stoffen aus dem umgebenden Eiweiss, und
nimmt auch wieder eine andere Gestalt an.
Anbelangend die Scheidung in einen Nahrungsdotter und einen Bildungsdotter, so be-
steht diese darin, dass sich seine innern oder tiefer liegenden Furchungsballen in eine tropfbare
Flüssigkeit umwandeln , die übrigen aber durch eine mehrmalige Theilung sich stark vermeh-
ren, und dann schliesslich in Zellen verwandeln.
Verfolgt man den Dotter einer Nephelis, der nur erst aus 3 grössern und 12 in drei
Schichten gelagerten kleinern Furchungsballen besteht, in seiner weitern Entwickelung, so fin-
det man, dass sich von den letztem Ballen die 4, welche die mittlere Schicht zusammensetzeu,
während sich alle übrigen in einem Zustande der Ruhe zu befinden scheinen, in 8 bis 12 noch
kleinere theilen, die sich dann so lagern, dass sie zwar ebenfalls eine einfache Schicht zusam-
mensetzen , jedoch einige von ihnen über die beiden andern oder oberflächlichen Schichten der
I) Nach den Angaben Robin’s {L c.) sollen Bauch- und Rückenfläche dieser Abschnitte insofern
einen verschiedenen Ursprung haben , als die ersten aus den Abkömmlingen der vier kleinen Dotterballen , die
andern aber aus den Furchungskugeln des einen grössern Ballens hervorgehen. Die drei anderen grossen Dotter-
ballen bleiben auch nach der Darstellung des französischen Forschers einstweilen ohne Veränderung. Anm. des
Herausgebers.
16
Nephelis vulgaris.
kleineren Ballen seitwärts hinausragen, und in zwei von den drei grösseren Ballen des Dotters,
oder auch in alle diese Ballen massig weit hineindringen. (Taf. I. Fig. 12 und 13, g.) Darauf
aber vergehen diese innern Ballen des Dotters, und es erscheinen an ihrer Stelle, wie in den
Dottern vieler Schnecken , wenn sie in der Durchfurchung begriffen sind , ganz klare , farblose
und kernlose, rundlich -eckige Dottertheile, die in einem Haufen dicht beisammenliegen, sich
als kleine Quantitäten einer gerinnbaren und etwas dicklichen Flüssigkeit erweisen, von dem
Embryo als Nahrung verbraucht werden und daher als Massentheile eines Nahrungsdotters
bezeichnet werden können. (Taf. I. h'ig. 14 bis 16,^.) Wahrscheinlich entstehen dieselben
zunächst durch eine Auflösung und Verflüssigung der Kerne, welche in den angegebenen
Furchungsballen Vorkommen , worauf dann auch die Dotterkörperchen und die sie zusammen-
haltende gallertartige Substanz dieser Ballen in eine gerinnbare Flüssigkeit umgewandelt wird.
Späterhin nehmen sie eine längere Zeit, ehe sie verbraucht werden und verschwinden, an Zahl
und auch an Grösse bedeutend zu, worüber ich aber erst weiterhin ein Näheres angeben werde.
Die übrigen von den 15 Furchungsballen, aus denen zu einer gewissen Zeit der ganze
Dotter zusammengesetzt ist , also die 3 gvössern und die 8 oberflächlichen kleinern , die zusam-
mengenommen die 4 in der Tiefe des Dotters gelegenen kleinern Ballen völlig umgeben und ein-
schliessen, wandeln sich in den Bildungsdotter um. Wenigstens ist mir Nichts vorgekom-
men , was darauf hingedeutet hätte , dass aus irgend einem von ihnen oder aus einigen ihrer
Nachkommen ein Theil des Nabrungsdotters entsprungen wäre. Es entsteht demnach der Bil-
dungsdotter oder die Embryonal- Substanz der Nephelis nicht, wie die ihr entsprechende Sub-
stanz mancher andern Thiere, als eine sogenannte Keimscheibe an einer kleinen oder mässig
grossen Stelle der Oberfläche des primitiven Dotters, die sich dann über denselben immer weiter
ausbreitet, sondern als eine Lage, die den Nahrungsdotter schon bei seiner Entstehung voll-
ständig einschliesst. Jedoch beginnen von den letzterwähnten oder oberflächlichen 11 Furchungs-
ballen die 8 kleinern sich früher in einen Theil des Bildungsdotters umzuwandeln, als die 3
grösseni. Und zwar geschieht dies bald darauf, nachdem sich die zwischen ihnen liegenden
und ihnen an Grösse ähnlichen tiefem in die klaren Massentheile des Nahrungsdotters umzu-
wandeln begonnen haben.
Der Vorgang, der bei der Um-wandelung dieser oberflächlichen kleinern Furchungs-
ballen in einen Theil des Bildungsdotters stattfindet, besteht darin, dass aus ihnen durch eine
mehrmalige Theilung ihrer Substanz eine ziemlich grosse Menge sehr kleiner und dicht gedräng-
ter, sonst ihnen aber im Wesentlichen ähnlicher Ballen erzeugt wird, ohne dass dabei jedoch
an ihnen oder ihi-en Nachkommen eine eigentliche Durchfurchung bemerkbar wäre. Vielmehr
werden bei ihrer S^ermehrung die Furchen, welche früher zwischen denselben entstanden w'aren,
und die Hügel, welche sie an beiden Seiten des Dotters gebildet hatten, bis zum Verschwinden
immer flacher. Die Ursache davon liegt, wenn auch nicht allein, so doch wenigstens zum Theil
darin, dass der Nahrungsdotter, der schon bald nach seiner Entstehung sich bedeutend zu
vergrössern beginnt, (Taf. I. Fig. 14 und 15.) von innen gegen diese Furchungsballen und
deren Nachkommenschaft audrängt und sie immer flächenhafter ausbreitet. Anstatt der vier \
Erste Periode des Fruciitlehens.
17
H ügel sieht man nach einer Zeit jederseits auf dem Nahrungsdotter eine massig dicke aber
ziemlich stark hervorgewölbte Schicht auf liegen. (Taf. 1. Fig. 16, e, e.)
Nachdem die Furchen, welche anfangs zwischen den oberflächlichen kleinern Fur-
chungsballen vorkamen, ausgeglichen und die letzteren selbst in zahlreiche, dicht sich drängende
und deshalb auch rundlich- eckige Häufchen aufgelöst sind, misst man an den letztem im
Allgemeinen nur 0,0006" im Durchmesser. Sie bestehen aus einer gallertartigen Masse, die
den mit einem Kernkörper versehenen Kern wie eme verhältnissmässig ziemlich dicke Kinde
umgiebt, und nur einige wenige Dotterkörperchen in sich einschliesst. Die Menge dieser letzteren
ist auch im Vergleich mit dem Umfange der Häufchen eine viel geringere, als in den früheren Hallen.
Eine besondere häutige Hülle oder Zellenwandung habe ich an diesen Gebilden aber ebensowenig,
als an denjenigen, von welchen sie herstammten, wahrnehmen können, weshalb es mir denn
auch passender zu sein scheint, sie unter dem Namen von Dotterballen, als von Zellen aufzu-
führen, zumal sie mit den frühem Ballen auch immer noch durch Anwesenheit von Dotter-
körperchen und centrale Lage des Kernes übereinstimmen.
Wenn in der mittlern oder derjenigen Abtheilung des Hintertheiles des Dotters, welche
zu der Zeit, da derselbe aus 15 an Grösse sehr verschiedenen Ballen zusammengesetzt ist, aus
den 12 kleinem besteht, die soeben beschriebenen Veränderungen vor sich gehen, nimmt diese
ganze Abtheilung nicht unerheblich an IMasse und Umfang zu, indess diejenigen beiden grös-
sern Ballen des Dotters, welche die seitlichen Bänder desselben darstellen und erst später einen
Uebergang zu der Bildung von Embryonal -Substanz machen, sehr viel weniger an Masse und
Umfang gewinnen. In Folge davon drängt dann diese mittlere Abtheilung jene beiden seitlichen
nicht nur auseinander, sondern dringt auch eine Strecke über sie nach hinten vor, so dass da-
durch dem Vordertheile des Dotters gegenüber ein zwar nur wenig langer und nur mässig dicker,
jedoch beträchtlich breiter hinterer Vorsprung entsteht, der an seinem freien Rande bogenför-
mig abgerundet ist. Nach diesen Vorgängen zeigt also der Dotter, von einer seiner beiden ab-
geflachten Seiten angesehen, eine wieder vierlappige Form, während er einige Zeit vorher nur
dreilappig w’ar. (Taf. I. Fig. 14, 15 und 16.)
Erst nachdem der Dotter diese vierlappige Form wieder angenommen hat, beginnen
die 3 grössern Furchungsballen, die den Vordertheil und die Seitenränder des Hintertheiles
darstellen, ihren Uebergang in Embryonal- Substanz, und zw'ar die beiden letztem etw'as früher,
als der erstere. Zunächst vermehren sich die Kerne der 3 grössern Furchungsballen, indem aus
einem jeden, allem Anschein nach durch endogene Bildung, einige neue entstehen. Späterhin
findet man an der Stelle dieser Ballen, ohne dass an deren Oberfläche eine Durchfurchung be-
merkbar gewesen wäre, sehr viele dicht bei einander liegende Gebilde vor, die in jeder Hinsicht
mit denjenigen , welche bis dahin aus den 8 oberflächlichen kleinern Furchungsballen entstan-
den waren, übereinstiramen. Wie jene, sind auch sie übrigens insofern den frühem Furchungs-
ballen ähnlich, als sie keine häutige Wandung haben und in der gallertai’tigen Substanz, die
ihren Kern umgiebt, noch Dotterkörperchen enthalten. Auch ist die den Kern umgebende
Masse bei ihnen im Ganzen etwas klarer, als die der Ballen, von welchen sie herstammen, weil
Rathke., Entwicklung der Hirudineen. 3
18
Sephelis vulgaris.
bei ihrer Bildung viele von den Dotterkörperchen, welche sich in jenen ältern Ballen befanden,
aufgelöst und verschwunden sind.
Es ist daher mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Entstehung der an-
geführten rundlich -eckigen Gebilde im Wesentlichen auf denselben Vorgängen beruht, wie in
den Dottern vieler andern Thiere die Entstehung der jüngeren Furchungsballen aus den älteren,
obschon der Dotter der Nephelis keine Vermehrung der an seiner Oberfläche erschienenen Furchen
wahrnehmen lässt, die letztre vielmehr ziemlich rasch, ohne ein Erscheinen neuer, immer
schwächerer Furchen, geebnet wird.
§. 10.
Während die Substanz, aus welcher die 3 grössten Furchungsballen des Dotters be-
stehen, gewissermaassen heimlich und im Verborgenen die angegebene Umwandlung erfährt,
nimmt sie, wie überhaupt der ganze Dotter, einen noch grössern Umfang an, als es bereits
vorher geschehen war. Zugleich verlieren die 3 erwähnten Ballen das Aussehen stark hervor-
ragender Hügel, indem sie und ihre Nachkommenschaft mehr und mehr sich in die Breite aus-
dehnen. Ganz besonders gilt dies von denjenigen, welche einige Zeit hindurch die beiden seit-
lichen Abtheilungen des Hintertheils des Dotters darstellten, insofern sich nämlich an ihnen
zwei ziemlich dicke und einander gegenüber liegende Schichten bilden, die mit der ebenfalls
veränderten Substanz der frühem 8 oherflächlichen kleineren Furchungsballen um den bereits
entstandenen Nahrungsdotter gleichsam eine Kapsel zusammensetzen, die ungefähr die Form
einer halbovalen Urne hat. Weniger dehnt sich in derselben Zeit die Substanz des dritten grös-
sern Furchungsballen, der als der Vordertheil des Dotters betrachtet w’erden kann, in die Breite
aus. Derselbe gestaltet sich vielmehr zu einem niedrigen, breiten und dichten (nicht hohlen)
Hügel, der von der angeführten Kapsel auf ihrem weitern Ende, das sonst oflfen stehen würde,
getragen wird und für dieselbe gleichsam einen Deckel und Verschluss darstellt. Im Ganzen
aber verändert sich der Dotter in Hinsicht der Form dermaassen , dass er in dem einen Stadium
seiner Entwickelung als ein Oval erscheint, das an zwei einander gegenüberliegenden Seiten
ziemlich stark abgeflacht ist, und dessen Länge nicht viel mehr, als seine grösste Breite beträgt.
(Taf. II. Fig. 1 .)
In der nächstfolgenden Zeit wird der Hintertheil des Dotters, während dieser im Gan-
zen immer mehr an Grösse zunimmt, im Verhältniss zu seiner Breite etwas länger oder über-
haupt gestreckter , wie auch, insbesondere dadurch , dass sich seine beiden abgeflachten Seiten
mehr und mehr hervorwölben, etwas dicker. An dem Schluss der ersten Entvvickelungsperiode
(Taf. II. Fig. 2.) hat er die Form eines ziemlich länglichen und von zwei Seiten etwas abge-
platteten Ovals, dessen dickeres Ende abgeschnitten ist. Der Vordertheil des Dotters, der
auf dem abgestutzten dickem Ende des Hintertheiles aufsitzt, nimmt zwar an Höhe weit mehr,
als an Breite zu, doch lange nicht um so viel, dass die erstere der letztem gleichkäme, und
bleibt von zwei Seiten noch immerfort ziemlich stark abgeflacht. Er erscbeint am Schluss der
Erste Periode des Fruchtlehens ■
19
ersten Entwickelungsperiode, wenn er dem l^eobachter eine seiner abgeflachten Seiten zuge-
kelirt hat, als ein am Gipfel abgerundeter Hügel, der auf halber Höhe etwas breiter, als an
seinem Fusse ist.
Während der Vordertheil des Dotters seine frühere Form in die soeben angegebene ver-
ändert, entsteht in ihm eine tiefe und ihn ganz durchsetzende Grube, die an seinem Gij)fel mit
einer verhältnissmässig ziemlich grossen runden Oeffnung beginnt, nach hinten gegen den Nah-
rungsdotter gleich einem Trichter immer enger wird , an ihrem Ende wahrscheinlich bald nach
ihrer Entstehung eine zweite, aber nur sehr kleine auf den Nahrungsdotter führende Oeffnung
hat und im Ganzen eine Schlundhöhle andeutet. (Taf. II. Fig. 3 und 4.) Ist sie gebildet, dann
kann der Körper, der in dem frisch gelegten Eie als ein Dotter zu bezeichnen war, schon mit
dem Namen eines Embryos belegt werden. Ein ganzer noch so junger Embryo ist seinem Um-
fange nach ungefähr vier Mal grösser, als ein Dotter in dem frisch gelegten Ei. Von seinen beiden
ungleich grossen Abschnitten ist der vordere, in den sich der Vordertheil des Dotters umgewan-
delt hat, und der sich zu einem Kopfe entwickeln soll, ungefähr halb so lang, als der andere,
der sich zu einem Rumpf ausbilden soll. Ueberhaupt ist derselbe im Vergleich mit letzterm
bedeutend grösser, als bei den reifen Embryonen und den erwachsenen Exemplaren der Nejihelis.
§. 11.
Von den beiden verschiedenartigen Substanzen, in welche sich der früherhin gleich-
artige Dotter bereits geschieden hat, nimmt der Nahrungsdotter an Masse und Umfang weit
mehr zu, als der Bildungsdotter, und zwar in einem solchen Grade, dass er den letztem schon
am Ende der ersten Entwickelungsperiode nicht unbeträchtlich übertrifft. In Folge dieser über-
wiegenden Zunahme des Nahrungsdotters wird an dem Hintertheil des Embryo, in welchem der-
selbe vorkommt, die ihn wie eine Rinde umgebende Bildungssubstanz immer mehr und mehr aus-
gedehnt und verdünnt. Am geringsten ist das am hintern Ende des länglich gewordenen Dot-
ters oder, wenn man lieber will, des im Entstehen begriffenen Embryos, der Fall, da, wo sich
nachher der Saugnapf bilden soll. (Taf. II. Fig. 8.) Der Vordertheil des Dotters aber, der nur
aus dem Bildungsdotter besteht, wird durch die überwiegende Massenzunahme der Substanz,
welche dem Embryo als ein Nahrungsmittel dienen soll, nur insofern verändert, als er an rela-
tiver Grösse immer mehr zurücktritt.
Der Bildungsdotter oder die Embryonal- Substanz eines eben erst entstandenen Em-
bryos ist fast allenthalben farblos, w'asserhell und völlig durchsichtig, weil aus ihr fast allent-
halben die Dotterkörperchen verschwunden sind. Nur an dem hintern Ende erscheint sie noch
in einer mässig grossen Ausbreitung feingranulirt, weil in ihr daselbst noch viele von jenen
Körperchen verblieben sind. (Taf. II. Fig. 4.) Ueber ihre Zusammensetzung lässt sich wegen
der ihr eigenthümlichen Klarheit und Durchsichtigkeit nur dadurch eine genauere Auskunft
gewinnen , dass man auf den Embryo eine kürzere oder längere Zeit solche Mittel einwürken
lässt, welche diese Substanz entweder färben, oder sie zum Gerinnen bringen und mehr oder
3*
20
Nephelis vulgaris.
weniger trüben, wie namentlich eine wässrige, mit Zusatz von Salmiakspiritus angefertigte
Lösung von Karmin, eine wässrige Lösung von Chromsäure, eine lodtinctur, ein reiner schwa-
cher Weingeist, oder eine sehr verdünnte Salpetersäure. Hei den Untersuchungen, welche ich
nach einer Anwendung der angeführten ^Mittel oder reinen Wassers an noch sehr jungen Em-
bryonen anstellte, ergab sich, dass die Embryonalsubstanz durchweg aus dicht beisammenlie-
genden rundlich - eckigen Gebilden besteht, die einen Durchmesser von wenigstens nur 0,0005",
sehr selten bis 0,0006" oder etwas darüber, besitzen und als Zellen betrachtet werden können.
Der Kern, mit Avelchem dieselben versehen sind, ist im Verhältniss zu ihrem Umfange beträcht-
lich gross, besitzt eine dünne häutige Wandung und enthält, ausser einer völlig klaren Flüssig-
keit, einen verhältnissmässig ansehnlichen , etwas glänzenden Kernkörper, oder auch, obgleich
nur selten, zwei kleinere solche Körperchen. Im Uebrigen aber scheinen sie nur aus einer dick-
lichen gallertartigen Materie zu bestehen, die, mit Ausnahme derjenigen, Avelche an dem hintern
Ende des Embryos Vorkommen, und noch eine Menge Dotterkörperchen enthalten, überall in
frischem Zustande völlig gleichartig ist und durch reines Wasser in kurzer Zeit stark ange-
schAvellt wird. Eine besondere häutige Wandung habe ich an ihrer Oberfläche nicht erkennen
können, vielmehr schien mir eine solche zu fehlen und durch eine dichtere oberflächliche Schicht
gallertartiger Materie ersetzt zu sein.
Mit Ausnahme ZAveier Stellen haben diese Zellen der Embryonal -Substanz an dem
Schluss der ersten Entwickelungsperiode, allem Anschein nach, überall eine gleiche Beschaffen-
heit. Die eine dieser Stellen befindet sich am hintern Ende des Embryos, wo die Zellen, wie
schon angeführt noch viele Dotterkörperchen enthalten und bei durchfallendem Lichte grau er-
scheinen. Die andere kommt in dem Kopfe oder derjenigen Abtheilung des Embryos vor, in
welche sich der Vordertheil des Dotters umgewandelt hat. Sie besteht aus einer die neu ent-
standene Schlundhöhle zunächst umgebenden einfachen Lage von Zellen, die zwar keine Dotter-
körperchen mehr enthalten, doch weniger durchsichtig, als die nach aussen von ihnen gelege-
nen sind, eine sehr schwache weingelbe Färbung haben und schon ohne Amvendung färbender
oder erhärtender Mittel gesehen Averden können. Diese letzteren Zellen, die übrigens mit den
nach aussen Amn ihnen befindlichen innig Zusammenhängen, sind zusainmengenommen als An-
lage des Schlundes zu betrachten.
Wie die Embryonal - Substanz anderer Avirbelloser Thiere, spaltet sich auch die der Ne-
phelis in ihrer ganzen Ausbreitung in zwei Schichten, von denen sich die äussere zu einer Lei-
beswand, die innere zu einem Darmkanal entwickelt. Doch erfolgt diese Spaltung bei der Ne-
phelis erst im Verlauf der zweiten Entwickelungsperiode, denn bei Embryonen, bei welchen erst
unlängst eine Schlundhöhle entstanden ist, setzt die Embryonalsubstanz noch eine einzige
Schicht zusammen. Am Kopfe hat dieselbe eine ziemlich beträchtliche Dicke, besonders nach
hinten zu, die grösste also beinahe dicht vor dem Rumpfe. Dagegen aber ist sie an dem Rumpfe
A'on dem vordem bis zu dem grau erscheinenden hintern Theile desselben so dünn und zart, dass
sie bei dem Herausnehmen der Embryonen aus dem Eiweiss, auch wenn man dabei mit der
grössten Vorsicht verfährt, meistens verletzt Avird.
Erste Periode des Frxichtlehenz .
21
An der ganzen Oberfläche des Kopfes ist die hier beschriebene Substanz des Embryos,
gleich nachdem in ihm sich eine Schlundhöhle gebildet hat , mit sehr nahe bei einander stehen-
den und verhältnissmässig ziemlich langen Flimmerhaaren besetzt, die bei einer 380 maligen
Yergrösserung ganz deutlich gesehen werden können, und von denen auf je einer oberflächli-
chen Zelle des Kopfes immer einige beisammen Vorkommen. Hat man einen solchen jungen
Embryo in Wasser gelegt, dem Farbestofie in moleculärer Suspension beigemischt sind, wie na-
mentlich Karmin oder Indigo, so be'merkt man schon bei einer schwächern, als bei der eben er-
wähnten Yergrösserung, dass kleine Theilchen dieser Stoffe von dem Kopf des Embryos in leb-
hafte Bewegungen gesetzt werden, derart, dass sie zunächst der Oberfläche desselben in der
Regel von hinten nach der Mundöffnung Zuströmen, und dann meist nach verschiedenen Rich-
tungen hin aus einander weichen. Nur sehr selten dringt ein Farbetheilchen in die trichterför-
mige Schlundhöhle. Ist es aber in sie hineingelangt, so bleibt es gewöhnlich, wie ich dies bei
etwas älteren Embryonen mehrmals gesehen habe, unter fortwährenden Umwälzungen eine län-
gere Zeit darin zurück. Aus diesem Umstande lässt sich darauf schliessen , dass sich auch auf
der Innenwand der Schlundhöhle Flimmerhaare befinden.
An dem Rumpfe der Embryonen kommt es niemals zur Bildung von Fliramerhaaren ;
derselbe bleibt vielmehr immer nackt und glatt.
§. 12.
Der Nahrungsdotter der Nephelis erscheint am Schlüsse der ersten Entwickelungsperiode
dieses Wurms schwach ockergelb, statt dass er anfangs völlig farblos war. Zusammengesetzt
ist er nunmehr, wie in den jungen Embryonen vieler oder vielleicht der meisten Schnecken, aus
einer ziemlich grossen Menge scharf begrenzter Theile , die dicht beisammenliegen , gegen ein-
ander stark abgeplattet sind und auf den ersten Anblick dünnhäutige mit einer tropfbaren Flüs-
sigkeit erfüllte Blasen zu sein scheinen. Bei einer nähern Untersuchung aber ergeben sich diese
an Form und Grösse sehr verschiedenen Theile, deren Durchmesser bis 0,0008' betragen, als
kleine Quantitäten oder Tropfen einer völlig klaren und beinahe wasserdünnen Flüssigkeit.
Durch Chromsäure oder Salpetersäure werden sie zum Gerinnen gebracht, ohne jedoch ihre
durchweg gleichartige Beschaffenheit zu verlieren. Sie erlangen dabei eine ähnliche Festigkeit,
wie das Eiweiss der Hühnereier beim Sieden, während sie durch Berührung mit kaltem Wasser
in kurzer Zeit vollständig aufgelöst werden. Lässt man sie unter Wasser aus einem verletzten
Embryo austreten, so vereinigen sich meistens einige mit einander, ehe sie zergehen und vei'-
schwinden. Ist der Embryo in eine ammoniakalische Lösung von Karmin gelegt worden,
so nehmen sie diesen Farbestoff in solchem Maasse in sich auf, dass nach einigen Stunden der
ganze Nahrungsdotter purpurroth erscheint. Auch bei Einwirkung einer wässrigen Lösung von
Chromsäure oder einer lodtinctur nehmen sie sehr bald die Farbe dieser iSlittel an. — Zwischen
ihnen ist zwar nichts zu sehen, was sie von einander trennt, und wodurch sie am Zusammen-
fliessen verhindert werden , doch dürfte trotzdem wohl mit ziemlicher Gewissheit anzunehmen
22
Nephelis vulgaris.
sein , dass sie durch eine geringe Älenge einer in chemischer Hinsicht anders beschaffenen Flüs-
sigkeit von einander getrennt werden. Für eine solche Annahme spricht insbesondere auch der
Umstaud, dass sie bei den Embrjmnen, die einige Zeit in einer wässrigen Lösung von Chrom-
säure gelegen haben , mehr oder weniger fest zusammengekittet erscheinen , ohne dass sie zu-
sammengeHosseu wären und ihre Form verloren hätten.
Ihre Zahl nimmt bis weit in die dritte Periode des Fruchtlebens hinein immer mehr
und sehr bedeutend zu, indem sie durch eine mehrmals wiederholte einfache Theilung sich ver-
vielfältigen. Bei ihrer Vermehrung Averden sie jedoch nicht etwa, je später, desto kleiner, son-
dern im Allgemeinen bis beinahe an das Ende der zweiten Periode gegentheils grösser, was da-
durch möglich und erklärlich wird, dass der ganze Nahrungsdolter bis dahin auf Kosten des in
dem Eie enthaltenen Eiweisses an Umfang und Masse zunimmt.
§. 13.
Während sich der Dotter vergrössert, nimmt auch die ihn einhüllende Dotterhaut an
Umfangzu, Avobei zunächst um sie herum das halbfeste Eiweiss verflüssigt Avird, und die aus
ihm entstandene Flüssigkeit durch diese Haut nach innen hindurch dringt. Ihre ErAveiterung
geht anfangs sogar in einem höheren Grade vor sich, als die Vergrösserung des Dotters, so dass
der von einer ganz klaren und Avasserdünnen Flüssigkeit erfüllte ZAvischenraum zwischen
beiden immer Aveiter Avird. Später nimmt hingegen der Dotter mehr, als die Dotterhaut an Um-
fang zu, doch niemals in einem solchen Grade, dass er sie je Avieder ganz ausfüllte. Kurze Zeit
vor der Bildung der Mundöffnung geht die Dotterhaut spurlos zu Grunde, und dann liegt der
Embryo in einer mässig grossen Quantität einer tropfbaren Flüssigkeit, die, im Umkreis der Dot-
terhaut, aus dem halbfesteii EiAveiss durch eine partielle Auflösung desselben entstanden Avar.
In der eiAvähnten Flüssigkeit dreht sich der Embryo mittelst der schAvingenden Flim-
merhaare, die sich an der äussern Fläche seines verhältnissmässig sehr grossen Kopfes befinden,
um seinen Mittelpunkt fortwährend, jedoch nur langsam*) und nur in einer und derselben Ebene
herum, Avobei er seine eine schAvach abgeplattete Seite nach oben, die andere nach unten ge-
richtet hat. Rascher macht er eine solche rotirende BeAvegung, Avenn er aus dem Ei herausge-
nommen und in Wasser gelegt Avorden ist, doch nur kurze Zeit, Aveil die Substanz so junger
Embryonen durch die EiuAvirkung von Wasser sehr bald zersetzt Avird. Es bieten demnach die
jungen Embryonen der Nephelis eine ähnliche und durch gleiche Älittel beAA’irkte Erscheinung
dar, wie die sehr jungen Embryonen vieler Schnecken und noch mancher andern wirbellosen
Thiere. Einige Mal sah ich übrigens schon solche Embryonen der Nephelis , bei denen noch
keine Mundhöhle deutlich erkennbar Avar, eine rotirende, obgleich nur sehr langsame BeAvegung
machen, was darauf schliessen Hess, dass auch schon bei ihnen Flimmerhaare entstanden
waren.
1) Der auf Tafel II. Fig. 4 abgebildete Embryo brauchte für je eine Drehung etwa 1 */* Minute.
Erste Periode des Fruchtlebens .
23
Sobald die Mundöifiiung entstanden ist, machen die jungen Embryonen, obwohl in
ihnen noch keinerlei Andeutung von Muskelfasern bemerkbar ist, auch schon Schluckbewegun-
gen, durch die sie kleine Quantitäten des flüssig gewordenen Eiweisses, in dem sie liegen, in
sich aufiiehmen. Diese Bewegungen folgen bald nach längeren, bald nach kürzeren Pausen auf
einander, meistens jedoch nach ziemlich kurzen. So zählte ich bei dem Embryo, nach welchem
auf der zweiten Tafel die Figur 4 gezeichnet ist, und bei dem die Schluckbewegungen, die er
innerhalb des Eies machte, ziemlich rasch auf einander folgten, in einer Minute 6 bis 7 solcher
Bewegungen. Eine jede von ihnen aber geht mir ziemlich langsam vor sich, und zvvar in der
Weise, dass auf eine starke Erweiterung der Schlundhöhle alsbald eine Verengerung folgt, die
von dem INIunde aus ganz allmählich nach hinten fortschreitet, diese Höhle also, wenn sie in
ihrem hintersten Theile eine starke Erweiterung zeigt, in ihrem vordem und mittlern Theile
wieder verengt und geschlossen ist, auch etwas später wieder in ganzer Länge verengt und un-
wegsam erscheint. (Taf. II. Fig. 5 — 7.) Dass durch diese Bewegungen das flüssige Eiweiss
des Eies verschluckt wird, lässt sich schon aus der Art und Weise, in der dieselben vor sich
gehen, folgern. Als einen noch vollständigem Beweis dafür kann ich aber die Thatsache anfüh-
ren, dass ich zwei Alal in Eiern, deren Hülle sehr klar und durchsichtig war, ganz deutlich be-
merkt habe, wie ein noch unaufgelöstes Eiweisskörperchen, das sich dem Vordertheile eines
Embryos angenähert hatte, plötzlich (fortgetrieben durch die Flimmerhaare desselben) irr einem
Bogen nach dem weitgeöflheten Munde hinschoss, darauf langsam durch die Schlundhöhle hiir-
durchging und endlich hinter ihr im Nahrungsdotter verschwand. (Taf. II. Fig. 7.)
Noch andere Bewegungen, welche solche junge Embryonen, bei denen erst unlängst
die Schlundhöhle entstanden ist , in ihrem Elemente bisrveilen ausführeir , bestehen in langsa-
men Verlängerungerr und Verkürzungen des Kopfes. Häufiger werden diese Bewegungen, wenn
man die Embryoiren aus dem Ei herausgenommen und in Wasser gelegt hat. Während der Ver-
kürzung des Kopfes wird dann zuweilen der Mund erweitert, während der Verlängerung dage-
gen w’ieder verengert, es wird also eine Schluckbewegung gemacht, aber, wie gesagt, nur bis-
weilen, indem meistens dabei die Schlundhöhle ihrer ganzen Länge nach verengert bleibt. —
Einen Wechsel von Verkürzung und Verlängerung des Rumpfes habe ich bei so jungen Embryo-
nen, wie wir sie bisher betrachtet, nicht bemerken können. Auch habe ich niemals bei der-
gleichen oder etwas ältern Embryonen, die noch eine mehr oder weniger ovale Form hatten,
eine solche an der einen Seite aufsteigende, an der andern aber absteigende, oder überhaupt
rings um den Körper fortlaufende Wellenbewegung wahrnehmen können, wie sie Ernst Heinr.
Weber an sehr jungen Embryonen von Hirudo medicinalis gesehen hat. ’)
1) Meckel’s Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrgang 1828. Seite 316 — -118.
24
Nephelis milgaris.
Zweite Periode des Friiclitlebens.
§• 14.
Obgleich die Embryonen wälirend dieser zweiten Periode an Grösse , besonders Länge
bedeutend zunehmen und auch sonst in ihrer Gesammtentwicklung viele Fortschritte machen,
sind sie doch gegen Ende derselben ihren Eltern noch immer sehr unähnlich. Ihre Länge be-
trägt um diese Zeit gewöhnlich zwischen wechselnd nicht blos in den einzelnen
Eiern, sondern auch den einzelnen Embryonen derselben Eier.
Der Kopf, der die Form eines an dem Gipfel abgerundeten und von zwei Seiten etwas
abgeplatteten Hügels erhalten hatte, wird in dieser Periode zwar grösser und besonders länger,
doch bei weitem nicht in einem solchen Grade, wüe der Rumpf; er erscheint daher im Verhält-
niss zu demselben , je später, desto kürzer. Hei den Fortschritten , die er in seiner Entwicke-
lung macht, wird er an seinem freien Ende, an dem sich die Mundölfnung befindet, durch eine
Zunahme an Masse breiter und dicker, wie überhaupt in Hinsicht der Form so verändert, dass
er nach einiger Zeit einen der Quere nach stark abgestutzten Kegel darstellt, noch später aber
eine Aehnlichkeit mit einem Cylinder erlangt. Auch wächst die den Keim umgebende Substanz
allmählich, namentlich in der letzten Hälfte dieser Periode, an ihrer einen Seite, welche den
vordersten Theil der Rückenseite des Körpers darstellen soll, etwas stärker, als an der gegen-
überliegenden, nach vorn hervor, so dass der Embryo bei dem Eintritte in die dritte Entwicke-
lungsperiode an dem vordem Ende etwas schräg von der obern Seite und vorn nach der untern
Seite und hinten abgestutzt erscheint.
Der Rumpf nimmt in der zweiten Periode sehr bedeutend an L'mfang zu. Nach dem
Heginn derselben weitet er sich zuvörderst nach allen Seiten so aus, dass er die E’orm einer
Kugel erhält, auf welche der Kopf als ein nur mässig grosser Aufsatz nach vorn hervorsieht.
(Taf. II. Fig. 8.) Späterhin aber nimmt er viel mehr an Länge, als an Dicke zu, wird wiederum
oval, und ist, wenn dies geschehen, an seinem hintern Ende wieder dünner, als an dem vor-
dem. (Taf. II. Fig. 9.) Doch erscheint er, nachdem er die Kugelform aufgegeben hat, in der
nächstfolgenden Zeit nicht stets, sondern nur gewöhnlich oval geformt, denn nicht selten ver-
ändert er sein Aussehen innerhalb des Eies im Verlauf von mehreren Minuten dermaassen , dass
sein Rumpf bald die Form einer Mohrrübe annimmt und an dem hintern Ende zugespitzt wird,
bald auch wurstförmig und dann entweder an beiden Enden gleich dick, oder hinten dicker, als
vorn würd. (Taf. II. Fig. 10 u. 11, welche Figuren nach einem und demselben in dem Eie lie-
genden Embryo gezeichnet sind.) Noch später wird der Rumpf, indem er vorzüglich in die
Länge zu wachsen forthihrt, allmählich immer gestreckter und schlanker. (Taf. II. Fig. 14, 15.
und Taf. III. Fig. l u. 2.) Am Ende der zweiten Periode beträgt seine Länge im Ruhezustände,
wenn der Leib nicht etwa stark verkürzt oder gegen theils stark ausgestreckt ist, beinahe vier
Mal so viel, als seine grösste Breite. Am dicksten ist er zu dieser Zeit vor seiner Mitte, doch
bei einem und demselben Embryo bald in einer grössern, bald in einer geringem Entfernung von
Zxceite Periode des Fruchtlehens .
25
derselben. Von da verjüngt er sieb nach vorn und hinten mehr oder weniger stark. Auf Quer-
durchschnitten erscheint er, mit Ausschluss des hintern Endes, an dem sich schon ein Saugnapf
gebildet hat, (Taf. III. Fig. 1 u. 2.) sowie des Kopfes, allenthalben ziemlich kreisrund. Die
halsibrmige Ringfurche hinter dem Kopfe, durch w’elche sich dieser bisher scharf gegen den
bauchig erweiterten Rumpf absetzte, geht im Laufe dieser Entwickluugsperiode so vollständig
verloren, dass äusserlich zwischen beiden entw'eder gar keine Gi'enze, oder als solche nur noch
eine sehr schwache und seichte Ringfurche vorkommt.
§. 15.
Während der Rumpf der Embryonen die Form einer Kugel annimmt, die er eine
ziemlich lange Zeit hindurch behält, beginnt die Zellen- oder Embryonal- Substanz derselben
sich in zwei Schichten zu scheiden , von denen sich die äussere zur Leibeswand, die innere zum
Darmkanal entwickeln soll. Diese Scheidung macht sich zuerst im Kopfe bemerkbar, und zwar
dadurch, dass die schwach weingelben Zellen, welche die Schlundhöhle in einer einfachen Lage
umgeben und für die Entwickelung des Schlundes selbst bestimmt sind, die Beschaffenheit,
welche sie erlangt haben , noch eine längere Zeit unverändert behalten , während die übrigen
Zellen des Kopfes, obgleich sie mit jenen erstem allenthalben in einem innigen Zusammen-
hänge bleiben, der Mehrzahl nach sehr bald eine andere Beschaffenheit annehmen. Erst später,
w'enn der Rumpf seine kugelrunde Form aufzugeben und länglich oval zu werden angefangen
hat, wird auch in dieser Abtheilung des Körpers eine Scheidung der Embryonal- Substanz er-
kennbar, nur dass diese hier gleich anfangs als eine förmliche Spaltung der Substanz in zwei
auseinandergehende Schichten auftritt.
§. 16.
Um die histologische und morphologische Entwickelung der Embryonal- Substanz an
den verschiedenen Stellen des Körpers specieller zu schildern , bemerken wir zunächst in Betreff
des Kopfes, dass die meisten der nach aussen von der Schlundröhre gelegenen Zellen alsbald
bedeutend wachsen und sich dabei namentlich in radiärer Richtung (von der Achse des Kopfes
nach der Oberfläche hin) ausw’eiten. Sie bilden, für sich allein betrachtet, einen breiten und
dicken Ring, dessen Elemente je nach der Dicke des Kopfes an den verschiedenen Stellen in
einer oder zwei oder drei Lagen über einander gruppirt sind. Wo sie mehrfach geschichtet sind,
greifen die Zellen der einzelnen Lagen theilweise in einander. Sie besitzen eine zwar deutlich
häutige, doch im Verhältniss zu ihrem Umfange nur sehr dünne Wandung, enthalten ausser
einem wandständigen Kern, der im Vergleich mit ihrem Umfange nur sehr klein ist, eine farb-
lose und durchweg ganz klare Flüs.sigkeit, und haben in ihrem Aussehen eine grosse Aehnlich-
keit mit denjenigen Zellen, aus welchen der Kern der Rückensaite bei den Stören und Neun-
augen besteht. Mit ihren Wandungen liegen sie so dicht bei einander, dass sie unter dem
Hathke, Entwicklung der Hirudineen. 4
26
Nephclis vulgm'is.
Mikroskop, bei tiefem Einstellungen, wobei nur einzelne Zellensegmente in Sicht kommen, den
Schein gewähren, als befände sich in dem Kopfe eine Menge einfacher und verästelter, dünner
Kernfasern, die eine dünne gallertartige Masse durchsetzten und zwischen einer flimmernden
Cuticula und der kleinzelligen Schlundröhre ausgespannt wären. Wenn man aber einen aus
dem Ei herausgenommenen lebenden Embryo, in dessen Kopfe solche Zellen Vorkommen, einige
Stunden in reinem Wasser, oder eine kürzere Zeit in einem stark verdünnten Liquor ammonii
eaustici liegen lässt, vergeht der Schein, sowohl der Fasern, wie der Cuticula, indem die dicht
zusammengedrängten Zellen, welche ihn hervorbrachten, stark aufquellen, sich von einander
trennen und allmählich auseinanderweichen.
Bei den abwechselnden Verkürzungen und Verlängerungen, die der Kopf noch junger
Embryonen besonders bei den Schluckbewegungen bemerken lässt , zeigen die beschriebenen
grösseren Zellen desselben sehr beträchtliche Formveränderungen , der Art, dass sie bald länger
und dünner, bald kürzer und dicker werden. Andere Theile aber, durch welche die erwähnten
Bewegungen des Kopfes im Ganzen hervorgebracht werden könnten, als diese Zellen, sind bei
so jungen Embryonen nicht vorhanden. Es ist daher anzunehmen, dass die Verkürzungen und
Verlängerungen durch den ziemlich rasch vor sich gehenden Wechsel in der Form der beschrie-
benen Zellen, dieser Formwechsel aber durch partielle Contractionen ihrer Wandungen be-
wirkt werde.
Wenn die soeben beschriebenen Zellen ihre Ausbildung erlangt haben, setzen sie den
grossem Theil der Masse des Kopfes zusammen. Im Uebrigen aber besteht derselbe aus sehr
viel kleineren Zellen, die in ihi-eii Durchmessern höchstens 0,0006" halten und 4 verschiedene
Gruppen bilden. Einige von ihnen liegen nämlich oberflächlich und dicht bei einander an dem
vordem Ende des Kopfes in 3 — 4 Kreisen um den Mund zusammengruppirt. Sie erscheinen
in der Richtung von aussen nach innen stark abgeplattet und sind an ihrer äussern Seite, wie
die oberflächlichen grossem Zellen, mit Flimmerhaaren versehen. Andere kommen oberflächlich
ganz am hintern Ende des Kopfes vor. Sie sind, wie die vordem, abgeplattet und mit Flimmer-
haaren versehen , auch nicht selten zu einem oder zwei Kreisen vereinigt. Noch andere befin-
den sich in der Tiefe des Kopfes, wo sie die schon mehrmals angeführte nächste Umgebung der
Schlundhöhle bilden und ein mässig dickwandiges und aus einer einfachen Lage von Zellen be-
stehendes contractiles Rohr zusammensetzen. Auf der obern Seite dieses Rohres, zwischen ihm
und dem aus stark vergrösserten Zellen des Kopfes bestehenden Ringe eng eingeschlossen, liegt
endlich noch eine besondere Gruppe von dicht gedrängten, rundlich -eckigen Zellen, die erst
nach dem Beginn der zweiten Periode entstanden sind, und einen kurzen, im Verhältniss zur
Länge aber ziemlich bi-eiten Halbgürtel darstellen , in dem man bei einer Seitenansicht des
Kopfes eine Zusammensetzung aus zwei Lagen erkennen kann. Es ist die erste Andeutung des
Hirnes, die dem Beobachter in diesem Halbgürtel vorliegt.
Später, wenn der bis dahin hügelförinige Kopf die Form einer kurzen Walze annimmt,
verschwinden die grossen contractilen Zellen. Die frühere Durchsichtigkeit geht fast ganz ver-
loren. Auf der Oberfläche erkennt man jetzt eine Schicht von kleinen, nur bis 0,0004" messen-
Ziceite Periode des Fruchtlehens.
27
den, abgeplatteten und mit Flimmeiliaaieii besetzten Zellen, die sich ohne Unterbrechung von
dem INIunde bis zu dem Rumpfe erstreckt. Unterhalb derselben liegt eine verhältnissmässig
ziemlich dicke Schicht von ^Muskelfasern, von denen die meisten quer verlaufen, und noch weiter
nach innen eine dünnere Schicht von Muskelfasern, die den Schlund zusammensetzen hilft.
Wie und w'oher jene oberflächliche Schicht von Zellen, die als die Anlage einer Hautbedeckung
des Kopfes zu betrachten ist, und diese beiden Muskelschichten entstehen, habe ich theils
wegen der abnehmenden Durchsichtigkeit des Kopfes, theils auch 'wegen der Kleinheit dessel-
ben, die es nicht gestattete, ihn nach Wunsch zu zerlegen, nicht ermitteln können. Ich ver-
muthe jedoch, dass sich die beschriebenen grossen Zellen des Kopfes unter gleichzeitiger starker
Vermehrung allmählich wieder verkleinern und dabei in zwei l.agen zerfallen, von denen die
äussere sich in Verbindung mit den schon früher vorhandenen oberflächlichen Zellen zu einem
Epithelium entwickelt, während die innere sich in eine ziemlich dicke Schicht von Muskel-
fasern verwandelt. Ebenso dürften auch die weingelben Zellen der Schlundröhre oder vielmehr
deren Abkömmlinge theils zur Darstellung einer Zellenauskleidung des Schlundes, theils zur
Entwickelung einer Muskelschicht verwendet werden. Dass aus der anfangs einfachen Lage
von Zellen, welche die Schlundhöhle umgiebt, nicht etwa nur allein das Epithel des Schlundes
entsteht, sondern auch die Muskelschicht desselben sich entwickeln muss, lässt sich aus dem
Umstande folgern, dass die letztere durch die Zellengruppe, aus der sich das Gehirn entwickeln
soll, wenngleich nicht gänzlich, so doch zum Theil, nämlich an ihrer obern Seite, von der
übrigen Substanz des Kopfes getrennt ist.
§. 17.
An dem Rumpf der Embryonen stellt die Embryonalsubstanz bei dem Beginn der zwei-
ten Periode einen mit dem Nahrungsdotter angefüllten Schlauch dar, dessen Wandung aus
einer einfachen Zellenlage besteht und sowohl im Verhältniss zu seinem Inhalt, als auch an
und für sich selbst im Allgemeinen nur eine geringe Dicke hat. In dem ersten Drittel der
zweiten Periode wird die Wandung dieses Schlauches, während er an Umfang sehr bedeutend
zunimmt, und sich auch sein Inhalt durch hinzugekommenes, von dem Embryo verschlucktes
Eiweiss immer mehr vergrössert, nur an drei mässig grossen Stellen etwas dicker, im
üebrigen aber noch etwas dünner. Bei Embryonen, deren Rumpf die Form einer Kugel ange-
nommen hat, sowie auch bei etwas älteren, bei denen er schon wieder oval geworden ist, wird
sie daher während des Herausnehmens aus dem Ei und dem Eiweiss (auch wenn solches unter
Wasser und mit der grössten Vorsicht geschieht) fast immer zerrissen. Ebenso wird der un-
verletzte Embryo alsbald durch Imbibition gesprengt, wenn man ihn mit Wasser in Berüh-
rung bringt, es müsste denn sein, dass derselbe durch ein chemisches Mittel, -wie namentlich
durch Chromsäure oder Salpetersäure, das eine oder einige Stunden auf das ganze Ei eingewirkt
hat, vorher erhärtet war. Während nun aber der Schlauch, der von der Embryonalsuhstanz
des Rumpfes gebildet ist, sich immer mehr ausweitet, dehnen sich die meisten seiner Zellen,
4*
28
Nephelin oulgaris.
deren Durchmesser anfänglich selten mehr, als 0,0005" betrug, bedeutend in die Breite aus.
Sie platten sich zu dünnen Scheiben ab, deren Durchmesser mitunter bis 0,0012" wächst, geben
sogar ihre Zellennatur auf und verschmelzen mit einander zu einem dünnen und durchsichtigen
Häutchen, das den noch immer kugligen Rumpf umgiebt und nur noch zerstreute, mehr oder
weniger weit auseinander gelegene Zellenkerne, selbst hier und da nur schwache Ueberreste von
solchen erkennen lässt. Allerdings finden sich in oder dicht unter diesem Häutchen auch noch
einzelne vollständige Zellen (bis zu 0,0007"'), aber immer nur in geringer Zahl und in ziemlich
weiter Entfernung von einander. Nur selten sieht man sie einmal zu zweien beisammen. Sie
sind nie rund, sondern beständig stark abgeplattet.
Ein anderes Verhalten zeigen in dem ersten Drittel der zweiten Periode manche von
denjenigen Zellen der Embryonalsubstanz, welche sich an der Bauchseite des Rumpfes befinden,
indem sie sich weder stark abplatten und in die Breite ausdehnen, noch auch mit einander ver-
schmelzen und schliesslich ganz vergehen, statt dessen vielmehr durch eine Theilung sich ver-
mehren, im Verhältniss zu ihrem Umfange eine ziemlich grosse Dicke behalten und auch immer
scharf begrenzt bleiben. Dieselben setzen zwei sehr schmale und einander gleiche streifen-
förmige Gruppen zusammen, die auf die beiden Seiteuhälften des Körpers vertheilt sind, sich
von dem Kopfe bis an das hintere Ende des Rumpfes erstrecken, und bis in die Nähe ihres ab-
gerundeten hintern Endes allenthalben eine gleiche Breite, an diesem Ende aber eine etwas
grössere Breite haben. Man kann diese beiden Zellengruppen schon bald nach dem Beginn der
zweiten Periode erkennen, deutlich aber ihrem ganzen Verlaufe nach erst in einer etwas spätem
Entwickelungszeit, dies jedoch wegen der grossen Verletzbarkeit solcher Embryonen, welche
noch nicht über das erste Drittel der zweiten Periode hinausgelangt sind, nur in dem Falle,
wenn der Embryo durch Salpetersäure oder Chromsäure erhärtet worden ist. Ihr Verlauf ist
anfangs, wenn der Rumpf eben erst die Form einer Kugel angenommen hat, derart, dass sie
von vorn, wo sie mässig weit von einander abstehen, nach hinten zu bedeutend und beinahe
um die ganze Breite der Bauchseite auseinander weichen , darauf hinter der Mitte des Rumpfes,
nachdem sie bis hieher ein Paar recht stark gekrümmte und einander abgekehrte Bogen gebildet
haben, einander wieder ziemlich nahe kommen , und zuletzt vor ihrem Ende nochmals, doch
nur wenig und unter der Form von nur schwach gekrümmten und einander zugekehrten Bogen
auseinander gehen. (Taf. V. Fig. 1 bis 3.) Anbelangend ihre Zusammensetzung, so besteht eine
jede aus einer einfachen Schicht dicht zusammengedrängter Zellen, die in ihrer Gesammtheit
eine solche Lagerung neben und hinter einander haben, dass sie anfänglich drei oder sogar — wie
es mir einige Male geschienen hat, — nur zwei ziemlich regelmässig geordnete Längsreihen bil-
den, deren Zahl sich nach einiger Zeit aber in Folge ihrer Vermehrung auf vier erhöhet. Wenn
sich die Zellender beiden Streifen in diese vier Reihen zusamrnengruppirt haben, dann erscheinen
dieselben scharf umschrieben und mit deutlicher zarthäutiger Wandung. Sie enthalten einen
im Verhältniss zu ihrem Umfange ansehnlich grossen Kern, der einen etwas glänzenden Kern-
körper, oder bisweilen deren zwei, in sich einschliesst, und einen klaren gallertartigen Inhalt.
Im Verhältniss zu ihrem Umfange beträchtlich dick, sind sie gegen einander so abgeplattet, dass
Zweite Periode des Fruchtlehens
29
einige eine rundlich - eckige, andere eine oval - eckige Form haben; alle zusammen genommen
aber geben ein ähnliches Bild, wie ein Pliasterepithel. Ihre Grösse ist im Allgemeinen nur
gering: denn die meisten von ihnen messen nur 0,0004 bis 0,0005". In dem breitem Ende
eines jeden Streifens aber sind sie grösser , zumal die hintersten von ihnen, deren Querdurch-
messer 0,0008 bis 0,0010 ' betragen. (Taf. V. Fig. 7.)
Sobald die beiden angegebenen streifen- oder bandförmigen Zellen -Gruppen die be-
schriebene Form und Zusammensetzung angenommen haben, lässt sich unter günstigen Um-
ständen bisweilen wahrnehmen , dass sie vorn verschmälert in zwei noch dünnere, im Innern
des Kopfes befindliche und aus kleinen Zellen bestehende Stränge übergehen , die den Schlund
von beiden Seiten bogenförmig umfassen und über ihm sich an das Hirn anschliessen. Hinten
aber grenzen sie (Taf. Y. Fig. 1, 3, e.) an eine Gruppe von 3 in einer Reihe neben einander
liegenden sehr grossen Zellen an, die gewissermaassen einen Anhang derselben bilden, und aus
der grauen, noch viele Dotterkörperchen enthaltenden Masse entstanden sind, die sich bei dem
Schluss der ersten Entwickelungs - Periode au dem hintern Ende des Embryos befindet. Diese
3 Zellen erscheinen, wie jene IMasse, während ihres ganzen Bestandes bei durchfallendem Lichte
grau, bei auffallendem aber schwach Aveiss ; doch je später , umsoweniger, indem sie allmäh-
lich farbloser und durchsichtiger werden. Audi erscheinen sie, namentlich bei einer Ansicht
auf ihre äussere Fläche, immer unter einer ovalen, doch insofern verschiedenen Form, als sie
anfangs kurz -oval, späterhin aber sehr langgestreckt- oval sind. !Mit ihren breitem Enden sind
sie nach oben, mit ihren schmäleren Enden nach unten und vom gekehrt, zu den beiden strei-
fenförmigen Zellengruppen aber, gegen welche hin ihre Achsen convergiren , haben sie (Taf. V.
Fig. 8.) eine solche Lage, dass die beiden äussern mit ihren schmäleren Enden nach vorn an die
hinteren Enden jener Gruppen angrenzen, während die mittlere, deren Achse in der iMittel-
ebene des Körpers liegt, mit ihrem schmälern Ende dem Zwischenräume zwischen den hinteren
Enden jener Zellengruppen zugewendet ist. Bei Embryonen, ivelche der Einwirkung von
Salpetersäure oder Chromsäure ausgesetzt gewesen waren, sind sie an ihrer äussern Fläche stark
abgeplattet und überhaupt blattartig dünn: während sie dagegen bei solchen Embryonen, welche
noch leben und keine Verletzung erlitten haben, an ihrer äussern Fläche, zumal an deren brei-
terer Hälfte, so stark convex erscheinen, dass sie über die übrige Oberfläche des Körpers stark
hervorragen, wie sich besonders deutlich an den noch in dem Eie eingeschlossenen Embryonen
wahrnehmen lässt, w’enn die Hülle des Eies ungewöhnlich dünn und durchsichtig ist. Die
NVandung dieser Zellen ist sehr dünnhäutig und ihr anfangs runder, späterhin elliptischer Kern,
der ebenfalls nur eine dünne Wandung hat , verhältnissmässig gross, mit einem nur kleinen
Kernkörper versehen, und mit einer ganz klaren, farblosen Flüssigkeit erfüllt. Was aber ihre
Grösse anbelangt, so ist sie, wie die Form dieser Zellen, zu verschiedenen Zeiten der Entw'icke-
lung verschieden. Unter den (in Salpetersäure erhärteten) Embryonen, bei welchen ich sie
maass, betrug ihre Länge bei einem noch sehr jungen, dessen kugelrunder Rumpf erst 0,0066 '
lauge Durchmesser hatte, 0,0014, ihre grösste Breite 0,0012" und je ein Durchmesser ihres
kugelrunden Kernes 0,0004", bei viel älteren Embryonen aber, deren Rumpf jedoch noch eben-
Nephelis vulgaris.
:5ü
falls die Form einer Kugel hatte, ihre Länge 0,0040 bis 0,0048", ihre grösste Breite 0,0025
bis 0,0035" und die Achse ihres schon elliptisch gewordenen Kernes 0,0015 bis 0,0018 '.
Die beiden streifen - oder bandförmigen Zellengruppen, die sich an der Fauchseite des
Rumpfes von dem vordem bis zum hintern Ende erstrecken , sind die Grundlagen sowohl für
das Bauchmark, wie auch für die Muskeln und die Hautbedeckung der Bauchwandung, auch
ausserdem muthmaasslich für einen Theil des Darmkanals. In dem Nachstehenden werde ich
diese anfangs nur dünnen und einfach geformten Körpertheile, die ihrer Lage und morphologi-
schen Bedeutung nach, den sogenannten Primitivstreifen oder Keimwülsten junger Embryonen
von Arthropoden entsprechen, unter dem Namen der Bauchplatten aufführen. Die hinter
ihnen an dem Ende des Rumpfes gelegene Gruppe colossaler Zellen ist die Grundlage für den
Saugnapf der Nephelis.
§. 18.
Die erste bemerkenswerthe Veränderung, die an den Bauchplatten vor sich geht, nach-
dem sie die beschriebene Form erhalten haben, besteht darin, dass zwischen ihren hinteren En-
den einige kleine rundlich- eckige und dicht beisammenliegende Zellen auftreten, die gleichsam
eine sie verbindende kurze und schmale Brücke bilden. Demnächst nehmen sie beträchtlich,
wie der ganze Rumpf, an Länge zu, strecken sich dabei gerade und rücken zugleich immer
näher an einander, (Taf. V. Fig. 9.) indess der zwischen ihnen befindliche viel dünnere Theil
der Bauchwandung gleicherweise, wie die untere Vereinigungshaut verschiedener Wirbel-
thiere,‘) durch ein Schwinden seiner Substanz je später, desto schmäler wird. Einige Zeit,
nachdem der Rumpf wiederum oval geworden ist , treffen beide in der Mittellinie auf einander,
um sich sodann ihrer ganzen Länge nach zu schliessen, indess der zwischen ihnen befindliche
Theil der Bauchwandung allmählich völlig verloren geht. Die Vereinigung beginnt hinter der
Alitte des Rumpfes, da, wo die Bauchplatten bei ihrer Entstehung am wenigsten von einander
abstanden, und geht von da aus allmählich immer weiter, theils nach hinten, theils nach
vorn. Am spätesten geschieht dieselbe zunächst dem Kopfe, (Taf. V. Eig. 10.) wo die Bauch-
platten erst dann an einander sich anschliessen , wenn der Rumpf schon eine ziemlich langge-
streckte Form angenommen hat.
Während die Bauchplatten zusammenrücken, werden sie durch eine Vermehrung der
Zellen, aus denen sie bestehen, nicht nur länger, sondern auch ein wenig breiter. Nach ihrer
Vereinigung aber nehmen sie in kurzer Zeit an Breite viel bedeutender zu, als es bisher ge-
schehen war, und zwar um so mehr, je weiter nach vorn hin. Ferner gewinnen sie jetzt seit-
Avärts von der Mittelebene des Körpers, in der sie an einander sich innig angeschmiegt haben,
dergestalt an Dicke, dass sie gegen die Rumpfhöhle wulstartig etwas Vordringen, in Folge
1) Ueber den Theil der Leibeswand der Embryonen von Wirbelthieren, welche ich mit dem Namen der
untern Vereinigungshaut belegt habe, ist von mir ein Näheres angegeben in JoH. MÜller’s Archiv für Anatomie
und Physiologie. Jahrgang 1838, S. 362.
Zweite Periode des Fruchtlehens.
31
dessen zwischen ihnen eine dieser Höhle zugekehrte schmale und rinnenfürniige Längsfurche
entsteht. Ausserdem aber theilen sich beide zusammen um dieselbe Zeit in eine doppelte E-eihe
auf einander folgender kurzer und paariger Abschnitte. Diese Bildung geschieht dadurch, dass
die Zellen, aus denen die Streifen zusammengesetzt sind, während der Verlängerung der letzteren
nicht gleichmässig in ihrer ganzen Masse, sondern gruppenweise auseinanderrücken. Zwischen
den einzelnen Gruppen bleiben Querfurchen, die über die ganze Breite der Bauchplatte hinlau-
fen , sich mit der angeführten Längsfurche unter rechten Winkeln kreuzen und als die ersten
Anzeichen von einer Gliederung des Rumpfes betrachtet werden können. (Taf. V. Fig. 11.)
Wie übrigens die beiden Bauchplatten zunächst nach ihrer Vereinigung vorn am
raschesten, nach hinten zu aber immer weniger rasch an Breite zunehmen, eben so verhält es
sich auch mit ihrer Zunahme an Dicke. Desgleichen entsteht von den Querfurchen, die an
ihnen bemerkbar werden, der Zeit nach eine hinter der andern, wie sie der Reihe nach auf ein-
ander folgen. Es beginnt demnach auch bei Hex Nephelis , wie nach den bisherigen Erfahrun-
gen bei den Arthropoden, die Gliederung des Körpers zunächst hinter dem Kopfe und schreitet
von dort aus immer weiter nach hinten vor , da die angeführten Querfurchen , wie schon oben
erwähnt worden, als die ersten Anzeichen einer Gliederung betrachtet werden können.
Sind die Embryonen in ihrer Entwickelung bereits bis dahin vorgeschritten , dass ihr
Rumpf sehr langgestreckt - oval geworden ist und hinten in eine stumpfe Spitze ausgeht, die
von dem Auswuchs der Leibeswand, der sich zu einem Saugnapf ausbilden soll, noch keine
Andeutung bemerken lässt, dann haben ihre mit einander vereinigten Bauchplatten gleich hinter
dem Kopf die grösste, obwohl im Verhältniss zu ihrer Länge nur erst sehr mässige Breite und
Dicke. Je mehr sie sich dem hintern Ende nähern, um so schmäler und dünner werden diesel-
ben. An diesem Ende selbst, also da, wo sie früher am breitesten und dicksten waren, sind sie
jetzt am wenigsten entwickelt, obwohl sie gegen früher nicht abgenommen haben. Mitunter
zeigen sie bei solchen Embryonen auch noch nicht in ganzer Länge das Aussehen einer Doppel-
reihe kleiner Abschnitte, sondern nur erst in ihrer vordem Hälfte oder ihren zwei vordem Drit-
teln. (Taf. V. Fig. 11.)
Diese ihre Abschnitte haben anfangs die Form von quadratischen oder ein w'enig oblon-
gen Täfelchen mit abgerundeten Ecken. In ihrer Mitte am dicksten, nehmen sie von da, be-
sonders nach aussen, immer mehr ab. In Hinsicht des Umfanges und der Masse sind die des
vordersten Paares am grössten, die übrigen aber um so kleiner, je Aveiter sie nach hinten liegen.
Die dichtgedrängt beisammenliegenden Zellen, aus denen sie zusammengesetzt sind, haben nur
Durchmesser Amn 0,0004 bis höchstens 0,0006", ein klares Aussehen, einen scharfen Umriss,
einen verhältnissmässig recht grossen Kern, und überhaupt sämmtlich eine gleiche BeschalFen-
heit. Doch lässt sich schon bei Embryonen aus der INIitte der zAveiten Periode, deren Rumpf
sehr langgestreckt - oval ist, aber noch nicht die geringste äussere Andeutung eines Saugnapfes
zeigt, an denjenigen Zellen, Avelche die der Mittellinie der BauchAvand zugekehrte Hälfte der
Täfelchen bilden, mitunter ein sehr zarter fadenförmiger Ausläufer bemerken, der nur für eine
in der ersten Entwickelung begriffene Nervenfaser gehalten Averden kann. Dergleichen Fasern.
Nephelin tulgaris.
:V2
konnte ich ganz deutlich besonders dann an der abgelösten und isolirt untersuchten Hauchwand
gewahr werden, Avenn ich die Embryonen durch verdünnte Salpetersäure erhärtet und sie gleich
danach einige Stunden der Einwirkung einer wässrigen und mit Salmiakspiritus versetzten Lö-
sung von Karmin ausgesetzt hatte. Dabei ergab sich überdies , und zwar besonders deutlich,
Avenn die KaucliAvandung ein AA’enig gepresst Avorden war, dass von den angeführten Fasern
einige in der mittlern Längsfurche zAA’ischen den ZAvei Hauchplatten gerade nach hinten verlie-
fen, andere aber von den Täfelchen der einen Seitenhälfte zu den entsprechenden Täfelchen
der andern schräg oder quer hinübertraten. Die letzteren Fasern deuteten darauf hin, dass
schon ein erster Schritt zur Bildung von Nervenästen des Bauchmarks gethan AV'ar , doch Hessen
sich bei solchen Embryonen , von denen soeben die Rede Avar, dergleichen Aeste selbst noch
nicht erkennen.
§. 19.
Späterhin nehmen die beiden Bauchplatten nicht nur immer mehr an Länge, Breite
und Dicke zu, sondern erhalten auch hinten, Avenn es bisher noch nicht geschehen war, quer-
gehende Furchen , Avodurch sie nun auch hier in tafelförmige Abschnitte zerlegt Averden. Dabei
aber scheidet sich von diesen Täfelchen eines nach dem andern , Avie sie in ihrer Reihe von vorn
nach hinten auf einander folgen, in drei Theile, die nach ihrer vollendeten Ausbildung in morpho-
logischer und histologischer Hinsicht Avesentlich von einander A^erschieden sind, und zAvar in
einen Theil der allgemeinen Hautbedeckung, in ein Ganglion des Bauchmarks und ein Bündel
quer verlaufender Muskelfasern.
Nachdem sich nämlich die bisher sehr ähnlichen Zellen eines solchen Täfelchens all-
mählich stärker vermehrt haben, platten sich diejenigen von ihnen, welche der Oberfläche des
Körpers zunächst liegen und einen kleinen Theil derselben bilden, recht beträchtlich ab. Sie
setzen eine Partie jener einfachen Zellen -liage zusammen, die sich bei den erAvachsenen Exem-
plaren von Nephelis zunächst nach innen von einer dünnen Cuticula befindet und für den
Avesentlichsten Theil der Hautbedeckung dieses Wurmes zu halten sein dürfte, und gevrähren
fnach EinAvirkung von Salpetersäure auf den Embryo) bei einer Ansicht auf die Oberfläche das
Bild eines zarten Plattenepithels.
Die nach innen von dieser einfachen Zellenlage befindliche oder übrige Masse der
Täfelchen, die aus einer sehr viel grossem und stärker gehäuften Zellenlage besteht, wird in
ZAvei neben einander liegende Theile geschieden , indem an ihr eine schmale, von Intercellular-
substanz gefüllte Furche entsteht, die eine Richtung von vorn nach hinten hat, einen schw'ach
gekrümmten Bogen bildet und mit ihrer convexen Seite der Mittelebene des Körpers abgekehrt
1) Bei den Pupiparen beschreibt LeuckäRT gleichfalls eine Umwandlung der von ihm (nach Zaddacu’s
Vorgänge) als Ursegmente bezeichneten Täfelchen des Primitivstreifens je in ein Ganglion und einen Seitenmuskel,
AA'ährend die Hautbedeckung dagegen selbstständig , schon vor der Gliederung des Primitivstreifens, in ganzer
Ausdehnung sich bilden soll. (Die Fortpflanzung und EntAvicklung der Pupiparen. Halle, 1858. S. 73.)
'Zweite Periode des Fruchtlebens.
33
ist. Von den beiden letzteren Theilen entwickelt sich dann derjenige, welcher der Mittelebene
des Körpers zunächst liegt, zu einem Ganglion des Eauchmarks , der andere zu einer Partie der
Muskulatur der Rumpfwandung. (Taf. V. Fig. 13, 14.)
'Was nun denjenigen Theil anbelangt, welcher künftighin ein Nervenganglion darstel-
len soll, so grenzt derselbe schon bei seiner Pildung dicht an den ihm entsprechenden Theil der
andern Seitenhälfte. Er ist mit ihm durch eine kleine Quantität von Intercellular- Substanz so
innig verbunden, dass beide dem Aussehen nach ein Ganzes ausmachen, statt dass bei einigen,
wenn nicht etwa gar allen Arthropoden die Hauchmarks- Ganglien je eines Paares zur Zeit ihres
Ursprunges von einander mässig weit entfernt liegen. Noch inniger aber wird diese Verbindung
in einer etwas spätem Zeit, indem die zunächst der Mittelebene des Körpers gelegenen Zellen
von beiden Seiten her allmählich zwischen einander eindringen und die frühere Scheidungslinie
vollständig verwischen, auch beide Hälften durch neu ausgesendete Nervenfasern, die von der
einen zu der andern herüber und über sie hinweggehen , je später desto fester mit einander ver-
knüpft werden. ^lit vollem Grunde lässt sich daher annehmen , dass beide zu einem einzigen
Ganglion zusammenschmelzen, dass also andern Hauchmarke der JVejuÄeZ/s , wenn seine Ent-
wückelung vollendet ist, nur eine einzige Reihe von Ganglien vorkommt.
Zunächst nach seiner Entstehung hat ein solches Ganglion, für sich betrachtet, eine
sogenannte Bisquitform. Es zeigt nämlich zwei längere und zwei kürzere Seitenränder, ist an
den erstem in der Glitte etwas concav und an den beiden Enden abgerundet. Ausserdem ist es
in seiner Mitte an der innern Fläche concav und daselbst dünner, als gegen die Enden hin.
Seine Lage aber ist von der Art, dass sich seine Achse mit der Mittellinie der Bauchwand unter
rechten Winkeln kreuzt, die abgerundeten und verdickten Enden also rechts und links neben
der iMittellinie vorspringen. (Taf. V. Fig. 13.) Durch beständige Zellen- Vermehrung nimmt
dieses Ganglion sehr bald an Grösse , insbesondre aber gegen seine Enden so erheblich an Dicke
zu, dass die zwei äussern Drittheile desselben in aller Kürze die Fomi von Halbkugeln erhalten.
Seine Zellen werden dabei der Mehrzahl nach etwas oval oder birnfömiig und wenden sich,
wenn sie solche Form annehmen, mit ihrem dickem Ende gegen die Oberfläche des Ganglions.
In ihrer innern Beschaffenheit aber erfahren diese Zellen keine bemerkbare Veränderung, denn
abgesehen von ihrem Kern, der in der Regel nur mit einem Kernkörper, selten mit zweien,
versehen ist, haben sie selbst noch an dem Ende der zweiten Entwickelungsperiode keinen fein-
körnigen, sondern einen völlig klaren Inhalt.
Im Ganzen bilden sich bei nnsexer Nephelis 2S Ganglien. Die ^Meisten derselben rücken
bei ihrer Entwickelung (weil sie alle zusammen viel weniger an Länge zunehmen, als der
Rumpf, in dem sie liegen, allmählich aus einander, doch in der zweiten Periode höchstens nur
so weit, dass die Entfernung zwischen je zweien von ihnen selbst in den ausgestreckten Embryo-
nen nicht mehr beträgt, als ihre Länge. Aber es ist, wie gesagt, nur die iMehrzahl der Ganglien,
die sich in solcher Weise verändert. Die drei vordersten bleiben, statt auseinander zu rücken.
I) Rathke, Entwich. -Geschichte des Flusskrebses. Leipzig, 1S2S. Seite 16.
Rathke, Entwicklung der Hirudineen. 5
u
ISleplielis vulgaris.
dicht bei einander , (Taf. III. Fig. 4.) und stellen mit dem vordersten Theil der beiden Stränge
des Bauchraark.es (Taf. I\^. Fig. 4, c. 8, c. o,f.) eine einzige Älasse von zusammengesetzter Form
dar, die man als erstes Ganglion zu betrachten pflegt. Gleichfalls bleiben die sechs hintersten
Ganglien bei einander, um mit dem hintersten Theil der Stränge des Bauchmarkes eine iNIasse
zusammenzusetzen, die ebenfalls nur ein einziges Ganglion zu sein scheint und demnach denn
auch allgemein für das letzte Ganglion des Bauchmarkes gehalten wird. Nach der gewöhnli-
chen Anschauungsweise, von der ich übrigens nicht abweichen will, würde also eine aus-
gebildete Nephelis nur 21 Ganglien des Bauchmarkes besitzen. ')
In ihrer Vergrösserung machen die 28 ursprünglichen Ganglien anfangs um so geringere
Fortschritte, je weiter sie in der Reihe nach hinten auf einander folgen. Gegen das Ende der
zweiten Periode aber bleibt das ursprünglich zweite in seiner Vergrösserung nicht nur hinter
dem ersten, sondern auch hinter dem dritten etwas zurück, indess die übrigen, welche auf das
dritte folgen, auch in dieser Zeit an Umfang und an Masse um so weniger zunehmen, je weiter
sie nach hinten liegen.
•Je mehr die Entwickelung der Ganglien des Bauchmarkes vorschreitet, desto deutli-
cher und zahlreicher werden auch die Nervenfasern, die von den Zellen derselben abgehen.
Besonders gilt dies von denjenigen, welche nach der Länge des Leibes verlaufen und die beiden
.Stränge des Bauchmarkes zusammensetzen. Diese mehren sich in der letztem Hälfte der zwei-
ten Periode sehr bedeutend und bilden zwei mässig dicke Stränge, die zunächst der Mittelebene
des Leibes an der obern Seite der Ganglien, wie in einer Rinne, verlaufen und einige Zeit von
einander so abstehen, dass sich zwischen ihnen ein schmaler Zwischenraum befindet. (Taf. V.
Fig. 14.) Gegen das Ende der zweiten Periode aber schliessen sich diese Stränge in ihrem gan-
zen Verlauf so innig an einander an, dass sie beide nur einen einzigen Strang zu bilden schei-
nen, der von oben und unten etwas abgeplattet und an seiner obern Seite mit einer kaum be-
merkbaren Längsfurche versehen ist. Auf dem vordersten Ganglion, das, w'ie schon angeführt,
eigentlich aus dreien zusammengesetzt ist, hat derselbe die grösste Breite, während er von da
nach hinten allmählich schmäler wird. In den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Ganglien
ist er dabei zugleich etwas eingeschnürt, bis er nach starker Verjüngung schliesslich auf dem
(zusammengesetzten) hintersten Ganglion unmerklich aufhört.
Schwieriger als diese Längsfasern lassen sich diejenigen Fasern erkennen, welche in
gerader Richtung von den Ganglienzellen des Bauchmarkes ausgehen und die seitlichen Nerven-
stärame zusammensetzen , doch können schon vor dem Schluss der zweiten Periode an einem
jeden der einfachen Ganglien, welche zwischen dem ersten und dem letzten liegen, mehr oder
weniger deutlich zwei Paar Bündel zarter und blasser Fasern wahrgenommen werden, die an
der obern Seite desselben ihren Ursprung haben , von da in bogenförmigem Verlaufe nach dem
gegenüberliegenden Seitenrande hinlaufen , sich in der Substanz des Ganglion also kreuzen.
1) Ich zähle bei ausgewachsenen Exemplaren von Nephelis gewöhnlich nur 2ü Ganglien — wohl des-
halb , weil statt der 6 letzten deren 7 unter sich verschmolzen sind. Anm. des Herausgebers.
Ziceite Periode des Fruchtlebens .
:iö
und schliesslich zu zwei Paar Nerven - Aesten zusammentreten, die von dem Ganglion seitwärts
abgehen. Nicht gelungen aber ist es mir, diese Aeste bei Embryonen aus der zweiten Periode
selbst nur eine mässige Strecke weit zu verfolgen.
Was übrigens weiter noch den Ursprung der Nervenfasern des Pauchmarkes und seiner
Aeste anbelangt, so wäre vielleicht zu bemerken, dass die Zellen, welche diese Fasern aussen-
den, allem Anschein nach sämmtlich unipolare sind.
Während die 28 ursprünglich vorhandenen Ganglien des Bauchmarkes und die beiden
Stränge desselben an Grösse immer mehr zunehmen geben die ersteren früher oder später, wie
sie in der Reihe auf einander folgen, ihre anfängliche Bisquitform auf, und nehmen andere
Formen an. Die drei vordersten, die nicht auseinander rücken, sondern beisammen bleiben,
gewinnen weit mehr an Breite, als an Länge, indem sie sich besonders in der Richtung von
links nach rechts vergrössern. Die Concavität des vordem und hintern Randes bleibt, während
der auf ihnen liegende Theil der beiden Stränge des Bauchmarkes erheblich an Breite zunimmt
und mit ihnen einen besondern Abschnitt bildet, an dem die abgerundeten Enden als drei Paar
verhältnissmässig nur kleiner Lappen seitwärts hinausragen. (Taf. IV. Fig. 4 und 6.) Die übri-
gen Ganglien verlieren in dieser Periode, mit Ausnahme der 6 oder 8 hintersten, die ihre ur-
sprüngliche Form noch beibehalten, eines nach dem andern ihren hintern Ausschnitt so voll-
ständig , dass statt der frühem Concavität sich eine förmliche Convexität hervorbildet. Ist dies
an dem vierten in der Reihe (dem nachherigen zweiten) geschehen, so vergrössert sich dasselbe
besonders in der Richtung von vorn nach hinten. Ohne Verlust des vordem Ausschnittes ge-
winnt dasselbe in seiner Form sehr bald eine Aehnlichkeit mit einem Kartenherz, w'ährend
die Mehrzahl der folgenden allmählich eine mehr elliptische Gestalt annimmt.
§. 20.
Der dritte von den Theilen , in welche sich die einzelnen Abschnitte der Bauchplatten
scheiden, derjenige nämlich, welcher am meisten nach aussen liegt, nimmt weniger, als der
in seinen Metamorphosen oben verfolgte mediane Theil an Dicke zu , breitet sich dagegen aber
bei seiner Vergrösserung w^eit mehr in der Fläche aus. (Taf. V. Fig. 13, 14, c, c.) Nach einiger
Zeit stellt er dann eine mässig dicke, quer oblonge Tafel dar, die sich von dem Ganglion, mit
dessen einer Seitenhälfte sie aus einem und demselben Abschnitt der Bauchplatten entstanden ist,
ungefähr bis zu der Grenze der untern und der einen seitlichen Wandung des Rumpfes erstreckt,
in ihrem Verlauf immer mehr sich abflacht und schliesslich in einen dünnen, aber trotzdem noch
ziemlich scharfen und abgerundeten Seitenrand ausläuft. Die Zellen dieser Tafel nehmen mit
der Vergrösserung derselben immer mehr und mehr zu. Sie ordnen sich zunächst in ziemlich
viele Reihen, die neben und über einander liegen und sämmtlich eine quere Richtung haben,
verschmelzen dann mit einander und verwandeln sich schliesslich in eben so viele Muskelfaseni,
die bis in die dritte Periode des Fruchtlebens noch ziemlich grosse Ueberreste von Zellenkernen
36
Nejihelis culgaris.
in sich einschliesseii. ’j Während ihrer Entstehung und Entwickelung aus den an einander ge-
reihten Zellen nehmen alle diese Fasern oder Muskel - Primitivbündel mehr und mehr an Länge
zu, und zwar zunächst in der Richtung nach aussen hin. Wenn sie aber mit ihrem äussern
Ende ungefähr die Grenze zwischen der untern und der einen Seitenwand des Rumpfes erreicht
haben , was schon einige Zeit vor dem Ende der zrveiten Periode der Fall ist, wachsen sie nach
innen zwischen der Hautbedeckung und dem Ganglion des Rauchmarkes, neben welchem sie
entstanden waren, hindurch, erreichen die ihnen der Lage nach entsprechenden Muskelfasern
der andern Seite und vereinigen sich mit diesen so innig, dass die einzelnen Fasern beider Hälf-
ten ohne Unterbrechung und geraden Weges in einander übergehen , und mit denselben zusam-
men einen schmalen und massig dicken Halbgürtel darstellen.
Die Ausbildung dieser muskulösen Halbgürtel an der Bauchwandung des Rumpfes
schreitet ebenfalls, wie die der Ganglien des Rauchmarkes, ganz allmählich von dem vordem
nach dem hintern Ende des Rumpfes vor , so dass die vordem schon vollständig gebildet sein
können, indess die hintern oder hintersten noch mehr oder weniger weit getrennte Seitenhälften
erkennen lassen.
§. 21.
Die drei kolossalen Zellen, welche sich bald nach der ersten Periode des Fruchtlebens
an dem hintern Ende des Rumpfes gebildet haben, bleiben ziemlich lange bestehen, so lange
nämlich, als sich die Rauch platten noch nicht in grösserer Strecke vereinigt haben. Man er-
kennt sie noch bei solchen Embryonen , deren Rumpf schon eine ziemlich langgestreckt- ovale
Form gewonnen hat. In der letztem Zeit ihres Restehens aber nehmen sie nicht merklich an
Grösse zu : wenigstens habe ich ihre Länge in den Fällen , in welchen ich sie messen konnte,
nicht über 0,0048" gross gefunden. Sie erscheinen mithin, nachdem sie eine solche Länge an-
genommen haben, im Verhältniss zu der Länge oder überhaupt zu dem Umfange des ganzen
Embryo’s, je später, desto kleiner. Weiterhin, wenn sie vergangen sind, findet man statt ihrer
an dem hintern Ende des Rumpfes eine ziemlich grosse Zahl von hellen, farblosen und rundlich-
eckigen viel kleinern Zellen, deren Durchmesser höchstens 0,0007" betragen, und die aller
Wahrscheinlichkeit nach, wenn auch nicht die nächsten, so doch entferntem Nachkommen von
ihnen sind. Diese Jüngern Zellen bilden bei solchen Embryonen, deren Rumpf bereits die Form
eines sehr lang- gestreckten Ovals oder einer solchen Birne angenommen hat, bei denen sich
die vereinigten Rauchplatten aber noch nicht vollständig in tafelförmige Abschnitte aufgelöst
haben, an dem stumpfzugespitzten hintern Körperende eine mässige Verdickung, die den Inhalt
desselben kappenförmig umgiebt, wegen der grossen Durchsichtigkeit ihrer Substanz aber erst
dann erkannt werden kann, wenn diese durch Salpetersäure oder Chromsäure zum Gerinnen
gebracht und erhärtet worden ist. Neben der Mittelebene des Leibes hat diese Verdickung
1) Leydig hat bei der Neplielis ähnliche Wahrnehmungen gemacht. (Zeitschrift für wissenschaftliche
Zoologie von Siebolu und Kölliker. Bd. I. Seite 109.)
Zweite Periode des Fruchtlehens.
37
eine grössere Stärke, als in ihren Seitentheilen, ■während sie nach vorn in das liintere, be-
kanntlich stark verschmälerte Ende der vereinigten Bauchplatten so vollständig übergeht, dass
ihr dickerer Theil kaum mehr als eine Fortsetzung oder das eigentliche Ende derselben zu sein
scheint. (Taf. V. Eig. II, a.)
Gegen das Ende der zweiten Periode wächst die Substanz der angegebenen Kappe,
unter steter Massenzunahme in der Mitte allmählich so stark nach aussen hervor, dass sie einen
nach hinten gerichteten , kegelförmigen Fortsatz von ziemlichem Umfange bildet, in den nun-
mehr der Leib des Embryo’s nach hinten ausgeht. (Taf. III. Fig. 1, 2.) Aber dieser Fortsatz
bleibt nur kurze Zeit hindurch kegelförmig. Er plattet sich ab und verwandelt sich unter steter
Vergrösserung in eine verhältnissmässig dicke Scheibe oder Schaufel, die mit ihrer einen Fläche
nach oben gekehrt und an selbiger mässig stark convex, an ihrer andern aber schwach concav
ist, anfangs eine kurze Zeit die Form eines Dreiecks hat, aber bald darauf eine mehr ellipsoidi-
sche Gestalt annimmt. Noch etwas später schwillt der Rand dieser Scheibe wulstartig an, wo-
bei an ihm gleichzeitig einige schwache Einschnitte oder Kerben entstehen. Ist dies geschehen,
so bilden sich an der Bauchwand des Rumpfes dicht vor der Scheibe zwei mässig breite Seiten-
wülste, in die sich der Scheibenrand nach vorn fortsetzt und mit denen zusammen er nur eine
einzige ^Yulst darstellt , die zu einer gewissen Zeit ungefähr die Form eines Hufeisens hat.
(Taf. III. Fig. 3.) In dem weitern Verlaufe der Entwickelung aber kommen die vordem Enden
dieser Wulst einander immer näher, bis sie schliesslich sich vereinigen, und nunmehr einen
geschlossenen, hier und da freilich etwas eingekerbten Kreis umschreiben , der den Rand eines
in Hinsicht der Form schon beinahe völlig ausgebildeten Saugnapfes darstellt.
Nach dem Angeführten entwickelt sich also der Saugnapf einestheils aus einem Fort-
satze, der aus dem hintern Ende des Rumpfes hervorgewachsen ist, anderntheils aber aus einer
kleinen Partie der Bauch wandung des Rumpfes. Dadurch aber, dass er sich zum Theil aus der
Bauchwand des Leibes entvvickelt, wird es erklärt, dass über seiner vordem Hälfte ein Theil
des Bauchmarkes gefunden wird, obgleich er hinter dem Bauchmark seine Entstehung genom-
men hat.
Bald nachdem sich der Saugnapf in der angegebenen Weise gebildet hat, besitzt er
schon eine solche Form, wie bei den erwachsenen Exemplaren der Nephelis. Muskelfasern aber
scheinen sich in seinem Randstücke erst später und nur ziemlich langsam zu entwickeln: denn
selbst noch einige Zeit nach seiner Bildung schien mir dieser Theil des Saugnapfes nur aus ele-
mentaren Zellen zu bestehen.
§. 22.
Wenn die drei kolossalen Zellen, welche als die erste Anlage zu dem Saugnapf der
Nephelis zu betrachten sind, schon eine länglich - ovale Form angenommen haben, und je eine
Bauchplatte schon aus vier Längenreihen von Zellen besteht, der Rumpf aber noch die Form
einer Kugel hat, erscheint der übrige oder bei weitem grössere Theil der Wandung des Rumpfes,
38
Nephelis vulgaris.
wie bereits erwähnt worden (§. 17.) als ein sehr zartes Häutchen, in dem viele zerstreut liegende
Zellenkerne und in geringerer Zahl auch kleine oder doch nur mässig grosse ganze Zellen ver-
kommen. Nachdem aber in dem weitern Verlaufe der Entwickelung der Rumpf sich mehr ver-
längert und die Form eines langgestreckten Ovals angenommen hat , lassen sich an der innern
Seite seiner Wandung (bei den durch Salpetersäure erhärteten und nachher der Einwirkung einer
Lösung von Karmin ausgesetzten Embryonen) viele mit Zellenkernen in Verbindung stehende
Fasern wahrnehmen, die zwar nur sehr zart , doch scharf begrenzt sind, entweder ganz gerade
oder doch nur schwach geschlängelt verlaufen und nicht nur verschiedene Formen, sondern auch
eine sehr verschiedene Länge haben. ’) Die meisten von ihnen haben im Verhältniss zu ihrer
Dicke eine ziemlich grosse oder selbst beträchtlich grosse Länge, gehen von einem Zellenkern
gewöhnlich zu zweien , selten zu dreien oder vieren nach verschiedenen Richtungen auseinander
und endigen unter fortwährender Verdünnung entweder einfach oder nach ein - bis zweimaliger
dichotomischer Spaltung. Einige dieser Fasern verlaufen nach der Länge des Leibes, andere
hingegen, die sich mit jenen kreuzen , quer, aber sowohl die erstem als auch die letztem in
ziemlich grossen Abständen von einander. Die kurzem Fasern kommen in viel geringerer
Zahl vor, gehen zu zweien oder dreien von einem Zellenkern ab und liegen in den Zwischen-
räumen, welche sich zwischen den längern befinden. Wie sich erwarten lässt, sind alle diese
Fasern nichts anderes, als Ausläufer oder Ausstrahlungen von gekernten Zellen, deren Wan-
dungen sich im Umkreis der Kerne nicht selten noch als selbstständige Bildungen erkennen
lassen.
Ob dergleichen Fasern auch schon bei jungen Embryonen verkommen, deren Rumpf
die Form der Kugel noch nicht aufgegeben , aber doch vor einiger Zeit bereits die Bauchplatten ,
ausgeschieden hat, bin ich zu ermitteln nicht im Stande gewesen. Ich vermuthe indess, dass
sie auch hier schon vorhanden, aber noch zu zart und zu vergänglich sind, als dass sie der
Anwendung von Salpetersäure oder Chromsäure hätten widerstehen können. Ueberdies gelang
es mir bei solchen noch sehr jungen Embryonen nach der Erhärtung nur sehr selten, ausser
den Bauchplatten mässig grosse Stücke der Wandung des Rumpfes von der Inhaltsmasse abzu-
lösen und ihnen ohne Verletzung eine solche Lage zu geben, dass ihre innere Fläche nach oben
gekehrt war.
Während des weiter fortschreitenden Wachstbums der Embryonen werden die beschrie-
benen Fasern nicht nur länger, sondern es nimmt auch ihre Zahl, allem Anschein nach, einige
Zeit noch immer mehr zu. Bei Embryonen, bei denen sich in der Bauchwand des Rumpfes be-
reits Muskeln unterscheiden Hessen, oder was so ziemlich dasselbe besagt , bei denen sich der
rudimentäre Saugnapf in Form eines kleinen kegelförmigen Fortsatzes eben gebildet hatte, er-
scheinen sie als langgestreckte, an ihren Enden entweder einfache oder gabelförmig ein bis drei
Mal getheilte Fäden, die meistens ungefähr in ihrer Mitte einen Ueberrest von einem Zellen-
1) Um diese Fasern deutlich sehen zu können, ist es nöthig die Wandung des Rumpfes von dem Inhalt
desselben zu trennen und sie so zu legen , dass ihre innere Seite nach oben gekehrt ist.
Ziveite Periode des Fruehtlehetis .
39
kern enthalten, als Fäden also, von denen meistens je zwei von einem Zellenkerne nach entge-
gengesetzten Richtungen auslaufen. Dass auch bei ihnen noch, wie bei Jüngern Embryonen,
mitunter drei bis vier dergleichen Fäden von einem Zellenkern oder einem Reste desselben ab-
gingen, habe ich nicht bemerken können.^)
Die meisten dieser Fasern verlaufen bei den hier erwähnten ältern Embryonen an dem
dünnem Theil der Rumpfwandung in nur mässig grossen Entfernungen von einander der Quere
nach, und erstrecken sich, wie es mir schien, sämmtlich von der Bauchfläche bis gegen die Mitte
des Rückens. Die übrigen verlaufen nach der Länge des Rumpfes , so dass sie sich mit den
erstem kreuzen. Diejenigen, welche der Hauchwand angehören, oder sich in deren nächster
Nähe befinden, liegen ungefähr in denselben Entfernungen von einander, wie die Querfasern,
während diejenigen, welche sich weiter nach oben befinden, also entweder den Seitenwänden
des Rumpfes oder dem Rücken angehören , in viel grössern Abständen von einander gefunden
werden. Einige von ihnen, namentlich manche weit nach unten gelegene, haben eine fast so
grosse Länge, wie der Rumpf, andere hingegen eine viel geringere. — Auf der Bauchfläche
und den benachbarten Seitentheilen setzen die sich kreuzenden Fasern auf grössere Strecken ein
vollständiges Gitterwerk zusammen, dessen Oeffnungen sämmtlich viereckig sind (Taf. V.
Fig. 13 und 14.) und nur da, wo die hinter einander liegenden Längsfasern aufhören, gleichsam
durchbrochen und lückenhaft erscheinen.
Die beschriebenen Fasern, die übrigens auch nach Einwirkung von Essigsäure scharf
begrenzt bleiben, dienen ohne Zweifel dazu, der Rumpfwand eine grössere Festigkeit und Halt-
barkeit zu geben. Wahrscheinlich aber sind sie nicht nur elastisch, sondern auch contractil.
Die Zusammenziehungen, die man an dem von diesen Fasern durchzogenen Theile der Rumpf-
wandung schon bei solchen Embryonen beobachtet, bei Avelchen darin noch gar keine Muskel-
fasern Vorkommen, dürften wohl hauptsächlich, wenn nicht gar allein, von ihnen hervorge-
bracht werden.
§. 23.
Gegen das Ende der zweiten Periode schwinden und vergehen die so eben beschriebe-
nen Fasern, indess sich dafür die Muskulatur der Rumpfwand immer weiter ausbildet. Die
muskulösen Halbgürtel nämlich, welche ungefähr um die Mitte dieser Periode in der Bauch-
wand des Rumpfes entstanden sind, (§. 20.) gewinnen allmählich eine immer bedeutendere
Breite. Sie wachsen, nachdem sie mit ihren Enden die Seitenwände des Rumpfes erreicht
haben, an denselben immer weiter in die Höhe, und gehen von da auch auf die Rückenfläche
des Rumpfes über, bis sie schliesslich in der Mittellinie auf einander stossen und (kurz vor dem
Ende der zweiten Periode) zu vollständig geschlossenen Gürteln zusammen fliessen. Während
1) Es giebt übrigens auch ausgebildete Thiere mit muskulösen Strahlenzellen , wie z. B. die Heteropo-
den, vergl. Leuckart zoologische Untersuchungen. Heft III. S. l.ö.
40
Nephelis vulgaris.
sie aber der Mittellinie des Rückens en tgegen wachsen , verschwinden jederseits die frühem
TjOngitudinal- Fasern, die durch sie ersetzt werden, eine nach der andern, wie sie von unten
nach oben auf einander folgen. Ebenso werden auch die transversalen von unten nach oben
immer kürzer , bis von ihnen gleichfalls keine Spur mehr übrig ist.
Wenn die muskulösen Halbgürtel , die anfangs dicht auf einander folgen , sich seit-
wärts über die Bauchwandung des Rumpfes hinaus verlängert haben und an den Seitentheilen
desselben eine ziemlich grosse Strecke hinaufgewachsen sind, rücken sie, während der weiter
vor sich gehenden Verlängerung des Embryo’s, so auseinander, dass zwischen je zweien von
ihnen ein kleiner Zwdschenraum entsteht, der jedoch nur in dem Falle deutlich bemerkt werden
kann , wenn sich der Embryo ausgestreckt hat. Ausserdem aber rücken dann auch die Fasern
der einzelnen Halbgürtel auseinander, und zwar geschieht dies in der Art, dass dadurch ein
jeder in etliche auf einander folgende bandartige Streifen getheilt wird, die ebenfalls nur durch
geringe Zwdschenräume von einander geschieden sind. Die meisten von diesen Halbgürteln
theilen sich in 5, die hintersten aber, die eine geringere Breite, als die übrigen haben, nur in
1 oder auch nur in 3 solche Streifen.
iMit den querverlaufenden Muskelfasern der Rumpfwandung bilden und entwickeln sich
auch solche Fasern, die von vorn nach hinten verlaufen, sich nach innen von jenen erstem be-
finden und nicht dicht beisammen, sondern in kleinen Entfernungen von einander liegen. Die-
jenigen von diesen Längsfasern, welche sich am frühesten bemerkbar machen, entstehen ganz
in der Nähe des in Entwickelung begriffenen Bauchmarkes, andere je später, in einer desto
grossem Entfernung von demselben und um so näher der Mittellinie des Rückens. In der letz-
ten Zeit der zweiten Periode setzen dieselben eine besondere Schicht zusammen, die aber sehr
viel dünner ist, als die Schicht der querverlaufenden Muskelfasern des Rumpfes, und überhaupt
nur aus einer einfachen Lage von Fasern , die ohnehin nicht sonderlich dicht beisammen liegen,
zu bestehen scheint.
Uebrigens kommen in diesen longitudinalen Muskelfasern des Rumpfes selbst noch an
dem Ende der zweiten Periode eben so, vvie in den transversalen Muskelfasern des Rumpfes,
viele und ziemlich nahe auf einander folgende Ueberreste von Zellenkernen vor.
§• 24.
Wie wir oben (§. 17.) sahen, ist die Oberfläche der Embryonen zu der Zeit, in welcher
der Rumpf noch seine ursprüngliche kugelförmige Gestalt besitzt, im Verhältniss zu dem Kopfe
aber schon eine beträchtliche Grösse erlangt hat, mit kleinen oder doch nur mässig grossen,
nicht eben sonderlich zahlreichen, w'eit auseinander liegenden und stark abgeplatteten Zellen
versehen. Diese Zellen mehren sich bald nachher bedeutend, bis sie, wie die oberflächlichen
Zellen des Kopfes, eine besondere einfache Lage zusammensetzen, in der sie dicht gedrängt
beisammen Vorkommen. Eine derartige Lage oder Schicht lässt sich an dem ganzen Körper,
mit Ausnahme der Stellen , an welchen sich die Bauchplatten und die bekannten, kolossalen
Zxoeite Periode des Fruchtlehens.
41
Zellen befinden, schon bei solchen Embryonen erkennen, deren Rumpf erst eine länglich - ovale
Form angenommen hat. Doch bleiben diese Zellen, die alle stark abgeplattet erscheinen, und
deren Querdurchmesser meistens 0,0006 ", selten etwas mehr beträgt, nebst den ihnen gleichen
oberflächlichen Zellen , Avelche etwas später auch an den bis dahin nackten Stellen entstanden
sind, während einer längern Zeit des Fruchtlebens völlig klar und so durchsichtig, dass sie
nicht ohne Weiteres wahrgenommen und von einander unterschieden werden können. Wenn
man aber den Embryo in Wasser gelegt hat, und darin sterben lässt, schwellen sie unter gleich-
zeitigem Verlust ihrer frühem klaren Beschaffenheit allmählich an, so dass sie mitunter einzeln
über die Oberfläche des Körpers hervortreten. Auch werden sie einzeln sichtbar, wenn der
Embryo etwa eine Stunde in einer mit Liquor ammonii caustici versetzten Lösung von Karmin
gelegen hat.
Bei der weiter fortschreitenden Entwickelung des Körpers werden in fast allen diesen
zarten Zellen , die alsdann zusammengenommen ein ähnliches Bild geben , wie ein Platten-
epithel auf einer serösen Haut von Wirbelthieren, sehr kleine molekulare Fettkügelchen abge-
lagert. In den meisten von ihnen bildet sich nur eine geringe Zahl dergleichen Kügelchen (meist
l bis 3), in anderen aber und namentlich denjenigen, welche an der Rückenwand des Rumpfes
zu den Seiten der Mittellinie liegen , gegen das Ende der zweiten Periode eine so beträchtliche
Menge, dass diese Zellen, die entweder eine scheibenförmig- runde, oder ovale, oder elliptische
Form haben, und deren Durchmesser bis 0,0009" lang werden, durch sie ein punktirtes Aus-
sehen erhalten und bei durchfallendem Lichte ganz grau, bei auffallendem aber weiss oder sehr
schwach gelb erscheinen.
Eine längere Zeit liegt die oberflächliche Zellenschicht des Körpers frei und bloss da.
Gegen das Ende der zweiten Periode aber bildet sich auf derselben eine überaus dünne und zarte
Cuticula, die völlig structurlos ist. Hat man einen Embryo aus dieser Entwickelungszeit in
Wasser gelegt und ihn darin absterben lassen, so wird dieselbe durch einen in den Körper ein-
gedrungenen Theil des Wassers von der Zellenschicht, auf der sie entstanden ist und mit der sie
innig zusammenhängt, hie und da abgehoben und sichtbar gemacht. Auf eine andere Weise
kann man an solchen Embryonen nicht zu einer Kenntniss ihrer Existenz gelangen.
Die Flimmerhaare, die sich bei sehr jungen Embryonen an der Oberfläche des Kopfes
befinden, vergehen in dieser Periode spurlos, jedoch erst nach der Mitte derselben. Die in der
Entwickelung am weitesten vorgeschrittenen Embryonen, bei welchen ich noch solche Haare
gewahr werden konnte, hatten einen walzenförmigen, vorn quer abgestutzten Kopf, und einen
langgestreckten und nach hinten ziemlich stark verjüngten und schwach nach dem Rücken zu
gekrümmten Rumpf. An der Bauchseite des letztem sah man eine Menge Querfurchen, von
denen sich die hinterste nicht weit von dem Ende befand, an dem sich übrigens noch keine An-
deutung von einem Saugnapfe auffinden liess.
Eathke, Entwicklung' der Hirudineen.
6
42
Nephelis vulgaris.
§• 25.
Nach den Bemerkungen, die in dem Vorstehenden über die Entwickelung der Leibes-
wand gemacht worden sind, hat diese nach dem Beginn der zweiten Beriode des Fruchtlebens
an dem Kopfe eine bedeutend grössere Dicke, als an dem Rumpfe, an welchem sie fast allent-
halben (abgesehen nämlich von dem hintern Ende, an dem die 3 kolossalen Zellen entstanden
sind) nur überaus dünn ist. In dem weitern Verlaufe der Entwickelung gewinnt dieselbe nun
auch am Rumpf eine immer grössere Dicke. Zunächst an der Bauchfläche, wo sie nach einiger
Zeit der Dicke der Kopfwand fast gleich wird. Von der Bauchseite des Rumpfes aber schreitet
die Verdickung sehr allmählich gegen die Rückenseite fort, doch ist selbst am Ende der zweiten
Periode die Wandung des Rumpfes hier noch immer beträchtlich dünner, als an der Bauchseite.
Ausserdem, dass sich die Wandung des Rumpfes im Verlauf der zweiten Periode an
ihrer Bauchseite mehr, als namentlich und insbesondere an ihrer Rückenseite verdickt, gewinnt
sie an derselben jetzt auch eine grössere Länge, als an der gegenüberliegenden Seite. Dies
aber hat zur Folge, dass der Embryo nach dem Rücken hin eine starke bogenförmige Krümmung
erhält und einige Zeit vor dem Ende dieser Periode zuweilen ungefähr den dritten Theil eines
Kreises beschreibt. (Taf. III. Fig. 1.)
Eine Gliederung des Leibes beginnt bald nach der Zeit, in der sich die mit einander ver-
schmolzenen Bauchplatten in eine Reihe von Abschnitten zu theilen angefangen haben. Von
diesen Abschnitten wird nämlich einer nach dem andern, wde sie auf einander folgen, sehr bald
an seiner Aussenfläche mässig stark convex, in Folge wovon dann zwiscben je zweien von ihnen
eine seichte und mässig breite Querfurche entsteht. Wenn sich späterhin die muskulösen
Halbgürtel gebildet haben und immer w'eiter gegen die Rückenseite des Leibes hin ausbreiten,
sich gleichzeitig auch eine Hautbedeckung entwickelt, dann nehmen diese Querfurchen nicht
nur an Tiefe, sondern auch bedeutend an Länge zu. Die in der Entwickelung begriffene Haut-
bedeckung schlägt dann auf der Grenze je zweier muskulösen Halbgürteln eine mässig tiefe
Falte, die mit den letzteren immer länger wird (Taf. III. Fig. 12.), bis sie zuletzt eine voll-
ständige Ringfurche darstellt. Ausserdem aber bildet sich auf eine gleiche Weise, und das eben-
falls schon frühe, eine solche Falte auch zwischen dem Kopfe und dem Rumpfe, wodurch diese
beiden Abschnitte äusserlich gegen einander sich abgrenzen.
Demnach entstehen bei den Embryonen der zweiten Entwickelungsperiode auf die an-
gegebene Weise äusserlich eben so viele Ringfurchen , als sich bei ihnen Ganglien des Bauch-
markes und gürtelförmige ^luskeln der Leibeswandung bilden , und zwar in der Richtung von
vorn nach hinten allmählich immer eine nach der andern. Ausser diesen Ringfurchen bilden
sich nach der Mitte der zweiten Periode in grösserer Zahl aber noch andere, nur dass diese
meistens eine etwas geringere Tiefe erhalten. Dieselben entstehen dann, wenn sich die noch in
der ersten Entwickelung begriffenen gürtelförmigen Muskeln in bandartige Streifen theilen, und
zw'ar dadurch, dass sich die Hautbedeckung zwischen je zweien solchen Theilen faltenartig ein
wenig einschlägt. Auch hier bilden sich die vordersten Falten zuerst, die hintersten aber zu-
Zxceite Periode des Fi'uchtlebexis.
43
letzt, und ebenso nimmt auch hier eine jede ihren ersten Ursprung an der Bauchfläche, von der
sie dann immer weiter nach der Mittellinie des Rückens emporsteigt.
§• 26.
Von dem Darmkanal lässt sich bei dem Beginn der zweiten Periode nur ein kleiner
Theil erkennen, derjenige nämlich, welcher sich in dem Kopfe befindet. Durch die ganze
Länge desselben hinlaufend, erscheint er anfangs unter der Form eines Trichters ( Taf. II.
Fig. 3.), der nur aus einer einfachen Lage von Zellen besteht und auf seiner innern Fläche mit
Flimmerhaaren besetzt ist. Gegen die Älitte der Periode verändert derselbe diese Form. Er
verwandelt sich in ein cylindrisches , überall so ziemlich gleich weites Rohr, das (zur Zeit der
Ruhe) nur ganz hinten auf einer kürzern Strecke trichterförmig verengert ist. Die Flimmer-
haare, die dasselbe umkleiden, fallen zw'ar allem Anscheine nach noch etwas früher ab, als die-
jenigen, welche sich an der Oberfläche des Kopfes befinden; dafür aber entwickelt sich an ihm
nach aussen von der einfachen Zellenlage, aus der dasselbe anfänglich allein bestand, eine etwas
dickere Schicht von ringförmigen Muskelfasern. Noch später bildet sich an und aus ihm ein
nach hinten zu in den Rumpf hineingehender Nachwuchs , der eine eBvas dickwandige, wal-
zenförmige Röhre darstellt, und ausser einer Zellenlage gleichfalls eine Muskelschicht erkennen
lässt, die eine ziemliche Dicke besitzt und aus transversalen, wie longitudinalen Fasern besteht.
Dieser nachgewachsene Theil des Darmkanals, über dessen Entstehung und Entwickelung ich
weiterhin (§. 28.) das Nähere angeben werde, kann nunmehr als Speiseröhre oder Schlund,
jener Theil aber, von dem er gleichsam ausgesendet worden ist, als Schlundkopf betrachtet
werden.
Der übrige Theil des Darmkanals, der einen bedeutend grossem Umfang besitzt und
beinahe bis zum Schluss des Fruchtlebens mit einem zur Entwickelung der Embryonen dienli-
chen Nahrungsstoff angefüllt ist, hat Avährend der ganzen zweiten Entwicklungs • Periode eine
so überaus dünne und so durchsichtige Wandung, dass sich diese durch die Wandung des Rum-
pfes hindurch auf keine Weise von dem Nahrungsstoffe, den sie umschliesst, und dem sie allent-
halben dicht anliegt, unterscheiden lässt^ nach dem Oeffnen aber selbst bei solchen Embryonen,
die bis an das Ende der zweiten Periode gelangt sind , nur stückweise und nur schwer erkannt
werden kann. Wann und wie sie entsteht, habe ich nicht ermitteln können: ich vermuthe
aber, dass sie mit dem Schlundkopfe zu derselben Zeit und auch auf eine ähnliche Weise ge-
bildet wird. Wahrscheinlicher Weise entsteht sie schon am Anfänge der zweiten Periode, und
zwar dadurch, dass sich die Embryonalsubstanz des Rumpfes in zwei Schichten scheidet, von
denen sich dann die innere in die Wand des eigentlichen Darmkanals (des spätem Magens und
Mastdarms) umbildet.
Ehe ich nun jedoch anführe, was ich über diese grössere Abtheilung des Darmkanals
hinsichtlich ihrer Entwickelung in der zweiten Periode des Fruchtlebens ermittelt habe, will ich
6*
44
Nejihelis vulgaris.
zuvor ein Näheres über den sie ausfüllenden NahrungsstofF angeben, zumal ihre früheste Form
und deren spätere Veränderung sich allein nach den Umrissen dieser augenfälligen Masse be-
stimmen lässt.
Während sich die Embryonen in der zweiten Periode des Fruchtlebens sehr stark ver-
grössern, nehmen sie durch Schluckbewegungen immer mehr von dem Eiweiss ihres Eies in sich
auf. Sie eignen sich diese Substanz sogar in einer weit grössern Menge an, als sie zunächst zu
ihrer Entwickelung verbrauchen, so dass ihr Rumpf besonders an dem Ende der erwähnten
Periode mit bedeutenden Massen von Nahrungsstoff angefüllt ist. Dass sie aber in der That aus
dem Eie Eiweiss durch den Mund in sich aufnehmen, dafür kann ich als Beweisgründe auffüh-
ren: 1) dass ich bei Embryonen mit kugelrundem Rumpfe und durchsichtigem Kopfe, die ich
mit dem noch grösstentheils halbfesten Eiw’eiss aus dem Ei herausgenommen hatte, während
der^ Schluckbewegungen oftmals einen schon halb aufgelösten Theil jenes Stoffes durch die
Schlundhöhle in den Rumpf eindringen und gleich darauf aus ihm entweder vollständig oder
unvollständig wieder hervorkommen sah ; 2) dass ich solche Embryonen , Avenn ich sie aus dem
Eiweiss herausnehmen wollte, sehr oft an dem noch festen Theil desselben so haftend fand, als
hätten sie daran sich festgesogen, und 3) dass ich noch öfters, wenn ich ein Ei, in dem sich
solche Embryonen befanden, durch Salpetersäure erhärtet hatte, die Schlundhöhle derselben von
einem Fortsatze des erhärteten Eiweisses wie von einem dicht schliessenden Pfropfen, der bis in
den Rumpf hineinreichte, ausgefüllt sah.
Trotzdem nun aber die Embryonen durch den Mund allmählich eine bedeutende
Menge von dem Eiweiss des Eies in sich aufnehmen , lässt der Nahrungsstoff, den sie während
der zweiten Periode in ihrem Rumpfe enthalten, falls sie noch frisch und unverletzt sind, bei
äusserer Untersuchung des Körpers niemals eine Aehnlichkeit mit dem Eiweiss bemerken. Er
scheint durch^veg von einer solchen Beschaffenheit zu sein, wie der Nahrungsdotter der Embry-
onen aus der letzten Zeit der ersten Periode, und von diesem nur insofern abzuweichen , als er
bei seiner Massenzunahme eine etwas stärker gelbliche Färbung angenommen und an Durchsich-
tigkeit immer mehr verloren hat. Wie der Nahrungsdotter jener jüngsten Embryonen, so lässt
derselbe an seiner Oberfläche immer noch eine Zusammensetzung aus lauter kleinen gelblichen
Massentheilen wahimehmen, die an ihrer äussern Fläche ganz gerade und eben erscheinen, eine
völlig gleichartige Beschaffenheit, Avie etAva eine Glasmasse, haben, und eine vielfach Avech-
selnde unregelmässig eckige Form besitzen , so dass sie zusammengenommen das Aussehen eines
Getäfels geAA’ähren. Sobald jedoch der Rumpf eines Embryo’s, zumal eines solchen, der schon
über die Mitte der ZAveiten Periode hinausgelangt war, an einer kleinen Stelle verletzt ist, drin-
gen aus der Wand nicht nur kleine Tropfen derselben klaren und dicklichen Flüssigkeit hervor,
Avelche die Theile des Nahrungsdotters von Embryonen der ersten Periode zusammensetzen,
sondern w’eiter auch Massen einer sehr dickflüssigen, etAvas zähen, nur halbdurchsichtigen
und mehr oder Aveniger gelblichen Substanz, die nicht, Avie jene Tropfen, im Wasser bald
zergeht und dem Auge entschwindet, sondern sich lange darin erhält, obgleich sie durch
Imbibition allmählich einen grössern Umfang erlangt. In der Tiefe des Rumpfes ist übrigens
Ziceite Periode des Fruchtlehens.
45
diese Substanz etwas dünner, als weiter nach aussen hin; denn bei Embryonen ans der letzten
Zeit der zweiten Periode bemerkte ich einige Mal, dass ein Ballen von molekularen Kügelchen,
der in der Gegend der imaginären Körper- Achse lag, bei den willkürlichen Verkürznngen nnd
Verlängerungen der Embryonen , auch dann, wenn diese dabei sich krümmten und streckten,
sich in der Kichtnng der Achse eine ziemlich grosse Strecke vorw'ärts und rückwärts bewegte,
ohne im mindesten nach der einen oder der andern Seite abzuweichen. Noch besser aber und
zuverlässiger kann man erfahren, dass der in dem Embryo vorhandene NahrungsstofF aus zwei
verschiedenen Substanzen besteht, %venn man anf ihn einige Zeit ein Mittel hat einwirken las-
sen, welches, wde verdünnte Salpetersäure, die ich zu diesem Zw'ecke besonders empfehle, die
beiden Substanzen zum Gerinnen bringt und erhärtet. Nach der Anwendung dieses iMittels
findet man den Nahrungsstoff des Embryo’s äusserlich aus vielen sehr dünnen Täfelchen zusam-
mengesetzt, die beinahe ganz durchsichtig sind, fast ein glasartiges Aussehen haben und in
einer einfachen Schicht bei einander liegen, im üebrigen aber und zum grössten Theil aus einer
einzigen und nirgends unterbrochenen iMasse bestehen, welche selbst in dünnen Scheiben weni-
ger durchsichtig ist, als jene Täfelchen, ein ziemlich festes und derbes Gefüge hat und der
Grundsubstanz eines hyalinen Knorpels einigermaassen ähnlich sieht. Bei näherer Untersuchung
erscheint diese Masse als eine fein granulirte Substanz, in der sehr kleine, selten etwas mehr,
als 0,0001” messende und ganz klare Kügelchen zerstreut liegen. Auf den ersten Anblick haben
die Kügelchen ein ähnliches x\ussehen, wie Fettkügelchen, doch zeigen dieselben nur zarte
Umrisse und keine kugelrunde, sondern mitunter ovale oder länglich - ovale Formen. Wahr-
scheinlicher Weise bestanden sie vor der Einwirkung der Salpetersäure aus einer dünnen eiweiss-
artigen Flüssigkeit. Eine ähnliche Veränderung, wie Salpetersäure, bringt in dem Nahrungs-
Stoffe der Embryonen auch Essigsäure hervor, nur wird derselbe, besonders aber sein homogener
innerer Kern dadurch so stark geschwellt, dass er den Rumpf des Embryo’s der Länge nach
zersprengt und mehr oder w^eniger weit daraus hervordringt.
Nach dem Angeführten ist anzunehmen, 1) dass sich das dünnflüssige Eiweiss, welches
die Embryonen während der zweiten Periode ihrer Entwickelung verschlucken, allmählich in der
imaginären Körper- Achse zwischen den Massen theilen des Nahrungsdotters in immer grösserer
Menge anhäuft, und dieselben so auseinander drängt, dass sie nach aussen zu liegen kommen,
und zu dünnen Scheiben sich abplatten, und 2) dass dieses Eiweiss im Innern der Embryonen,
die davon in dem angegebenen Zeitraum nur erst einen kleinen Theil verbrauchen , im Ganzen
eine dickflüssige Beschafienheit und (wahrscheinlich in Folge einer chemischen Veränderung)
auch eine gelbliche Färbung annimmt.
Aber auch die Massentheile des Nahrungsdotters verändern nach dem Beginne der zwei-
ten Entwickelungs- Periode , wenn die Embryonen immer mehr Eiweiss in sich aufnehmen, ihre
Form und Lage. Sie wachsen und vermehren sich in einem solchen Grade, dass sie, wie sehr
sich in den Embryonen das Eiweiss auch anhäufen mag, es dennoch immer in einer nirgends
unterbrochenen Schicht umgeben und verdecken. Bei noch sehr jungen Embryonen, mit kugel-
förmigem Rumpfe, fand ich die grössten dieser Theile , die übrigens sämmtlich schon sehr abge-
46
Nephelis vulgaris.
plattet und sehr dünn waren, 0,0024" lang und 0,00 IS" breit, bei etwas älteren, deren Rumpf
ebenfalls noch kugelförmig war, 0,0113 bis 0,0127" lang und 0,0060 bis 0,0087" breit, und bei
noch ältern , deren Rumpf schon eine langgestreckt -ovale Form angenommen hatte, durch-
schnittlich etwa 0,01 40" lang und 0,01" breit. Das Material zu ihrer Vergrösserung kfinnen sie
selbstverständlich nur aus dem verschluckten und von ihnen aufgenommenen Eiweiss bezogen
haben. Es wird wahrscheinlich von den oben angegebenen kaum messbaren Kügelchen geboten,
die sich in dem verschluckten Eiweisse befinden und der Mehrzahl nach zunächst den ausein-
ander gedrängten Theilen des Nahrungsdotters angehäuft sind. Diese Vermuthung liegt um so
näher, als dieselben allem Anscheine nach aus einer eben solchen Flüssigkeit bestehen, wie die
Theile des Nahrungsdotters.
Was andererseits die Vermehrung dieser Gebilde anbetrilft, so erfolgt dieselbe durch
eine Theilung, wie sich besonders daraus entnehmen lässt, dass die Körperchen späterhin,
wenn ihre Zahl bedeutend grösser geworden ist, wieder einen geringem Eimfang haben, als in
einer frühem Zeit. So fand ich bei Embryonen, bei denen sich eben erst der Saugnapf gebildet
haben konnte, die Durchmesser der grössten von ihnen nur 0,0011 bis 0,0018". Ausserdem
aber erfolgt eine Zunahme ihrer Zahl auch möglicherweise dadurch, dass die ursprünglich kaum
messbaren Kügelchen des verschluckten Eiweisses , die an der Oberfläche desselben am meisten
angehäuft sind, zusamrnenfliessen und sich zu grösseren Massen vereinigen.
Schliesslich wäre über den NahrungsstolF, der in den Embryonen enthalten ist, noch
anzuführen, dass beide Theile desselben, selbst durch die AVandung des Rumpfes hindurch, von
Karminlösung mehr oder weniger roth und sogar dunkel purpurroth gefärbt werden, je nach-
dem diese eine kürzere oder längere Zeit eingewirkt hat.
§. 28.
An der Oberfläche der im Innern der Embryonen befindlichen Nahrungsmasse lassen
sich zuweilen schon vor beginnender Längsstreckung des Rumpfes, nach Erhärten durch Salpeter-
säure oder Chromsäui'e, in den abgelösten Körperorganen einige sehr platte und sehr zarte Zel-
len erkennen, die bis 0,0007" messen. Sie haften dem Nahrungsstoff an und sind allem An-
scheine nach Fetzen einer besondern einfachen Zellen -Lage, die von der eigentlichen Kövper-
w'and verschieden ist. Noch öfters lassen sich dergleichen mehr oder weniger grosse Zellenhaufen
an der Oberfläche des Nahrungsstoffes bei etwas älteren Embryonen erkennen, deren Rumpf
schon langgestreckt - oval geworden ist, vorausgesetzt, dass dieselben durch die angeführten
Mittel vorher erhärtet worden sind. Bei Embryonen, bei denen bereits ein Saugnapf angedeu-
tet, oder in der Entwickelung begriffen ist, kann man zuweilen auch schon ohne solche Alittel
einen grössern oder kleinern Theil eines förmlichen Nahrungsschlauches wahrnehmen. Am
besten gelingt dies dann , wenn bei dem Herausnehmen der Embryonen aus dem Ei die AVan-
dung ihrer Rumpfhöhle irgendwo geplatzt, und der Nahrungsstoff zum Theil dui'ch den Riss
hervorgedrungen ist. So sah ich einige Alal bei solchen Embryonen den grössten Theil des
Ziceite Periode des Fruchtlehens.
47
XahrunasstoiFes , umgeben von einer besondern Hülle , vorfallen und ausserhalb des sich dabei
verkürzenden Leibes eine massig grosse Schlinge bilden. Freilich muss dazu erwähnt werden,
dass die Wandung dieses Schlauches, der sich zu jMagen und Darm ausbilden soll, nicht nur
im Vergleich mit der Wand des Schlundkopfes und der Speiseröhre, sondern auch an und für
sich selbst noch immer sehr dünn , und überdies in Hinsicht ihres Gewebes erst wenig ent-
wickelt ist. Selbst nach dem zweiten Drittel der zweiten Periode lässt dieselbe nur eine Zusam-
mensetzung aus abgeplatteten Zellen erkennen, die nach wie vor bis 0,0007” messen, jetzt aber
ziemlich viele kleine Fettkügelchen enthalten und allem Anscheine nach in zw’ei Lagen über ein-
ander Vorkommen.') Gegen Ende dieser Periode ist seine Wandung zwar gleichfalls noch dünn,
aber dem Gewebe nach schon weiter entwickelt. Statt einer einfachen Zellenlage unterscheidet
man dann eine iMuskelhaut mit longitudinalen und transversalen Fasern, der die Zellen auf
der Innern Fläche aufliegen. Die Fasern sind dünner als die der Leibesw’and, sonst denselben
aber ähnlich. In der tiefem Ringfaserschicht schliessen sie dichter, als in der äussern Lage, die
wiegen der Zwischenräume zwischen ihnen kaum eine zusammenhängende Schicht genannt w'er-
den kann. Die Zellen, die in einer einfachen Schicht dicht gedrängt beisammen liegen, sind
stark abgeplattet und etwas eckig, mit Durchmessern von 0,0004 — 0,0007”. Sie enthalten
einen mässig grossen Kern und eine klare Flüssigkeit, in der einzelne sehr kleine Fettkügel-
chen suspendirt sind.
Die mit dem Nahrungsstolf erfüllte grössere Abtheilung des Darmkanals nimmt unge-
fähr bis zu der Zeit, da aus dem hintern Ende des Embryo’s ein dichter kegelförmiger Fortsatz
als erste Anlage für den Saugnapf hervorwächst, den Raum der Rumpf höhle vollständig ein.
Sie richtet sich während dieser Zeit in ihrer Gestalt nach der Gestalt der Rumpfhöhle, in der
sie enthalten ist, verändert dieselbe also in einer ähnlichen Weise, wie die Leibeswand, und
behält, wie diese, dabei eine ganz ebene Oberfläche. Später wird diese Oberfläche allerdings
uneben, aber erst dann, wenn auch die Leibeswand die frühere Glätte verloren hat. Und dies
geschieht erst kurz vor dem Ende der zweiten Periode dadurch, dass sich an ihrer untern Seite
einige quer gerichtete, in einer Reihe auf einander folgende und meistens etwas geschlängelt
verlaufende Furchen oder vielmehr einwärts gekehrte Falten hervorbilden (Taf. HI. Fig. 3 u.4.),
die links und rechts an Länge immer mehr zunehmen und in der nächsten Periode, nachdem sie
auf die obere Seite des Darmkanals übergegangen sind, zu vollständigen Ringfurchen werden.
Zu den Einfurchungen der Leibeswand stehen dieselben übrigens in keiner Beziehung, wie schon
aus den verschiedenen Zahlenverhältnissen zur Genüge hervorgeht. In der Regel bilden sich
nur 9 bis 12 solche Furchen, aber diese gewinnen dafür jm Verlaufe des Fruchtlebens eine be-
deutende Breite und Tiefe, viel mehr als das jemals an den Furchen der Rumpfwandung der
Fall ist. Wie übrigens von diesen, so entsteht auch von ihnen die vorderste zuerst, und zwar
1) Wenn bei Embryonen aus der letzten Zeit der zweiten Periode ein Theil des Nahrungsstoffes ausge-
tlossen ist, dann findet man darin auch eine Menge von Fettkügelchen. Diese aber gehören nicht dem Nah-
rungsstoffe selbst an , wie man etwa glauben könnte , sondern sind aus verletzten Zellen des Darmkanals und der
Leibeswand hervorgedrungen.
48
Nephelis vulgaris.
in einer nur geringen Entfernung von der Speiseröhre. Die hinterste, die dem Ende des Darm-
kanals angenähert ist, nimmt in der Regel erst in der folgenden Periode ihren Ursprung.
Wie schon angeführt worden , füllt die den Nahrungsstoff verschliessende Abtheilung
des Darmkanals ungefähr bis zu der Mitte der zweiten Periode den Raum der Rumpfhöhle voll-
ständig aus. Auch späterhin lässt sich in dieser Periode noch eben so wenig ein stetiger Zwi-
schenraum zwischen Leibeswand und Darmröhre wahrnehmen. Trotzdem aber sieht man um
diese Zeit in lebenskräftigen Embryonen zuweilen hier und da in der Peripherie des Darmes
einen hellen Raum von verschiedener Grösse, der vielleicht nach einigen Minuten verschwindet
uird offenbar dadurch hervorgebracht ward, dass sich der Darmkanal an der betreffenden Stelle
in längerer oder kürzerer Strecke der Weite nach zusammengezogen und sich dabei von der
Wand der Rumpfhöhle entfernt hatte. Am häufigsten sah ich einen solchen Zwischenraum
(der mitunter eine so bedeutende Grösse erlangte, wie sie auf der Tafel II in der Figur 12 ange-
geben ist) dann entstehen, wenn die aus einem unter Wasser geöffneten Ei herausgenommenen
Embryonen frei in dieser Flüssigkeit zu liegen kamen. Mitunter aber sah ich einen solchen kla-
ren Zwischenraum auch dann in Embryonen eine längere Zeit hindurch abwechselnd entstehen
und wieder verschwinden, wenn sie noch in ihren Eiern enthalten waren. Schon aus diesen
Wahrnehmungen lässt sich erschliessen, dass in den Embryonen, die über die Mitte der zweiten
Entwickelungs- Periode hinausgelangt sind, zwischen der Rumpfwand und dem Darmkanale
ein mit dünner, tropfbarer Flüssigkeit erfüllter Raum vorhanden ist, der für gewöhnlich aber
nur eine so geringe Ausdehnung besitzt, dass die in ihm enthaltene Flüssigkeit den Darmkanal
nur in einer sehr dünnen und deshalb denn auch nicht sichtbaren Schicht umgiebt. Für das
Vorhandensein einer Flüssigkeit im Umkreise des eigentlichen Darmes kann ich auch ausserdem
noch den Umstand anführen, dass ich in lebenden, über die Mitte der zweiten Periode hinaus
gelangten Embryonen bei abwechselnden Verkürzungen und Verlängerungen des Leibes einige
Mal unter dem Rücken ein kleines Kügelchen oder ein Paar dergleichen Kügelchen, die mir
zufällig abgetrennte Zellenkerne zu sein schienen , eine lange Strecke habe vorwärts und rück-
wärts fortschiessen sehen. Da diese Bewegung keineswegs immer in derselben Bahn vor sich
ging , vielmehr oftmals bald nach rechts, bald auch nach links unregelmässig abwich , konnte
kaum der Verdacht entstehen, dass dieselbe in einem Blutgefässe stattfinde, und zwar um so
weniger, als bei unseren Embryonen unter dem Rücken überhaupt keine nach der Länge des
Körpers verlaufenden Blutgefässe Vorkommen.
Wenn zwischen der Leibeswand und dem Darmkanal irgendwo auf einige Zeit ein
grösserer Zwischenraum entstanden ist, dann wird darin beständig auch eine Anzahl von zarten
F'asern sichtbar, die in mässiger Entfernung von einander zwischen beiden Flächen ausgespannt
sind. Wo sich diese Fasern an die Darmwand ansetzen, da bildet die letztere einen kleinen und
kurzen Vorsprung, der bei dem Verschwinden des angeführten Raumes gleichfalls wiederum
vergeht, mithin nur durch den Widerstand, welchen die in Spannung versetzte Faser leistete,
bewirkt worden und für eine an dem Darmkanal erfolgte Ausbuchtung zu halten ist. Uebrigens
entbehren die Fasern ebensowenig der Elasticität, wie auch, allem Anscheine nach, der selbst-
Zioeite Periode des Fruchtlehens.
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ständigen Contractilität. Die Art ihrer Anheftung betreffend , so konnte ich mich bei Embryo-
nen aus der letzten Zeit der zweiten Periode, wenn dieselben durch Salpetersäure erhärtet und
darauf geöffnet waren , namentlich an dem Darmkanale mit aller Bestimmtheit davon überzeu-
gen, dass sie sich am Ende in eine Anzahl massig langer Zweige auflösten und mittelst derselben
zwischen den Elementen der anliegenden Gewebe förmlich Wurzel fassten.
Die mit dem Nahrungsstoff erfüllte Abtheilung des Darmkanals nimmt übrigens nicht
in demselben Grade, wie der Rumpf, der sie enthält, sondern in einem geringem, an Länge
zu. In Folge davon entfernt sie sich allmählich von der im Innern des Kopfes gelegenen zweiten
Abtheilung, die nach vollendeter Entwickelung des Körpers als ein Schlundkopf zu betrachten
ist. Es schiebt sich zwischen beide ein neuer Kanal ein, der sich als einen Schlund oder eine
Speiseröhre darstellt und gleich von Anfang an eine beträchtlich dicke Wand mit quer und
längs verlaufenden Muskelfasern hat. Anfangs nur kurz, verlängert sich dieser Kanal gegen Ende
der zweiten Periode und noch mehr später um ein sehr Bedeutendes. (Taf. III. Fig. 1 bis 8.)
Anfangs, wenn derselbe nur erst eine geringe Länge hat, liegt unter ihm das sogenannte vor-
derste Ganglion des Bauchmarkes, das jedoch aus drei in einem innigen Zusammenhänge ge-
bliebenen Ganglien zusammengesetzt ist (Taf. III. Fig. 4.). Wenn er aber später an Länge
zunimmt, kommt von den nächstfolgenden Ganglien eines nach dem andern unter ihm zu
liegen (Taf. IV. Fig. 5.), bis sich die Zahl derselben bei den reifen Embryonen, die das Ei
verlassen, auf 7 bis 8 vermehrt hat. (Taf. lY. Fig. 8.) Gleichzeitig wird die vordere Hälfte des
Rumpfes, die bis dahin noch die dickste war, mit dem fortschreitenden Wachsthume der Speise-
röhre allmählich immer dünner (Taf. III. Fig. l bis 8.), bis sie nach einiger Zeit, und noch
vordem Ende des Fruchtlebens, soweit sie die Speiseröhre in sich einschliesst, ^vie ein nach
vorn verjüngter Hals erscheint.
Der After, der bei der Nephelis sehr klein bleibt, entsteht bei ihr zwar in der zweiten
Periode des Fruchtlebens, wahrscheinlich aber erst um die Mitte derselben. Ganz deutlich habe
ich ihn nur einmal bei einem Embryo aus dieser Periode gesehen. Derselbe besass bereits eine
Andeutung des Saugnapfes unter der Form des oben beschriebenen kegelförmigen Zapfens. Wie
bei andern nicht zu den Hirudineen gehörigen Würmern, so bildet sich der After auch hier ganz
am hintern Ende der Leibeshöhle. Da aber bei Nephelis die Bauchwand einen über das hintere
Ende der Leibeshöhle hinausgehenden Fortsatz aussendet, der sich zu der hintern Hälfte des
Saugnapfes entwickelt, und dieser Napf eine ansehnliche Grösse erlangt, auch zuweilen mit
seiner concaven Seite ganz nach hinten gerichtet ist, so wird dadurch der Schein hervorgebracht,
als wäre bei ihr der After an der Rückenseite des Leibes entstanden. (Taf. III. Fig. 8 )
§. 29.
Das Gehirn, das in dem Kopfe ungefähr gleich weit von dessen Enden entsteht, er-
schien mir, als ich es zuerst gewahr werden konnte ( w'as bei noch sehr jungen Embryonen mit
einem ziemlich kugelrunden Rumpfe der Fall war) unter der Form eines Halbgürtels oder Bo-
Rathke, Kntwicklung der Hirudineen. 7
öO
Nephelis vulgaris.
gens, der auf der obern Seite des Schlundkopfes lag, allenthalben eine gleiche und im Verhält-
niss zu seiner Länge ziemlich grosse Breite und Dicke hatte, und an seinen Enden abgerundet
^var. Die rundlich- eckigen Zellen, welche denselben bildeten, waren nur in mässiger Menge
vorhanden und in zweien Schichten über einander gelegen. Bei Embryonen, die schon eine viel
bedeutendere Grosse erlangt hatten , aber noch immer einen kugelförmigen Rumpf besassen,
kam statt eines solchen Bogens ein offener und aus kleinen rundlich -eckigen Zellen bestehender
Ring vor, der den Schlundkopf von oben her umfasste, an demselben rechts und links eine
schräge Richtung von oben nach unten und hinten hatte, und mit seinen mässig weit von ein-
ander abstehenden Enden in die ungefähr dreimal breiteren Bauchplatten überging. Der mitt-
lere oder ursprünglich vorhandene und auf dem Schlundkopfe liegende Theil dieses Ringes war
verhältnissmässig etwas breiter, als bei den Jüngern Embryonen, und von oben etwas abgeplat-
tet. Die seitlichen Theile desselben, die erst später sich gebildet hatten, waren dagegen strang-
förmig, etwas dünner, als jener mittlere, und ungefähr dreimal dünner, als die Bauchplatten
in der Nähe ihres vordem Endes.
Wie die Untersuchungen noch älterer Embryonen ergaben, nimmt der mittlere Theil
des beschriebenen Ringes, der sich zum Gehirn entwickelt, in dem weitern Verlaufe der zweiten
Periode des Fruchtlebens eine solche Form an, dass er gegen Ende derselben ein Paar unregel-
mässig ovale oder länglich -bimförmige Massen darstellt, die mit ihrer Achse quer gelagert sind,
unter einander an ihrem dickem Ende Zusammenhängen und hauptsächlich aus Gehirnkugeln
bestehen. (Taf. III. Fig. 5.) Die seitlichen Theile des Ringes , die sich zu einem Paar Com-
missuren für die Verbindung des Gehirns mit dem Bauchmark entvvickeln , nehmen viel weni-
ger, als dieser mittlere Theil an Dicke zu, und bestehen am Ende der zweiten Periode schon
beinahe gänzlich aus Nervenfasern.
Die Augen entstehen erst in der folgenden Periode, oder werden doch erst in ihr er-
kennbar.
§. 30.
Blutgefässe beginnen sich bei der Nephelis schon sehr frühe zu bilden. Sie entstehen
unter der Form von überaus zarthäutigen Kanälen, deren Wandungen eine mässige Anzahl mehr
oder minder weit auseinander liegender Reste von Zellenkernen enthalten. Am frühesten lassen
sie sich am Rumpfe auffinden, in dem sie ohne Zweifel auch zuerst entstehen. Ihr Inhalt aber
bleibt noch während der ganzen zweiten Periode des Fruchtlebens völlig klar und farblos, wes-
halb es denn auch kaum möglich ist, sich bei den Embryonen dieser Periode eine genaue Kennt-
niss von der Zusammensetzung des von ihnen gebildeten Systemes zu verschaffen. Es ist immer
nur ein kleiner, oder doch nur mässig grosser Theil dieses Systems, der dem Beobachter zu Ge-
sicht kommt.
Soll ich die Wahrnehmungen angeben, welche ich über die Entwickelung dieses Sy-
stems gemacht habe, so kann ich folgendes sagen.
Bei Embryonen mit noch kugelförmigem Rumpfe sah ich mehrmals ein der innern
Zxoeite Periode des Fruchtlehens .
5 1
Fläche der Leibeswand jederseits dicht anliegendes und damit innig zusammenhängendes Gefäss,
das in der Nähe des Kopfes oberhalb der Bauchplatten mit zwei einfachen Aesten begann, und
in seinem Verlauf immer weiter nach unten herabstieg, bis es in die Nähe der Bauchplatten ge-
langt war. Vor den kolossalen Zellen der Hinterleibswand angekommen, bog es nach oben und
vorn auf die Rückseite des Körpers, auf der es, fortwährend sich verdünnend, bis etwa zur
Mitte hinlief, um sich dann endlich den weiteren IJeobachtungen zu entziehen. Auch bei älte-
ren Embryonen, deren Rumpf schon langgestreckt -oval war, fand ich jederseits nur ein solches
ziemlich einfaches Gefäss. Es bildete eine Schlinge mit ungleich langen Schenkeln, deren Bogen
in der Nähe der kolossalen Zellen lag, während der längere Schenkel in einiger Entfernung
über den Bauchplatten emporstieg, der kürzere Schenkel aber nach vorn und oben gegen den
Rücken gekehrt war. Bei solchen Embryonen, die bereits die Mitte der zweiten Periode passirt
hatten, beobachtete ich jederseits in mässig grosser Entfernung von der Bauchseite des Körpers
einen besondern Gefässstamm, der sich durch die ganze Länge des Rumpfes erstreckte, nach
vorn und hinten verjüngt auslief, und sowohl nach der Rückenseite, als auch nach der Bauch-
seite, besonders aber nach der erstem, mehrere stark geschlängelte Aeste aussendete. Ich ver-
muthe, dass von dem schlingenformigen Gefäss, welches bei den jüngern Embryonen jederseits
vorkam, der längere oder untere Schenkel sich zudem hier beschriebeneji Stamme entwickelt
hat, während der kürzere Schenkel wahrscheinlicher Weise zu dem hintersten obern Ast des
Stammes geworden ist.
Von den Aesten , welche bei diesen älteren Embryonen die beiden seitlichen Stämme
nach oben hin abgaben, waren einige nicht fest, wie die übrigen, an die Leibeswand angeheftet,
sondern grösstentheils lose zwischen ihr und dem Darmkanale gelegen. Wahrscheinlich waren
dieses solche Zweige, die sich zu dem Darmkanale begaben, um in ihm sich zu verbreiten,
denn einige Mal sah ich bei älteren Embryonen aus der zweiten Periode, die sich öfters stark ver-
kürzten und verlängerten, nicht bloss die Leibeswand an dem Darmkanale hin- und hergleiten,
sondern auch einen oder zwei derartige Gefäss -Aeste zwischen dem Darmkanale und der Wan-
dung der Rumpfhühle so sich hin und her bewegen oder vielmehr umwenden, dass der davon
gebildete Bogen bald nach vorn , bald auch nach hinten gekehrt war.
Ein Bauchgefäss fand ich erst bei Embryonen aus der letzten Zeit der zweiten Periode,
doch selbst bei diesen nur ein paar Male und noch auf einer sehr niedern Stufe der Ausbildung.
Es erschien dasselbe als ein sehr zarter Kanal, der unterhalb des Bauchmarkes hinlief und an
Dicke sehr beträchtlich dahinter zurückstand. Ein Zusammenhang mit den Seitenstämmen des
Gefässsystems liess sich noch nicht erkennen, vielleicht nur deshalb, weil die Verbindungs-
äste zwischen beiden noch überaus zart waren. In Betreff seiner Entstehung muss ich nach
meinen Ifeobachtungen annehmen, dass es sich viel später, als die beiden Seitenstämme des Ge-
fässsystems zu bilden beginnt.
52
Nephelis vulgaris.
§• 31.
Während der Rumpf der Embryonen dem Umfange und der Masse nach ein immer
grösseres Uebergew ich t überden Kopf erhält, gehen die drehenden, durch die Flimmerhaare
des letztem bewirkten Bewegungen in dem Eie immer langsamer vor sich, bis sie nach einiger
Zeit ganz aufhoren, obgleich jene Haare erst viel später abfallen. Embiyonen , deren Rumpf
bereits die Form einer Kugel angenommen hatte, habe ich Aveder in ihrem Eie, noch auch nach
der Herausnahme aus demselben, im Wasser, drehende BeAvegungen mehr ausführen sehen, aa cü
die Flimmerhaare ihres Kopfes, die noch immer lebhaft schAvangen, nicht mehr im Stande
Avaren, den Körper in BeAvegung zu setzen. So Avenigstens in dem Falle, dass die Embryonen
unversehrt Avaren. Wenn aber nach einer zufälligen Verletzung der im Innern des Körpers ent-
haltene Nahrungsstoff gross tentheils ausgetreten ist, und sich die Wandung des Rumpfes, Avas
dabei zu geschehen pflegt, auf einen kleinern Raum zusammen gezogen hat, dann geschieht es
zuAveilen (auch noch bei älteren Embryonen mit ovalem Rumpfe), dass die drehenden Bewe-
gungen wieder ihren Anfang nehmen.
Bald nachdem die Embryonen in die ZAAeite Periode des Fruchtlebens gelangt sind,
lassen sie ausser den SchluckbeAvegungen , die der Kopf ausführt , auch am Rumpfe BeAvegun-
gen AA^ahrnehmen, und zwar zuweilen, doch nur selten, schon innerhalb des Eies, öfters hin-
gegen, Avenn sie aus demselben herausgenommen und in Wasser gelegt Avorden sind. Diese
Bewegungen bestehen darin , dass sich der Rumpf an einer Stelle der Länge nach zusammen-
zieht und Avieder ausdehnt, oder sich auch im Ganzen verkürzt und Avieder A'^erlängert. Aeltere
Embryonen , die schon eine längliche Form angenommen und sich an dem Rücken zusammen-
gekrümmt haben, biegen sich zuAveilen noch stärker zusammen, um sich dann später Avieder
zu strecken, bis sie in ihre frühere Krümmung zurückkehren. Auch ziehen sich solche Embry-
onen, nach dem Herausnehmen aus dem Ei, zuAveilen an einer Stelle des Körpers der Quere
nach zusammen.
Was diese Bewegungen besonders interessant macht, ist der Umstand, dass mehrere
derselben, Avie namentlich die SchluckbeAvegungen und die Contractionen, welche zuAveilen an
dem Aveitern Theile des Darmkanals stattfinden, schon zu solchen Zeiten erfolgen, in denen sich
in den betreffenden Körpertheilen statt der spätem Muskelfasern einstAveilen noch blos ele-
mentare Zellen vorfinden. Es ist das ein neuer BeAveis, dass in Thieren, Avelche bei ihrer Ent-
Avickelung allmählich mit IMuskelfasern ausgestattet Averden , in einer sehr frühen Zeit des Le-
bens die elementaren oder primitiven Zellen ganz ähnliche Bewegungen zu beAvirken vermögen,
Avie später die daraus entstandenen Muskelfasern.
Dritte Periode des Fruchtlehens.
53
Dritte Periode des Friiclitlebeiis.
§• 32.
In dieser längsten Periode des Fruchtlebens verändert sich die Gestalt des Embryo der-
art, dass er seinen Eltern immer ähnlicher wird. Zur Zeit seiner Geburt hat er bereits voll-
ständig die Formverhältnisse derselben angenommen. Seine Grösse beträgt um diese Zeit meist
2 Linien. Eine der wichtigsten Formveränderungen dieser Zeitperiode besteht darin, dass die
obere Wandung des Kopfes eine mässig grosse Strecke über die bisher nach vorn gekehrte Mund-
üfFnung hinaus wächst, und dadurch eine Oberlippe bildet, die ungefähr die Form eines schma-
len Schirmes hat, der in der Mitte am dicksten und nach unten meist etwas rinnenförmig zu-
sararaengerollt ist. Ein wenig später, als die Oberlippe, wird die um Vieles kleinere Unterlippe
gebildet, und zwar dadurch, dass sich der untere Rand der Mundöffnung verdickt und in einen
Wulst verwandelt, der sich mit seinen Enden an die Oberlippe anschliesst, mit derselben einen
ungleich breiten Ring zusammensetzend. (Taf. IV. Fig. 4 von unten, Fig. 5 im Profil gesehen.)
Der Rumpf, der in Hinsicht seines Umfanges ein immer bedeutenderes Uebergewicht
über den Kopf gewinnt, wächst unter bedeutender Grössen - ^nahme besonders in die Länge,
weshalb er denn auch allmählich eine schlankere Form annimmt, und zwar um so mehr, als der
Embryo in der letztem Hälfte dieser Periode den Nahrungsstoff, den er in seinem Darmkanal
enthält, allmählich zu seiner weitern Entwickelung aufbraucht. Nachdem er schon in der vori-
gen Periode eine Aehnlichkeit mit einer Walze angenommen hatte, wird er nunmehr von der
Bauch - und der Rückseite ziemlich stark abgeflacht, an der rechten und linken Seite aber unter
zunehmender Verdickung seiner Wandung beinahe scharfkantig. Auch bildet sich jetzt an ihm.
die Gliederung oder Ringelung, welche eine Nephelis erhalten soll, vollständig aus, indem
zwischen den Ringfurchen , die bereits entstanden waren , noch neue entstehen. Den Rumpf
der reifen Embryonen findet man immer schon in eine grosse Menge sehr kurzer Glieder abge-
theilt.
§. 33.
Die obere und die seitlichen Wandungen des Rumpfes, die noch an dem Ende der
vorigen Periode viel dünner, als die Bauchwand waren, nehmen in dem weitern Verlaufe des
Fruchtlebens so rasch an Dicke zu, dass sie derselben schon nach kurzer Zeit gleichkommen.
Und dabei bleibt es nicht einmal stehen, indem sämmtliche AVandungen fortwährend wachsen,
bis sie die Dicke der Kopfwand allmählich übei treffen.
Diese bedeutende Dicken - Zunahme beruht hauptsächlich auf der weitern Ausbildung
jener beiden Muskelschichten, die wir früher darin haben entstehen sehen, und wird dadurch
vermittelt, dass die Fasern dieser beiden Schichten , also die quer verlaufenden oberflächlichen
und die nach der Länge des Körpers verlaufenden tiefem, nicht nur zahlreicher, sondern auch
54
Nej)helis vulgaris.
etwas dicker werden. Vorzüglich gilt dies von der letztem oder tiefem Schicht, die noch am
Ende der vorigen Periode viel dünner, als die andre, und überhaupt nur überaus dünn w'ar
(§. 24.), jetzt aber besonders durch eine sehr bedeutende Zunahme ihrer Fasermenge etwas dicker,
als die äussere wird. Eine dritte, zwischen beiden in der Mitte befindliche, mässig dicke Schicht
von [Muskelfasern, die ich bei erwachsenen Exemplaren bemerkt habe, und deren Fasern in jeder
Seitenhälfte einen schrägen Verlauf nach einer und derselben E-ichtung haben, entsteht erst
später, als jene beiden , wahrscheinlich sogar erst nach dem Ende des Fruchtlebens. Der bis
dahin muskellose Saugnapf versieht sich während dieser dritten Periode gleichfalls mit einer
Muskulatur. Er bildet theils ringförmige und concentrische, theils auch strahlenförmige, von
einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte ausgehende Fasern, die schon nach kurzer Zeit derart
erstarken, dass sich die Embryonen aus der zweiten Hälfte dieser Periode nach der Heraus-
nahme aus dem Ei bereits mit ihrer Hülfe an fremden Gegenständen befestigen. Auch die Lip-
pen lassen bereits frühe eine Muskulatur erkennen. Dieselbe besteht, namentlich in der Ober-
lippe, aus concentrisch gelagerten halbringförmigen Fasern, so wie aus fächerförmig ausgebreite-
ten, die von hinten nach vorn verlaufen und als Fortsetzungen der Faserbündel zu betrach-
ten sind, welche in der Rückenwandung der Leibeshöhle nach der Länge derselben ihren Ver-
lauf machen.
Die Cuticula nimmt mit der darunter gelegenen Zellenlage, die sie erzeugt hat, im Ver-
hältniss zu den beiden Muskelschichten der Leibeswandung nur wenig an Dicke zu. Sie erhält
auch weder im Verlaufe des Fruchtlebens, noch sonst später eine solche zarte Streifung oder
Furchung, wie bei manchen andern freilebenden Würmern, sondern bleibt an ihrer Oberfläche
stets glatt und entbehrt deshalb denn auch der Fähigkeit des Irisirens. Die Zellen , welche
unter ihr hinziehen, behalten die frühere einfache Schichtung und verwandeln sich durch Abplat-
tung in rundlich- eckige Täfelchen, die bei den reifen Embryonen meistens bis 0,0006", selten
bis 0,0007" im Durchmesser haben. Die Pigmentirung entwickelt sich erst nach der Geburt.
Wenn die Embryonen das Ei verlassen, ist der Inhalt dieser Zellen noch farblos, klar und durch-
sichtig, von gallertartiger Beschaflenheit. Die dunkelrandigen Kerne, die eine verhältniss-
mässig sehr ansehnliche Grösse besitzen und gleichfalls ganz klar sind, werden der Mehrzahl
nach oval oder elliptisch, und scheinen, vermuthlich in Folge der Abplattung ihrer Zellen, gegen
Ende des Fruchtlebens so stark durch die äusseren Bedeckungen der Körperwand hindurch, dass
diese dadurch das Aussehen gewinnen, als wäre ihre ganze Oberfläche mit einer grossen Menge
sehr kleiner und nahe bei einander stehender warzenartiger Erhöhungen besetzt. Dass es sich
hierbei aber blos um eine optische Täuschung handelt, geht schon daraus hervor, dass die An-
w'endung von Mitteln, welche den Inhalt der Zellen zum Gerinnen bringen und ihnen ihre
Durchsichtigkeit benehmen, diesen Schein von vorhandenen Wärzchen der Hautbedeckung
völlig aufhebt.
Unter diesen subcuticularen Zellen findet man bei den ausgewachsenen Embryonen an
bestimmten Körperstellen noch andere grössere (bis 0,0009" grosse) Zellen von rundlicher Form
und feinkörnigem Aussehen, die aller Wahrscheinlichkeit nach zur Schleimabsonderung dienen,
Dritte Periode des Frtcchtlehens.
obwohl es mir nicht gelingen wollte, daran einen Ausführungsgang zu beobachten. Zu diesen
Stellen rechne ich namentlich die Oberlippe und die concave Fläche des Saugnapfes, w.p man
auch bei den erwachsenen Thieren secretorische Zellen von ansehnlicher Grösse (0,002" und
darüber) antrifft.
Etwas zweifelhafter ist mir die Natur zweier Zellenreihen, die sich an der äussern und
innern Seite der beiden Seitengefässe vorfinden und besonders in der hintern Körperhälfte aus-
gebildet (0,006") sind, nach vorn aber immer kleiner werden, und in einiger Entfernung hinter
dem Kopfe gänzlich schwinden. Sie besitzen ein helles Aussehen und einen deutlich durch die
Wand hindurchschimmernden, ziemlich grossen Kern. Aehnliche Zellen liegen in einer noch
grösser!! Tiefe jederseits neben dem Magen, der Speiseröhre und dem Darm gleichfalls in ein-
facher Reihe. Man sieht an ihnen oftmals eine ovale Form und einen doppelten oder bisquit-
förmigen Kern, Eigenschaften, die auf einen regen Theilungsprocess hindeuten.
Die Pigmentirung des Körpers beginnt einige Tage nach der Geburt und zwar zunächst
an Rücken - und Bauchfläche. Die hier gelegenen Hautzellen beginnen eine molekulare Masse
von gelblich -brauner Färbung in sich abzulagern und in immer grösserer Menge anzuhäufen.
Später entwickeln sich zwischen den braunen auch schwarze Pigmentzellen von mehr oder
minder zackigem oder strahligem Aussehen.
§. 34.
Der in dem Kopfe gelegene Theil des Darmkanals behält die Form bei, die er in der
vorigen Periode erlangt hatte, nimmt auch an Länge, wie überhaupt an Umfang, nur sehr
massig zu und stellt einen muskulösen Schlundkopf dar, der selbst nach Beendigung des
Fruchtlebens nur eine sehr mässig dicke Wandung und im Verhältniss zu dem Umfange des
ganzen Körpers nur eine geringe Grösse hat. Dagegen aber verlängert sich die Speiseröhre sehr
bedeutend, und bis zu einem solchen Grade, dass sie bei reifen Embryonen über die 7 oder 8
vorderen Ganglien des Bauchmarkes hinausreicht. (Taf. IV. Fig. 8.) Sie verwandelt sich in
einen ansehnlich langen und geraden, walzenförmigen Kanal (Taf. IV. Fig. 1 und 2.), der im
Verhältniss zu seiner Länge ziemlich dick ist. Namentlich gilt dies von dem hintern Ende,
mit Ausnahme der Uebergangsstelle in den Magen, die eine mehr oder minder starke Ein-
schnürung zeigt. Diese Dicke kommt übrigens hauptsächlich auf Rechnung der Muskelhaut, die
aus einer ansehnlichen Lage dicht gedrängter Ringfasern besteht, an deren Innenfläche zahl-
reiche Stränge longitudinaler Faseim hinlaufen. Die Schleimhaut der Speiseröhre zeigt eine
einfache Schicht polygonaler, mässig abgeplatteter Zellen , und eine Cuticula, die durch fort-
gesetzte Verdickung allmählich eine ziemlich grosse Festigkeit angenommen hat.
Kurz nach der Entwickelung der Speiseröhre erhebt sich die Innenfläche derselben zu
drei Längsleisten von nicht unansehnlicher Dicke , die in einen ziemlich scharfen Rand auslau-
fen , also die Form von dreiseitigen Prismen besitzen , und in gleichen Entfernungen von einan-
der derart angeordnet sind, dass die eine der untern, die beiden andern aber der obern Seiten-
56
NejyJielis vulgaris.
fläche aufsitzen. Nachdem sie mit der Röhre, der sie angehören, an Länge und Stärke eine Zeit-
lang zygenommen haben , erkennt man deutlich , dass sie nicht etwa blosse faltenförniige Erhe-
bungen der Schleimhaut darstellen, sondern auch einen Strang von longitudinalen Muskel-
fasern in sich einschliessen. In der Ruhe liegen diese drei Leisten mit ihren Seitenflächen und
ihren Kanten so dicht neben einander, dass das Lumen der Speiseröhre in ganzer Länge da-
durch dicht geschlossen wird.*) Allerdings erkennt man durch die durchsichtigen Körperdecken
einen dunkeln Längsstreifen, der in der Achse der Speiseröhre hinläuft, allein dieser Streifen be-
zeichnet nur die Stelle, wo die freien Kanten der drei Leisten auf einander stossen.
Die andere oder grössere, mit Nahrungsstoff erfüllte Abtheilung des Darmkanals wird
in der dritten Periode, während sie immer mehr an Länge zunimmt, zwar nicht wirklich, doch
aber scheinbar, d. h. im Verhältniss zu ihrer Länge, allmählich enger. Dabei scheidet sie sich
in zwei an Länge und Weite sehr ungleiche Abschnitte, von denen sich der grössere zu einem
Magen, der um Vieles kleinere und auf jenen folgende zu einem Darm entwickelt. (Taf. IV.
Fig. 1 und 2.)
Die Entwickelung des Magens anbelangend, so werden die fast ringförmigen Furchen,
die am Darmkanale schon in der vorigen Periode entstanden waren, in kurzer Zeit völlig ring-
förmig und darauf allmählich auch, besonders rechts und links, bedeutend tiefer. Auf solche
Weise entstehen an dem Magen zwei Reihen von dicken und ziemlich tiefen Taschen, die ein-
ander paarweise gegenüber liegen und in 10 bis 13 Paaren Vorkommen. Die mittleren dieser
Taschen erreichen einen ziemlich grossen Umfang. Nächst ihnen sind es die des vordersten
Paares oder der zwei vordersten, so wie auch die der zw'ei oder drei hinteren Paare, die sich am
stärksten entwickeln. Anfänglich haben alle diese Taschen eine einfache, wenn auch etwas
verschiedene Form; nach einiger Zeit aber wird in der Regel eine jede durch eine an ihr von
oben nach unten herablaufende, mässig tiefe Furche unvollständig in zwei Hälften getheilt, von
denen übrigens gewöhnlich die hintere, mitunter auch die vordere schmäler und kleiner ist, als
die andere. Bisweilen, allem Anscheine nach aber nur ausnahmsweise, geschieht es auch, dass
sich an einigen Taschen zwei solche Furchen bilden. Sobald die Taschen einmal ihre zusammen-
gesetzte Form erlangt haben, sistirt ihr Wachsthum, das überhaupt nur mässig ist und nur so
lange andauert, als der im Darmkanale befindliche Nahrungsstoff, von dem auch sie einen Theil
enthalten, durch fortgesetztes Verschlucken von Eiweiss noch vergrössert Avird. Gegen das
Ende des Fruchtlebens, wenn dieser Nahrungsstoff’ keine Zufuhr mehr erhält und nach und nach
A'erhraucht wird, AA’erden die Taschen sogar allmählich Avieder kleiner, mitunter selbst bis zum
völligen SchAvunde. Bei neugebornen Embryonen trifft man meist Aveniger als 10 Paar Ma-
gentaschen und diese nur von unbedeutender Grösse. Es giebt auch Exemplare, bei denen die
Taschen gänzlich fehlen, und der Magen dann nur eine Anzahl von 10 — 13 Kammern zeigt,
die durch mässig starke ringförmige Einschnürungen gegen einander abgegrenzt sind und von
denen mit Ausnahme der hintersten, oder der zAA^ei bis drei hintersten, die zugleich die klein-
J) Bei der erwachsenen Nephelis lässt sich diese bisher übersehene Bildung gleichfalls nachweisen.
Dritte Periode des Fruchtlehens.
57
sten sind, eine jede ungefähr in ihrer Mitte eine seichte Eingfurche bemerken lässt. Später
werden auch die zwischen diesen Kammern befindlichen Einschnürungen immer schwächer, die
Kammern aber in der Mitte ein wenig weiter, als an den Enden, und überhaupt mehr tonnen-
förmig. Bei erwachsenen Exemplaren lässt der Magen eine solche Kammerung übrigens nur
dann erkennen, wenn er sich der Länge nach zusammengezogen hat.
Nach dem Angeführten entstehen also bei der Neplielis an dem Magen zwei Reihen
eben solcher, nur anders geformter Taschen, wie bei den Würmern der Gattungen Hirudo
und Haemoins. Während diese Gebilde bei der letztem aber bestehen bleiben und an dem
Wachsthum des Körpers Theil nehmen, gehen sie bei Neplielis mit dem Ende des Eilebens all-
mählich wieder verloren. Es ist daher anzunehmen, dass die Wandungen des Magens bei den
Embryonen Aex Neplielis nur zu dem Zweck mehrfach eingefaltet, und die Taschen ausgebuchtet
werden, damit sie für die Resorption des Nahrungsstoffes eine grössere Fläehe erhielten.
Der nur sehr kurze und anfangs, wie der Magen, mit Nahrungsstoff erfüllte Abschnitt
des Darmkanals, welcher sich zum Darm entwickeln soll, wird nachher, wenn in ihm der
Nahrungsstoff schwindet, allmählich enger. Bei reifen Embryonen stellt er einen geraden, bald
tonnenförmigen, bald auch von vorn nach hinten allmählich etwas verjüngten Kanal dar, der
um Vieles kürzer ist, als der Magen oder als die Speiseröhre, und diese unbedeutende Länge
auch beständig beibehält.
Der After, der schon in der vorigen Periode entstanden w'ar (§. 29.), anfangs aber
wegen seiner sehr geringen Grösse nur selten aufgefunden werden konnte, wird jetzt in der
dritten Periode immer deutlicher erkennbar.
Was die Wandungen des Magens und des Darmes anbetrifft, so erlangen diese niemals
eine so bedeutende Dicke, wie die der Speiseröhre. Dass sich auf der Grenze des Magens und
der Speiseröhre äusserlich eine schwache ringförmige Einschnürung bildet, ist schon oben er-
wähnt worden. Dieser Einschnürung aber entspricht im Innern eine mässig breite, ringförmige
Klappe, die nach hinten gerichtet ist und durch diese ihre Richtung verhindert, dass der Inhalt
des Magens in die Speiseröhre Übertritt. Bei ältern Embryonen lässt sich diese Bildung besonders
deutlich dann wahrnehmen, wenn die Thiere mit einem Glasplättchen beschwert sind, dessen
Last dann einen Theil des Magen -Inhaltes in die Speiseröhre hinübertreibt. Eine ähnliche, aber
kleinere Klappe kommt bei reifem Embryonen und bei jungen Exemplaren allem Anscheine nach
auch zwischen je zwei Kammern des Magens und an dem Ende desselben vor.
Die Muskelfasern, die sich bei reifem Embryonen in der Wand des Magens und des
Darms erkennen lassen , bilden darin zwei Schichten, von denen die äussere aus longitudinal,
die innere aus transversal verlaufenden Fasern besteht. Die Lage dieser beiden Faserschichten
ist also umgekehrt, als in der Wand der Speiseröhre, in der die Ringfaserschicht die äussere
war. Weiter nach innen befindet sich in dem Magen und Darm eine einfache Schicht von abge-
platteten Zellen, die nicht selten einige sehr kleine molekulare Fettkügelchen enthalten, und
eine structurlose Cuticula abgeschieden haben.
Kathke, Entwicklung' der Hirudineen,
58
Nephelis vulgaris.
§• 35.
Der Nahrungsstoff, der in Magen und Darm enthalten ist und beide völlig ausfüllt,
nimmt in dem erstem Organe ungefähr bis zu der Mitte der dritten Periode immer mehr an
Umfang zu, ohne indess im Ganzen seine Consistenz und Farbe, noch auch seine Zusammen-
setzung aus zwei verschiedenen Substanzen zu verändern. Die eine dieser beiden Substanzen
aber, und zwar diejenige, welche in einer dünnen Schicht die andere vollständig umgiebt, er-
fährt insofern eine Veränderung, als die tafelförmigen hellen Massentheile, die sie zusammen-
setzen , durch fortgesetzte Theilung sich vermehren , aber dabei zugleich an Grösse beträchtlich
abnehmen. Was letztere anbelangt, so betragen die Querdurchmesser derselben bei dem Beginn
der dritten Periode bis 0,014" (§. 27.), ungefähr am Ende des ersten Drittels dieser Periode
aber nur noch 0,0014" und nach der INlitte noch viel weniger. Die Vergrösserung aber,
w'elche die ganze in dem Darmkanale enthaltene Masse des Nahrungsstoffes, auch in der erstem
Hälfte der dritten Periode , erfährt, hat, wie früher, ihre Ursache darin, dass die Embryonen
kleine Quantitäten des in dem Ei vorkommenden und allmählich immer mehr verflüssigten Ei-
weisses verschlucken und davon bis zu der Mitte dieser Periode weniger verbrauchen, als sie in
sich aufnehmen. Denn auch bei Embryonen aus dieser Periode kann man nicht nur dann, wenn
sie aus dem Ei herausgenommen und in Wasser gelegt worden sind, sondern auch schon früher,
w’ährend des Aufenthaltes im Innern des Eies, falls es die meist ziemlich undurchsichtigen
Hüllen erlauben, eine mässig grosse und von vorn nach hinten fortschreitende Erweiterung der
Speiseröhre gewahr werden , nach der bald wieder eine in derselben Eichtung fortschreitende
Verengerung erfolgt, also Bewegungen, die offenbar als Schluckbewegungen zu betrachten sind.
Ausserdem aber habe ich bei verschieden weit entwickelten Embryonen aus der dritten
Periode, die ich noch lebend in eine wässrige Lösung von Karmin gelegt hatte, oftmals eine
oder einige Stunden nachher gesehen, dass die enge Höhle ihrer Speiseröhre entw’eder in gairzer
Länge oder doch streckenweis mit der erwähnten Lösung angefüllt w^ar. ln den Magen war
freilich diese Lösung niemals übergegangen, vielleicht jedoch nur deshalb nicht, weil sie die
Cardia zu heftig gereizt und zu einer anhaltenden Contraction veranlasst hatte.
Nach der Mitte der dritten Periode, wenn das flüssig gewordene Eiweiss des Eies schon
grösstentheils verzehrt ist, wird der in dem Magen befindliche Nahrungsstoff allmählich so ver-
mindert, dass er gegen die Geburt hin entw’eder vollständig oder fast vollständig schwindet, wie
das in dem Darme schon früher der Fall gewesen ist.
§. 36.
Die zarten Fäden, w’elche sich schon in der zweiten Periode des Fruchtlebens zwischen
der grössern Abtheilung des Darmkanals und der Leibeswand gebildet haben ( §. 28.), w'erden
in der dritten Periode etwas länger und dicker und erweisen sich immer deutlicher als kleine
Bündel von ^luskelfasern. Während dieselben aber an Grösse zunehmen, entstehen zwischen
Dritte Periode des Fruchtlehens.
59
ihnen auch noch neue Bündel, wodurch nunmehr die Wandung der Rumpfhöhle mit dem Darm-
kanal in eine noch vielfachere Verbindung gesetzt wird, als es früher der Fall war. So schliesse
ich wenigstens daraus, dass diese Fäden bei reifen Embryonen allem Anscheine nach in einer
viel grossem Zahl verkommen, als bei Embryonen aus der ersten Zeit der dritten Periode,
und das nicht bloss am Magen und Darme, sondern auch der Speiseröhre, wo sie früher
fehlten. *)
Ausser diesen Muskelbündeln, die von allen Seiten des Darmkanals divergirend auslau-
fen , entwickeln sich innerhalb der Rumpfhöhle in der dritten Periode auch noch zahlreiche
andere Fasern, die keine Verbindung mit dem Darmkanale eingehen. Dieselben bilden sich
nach Beginn der dorsoventralen Abplattung rechts und links von dem Darmkanal zwischen
Rücken - und Bauchwand und verlaufen in senkrechter Richtung, mit den übrigen Muskelfasern
der Leibeshöhle sich kreuzend. Ihre Aufgabe besteht wahrscheinlicher Weise darin, die Rücken-
und Bauchwandung des Rumpfes einander zu nähern.^)
Ausser den verschiedenen Muskelbündeln, welche zwischen Leibeswand und Darmka-
nal entstehen , bildet sich innerhalb dieses Raumes auch eine grosse Menge von fetthaltigen
Zellen , welche die übrig gebliebenen kleinen Zwischenräume zwischen den Faserzügen mehr
und mehr ausfüllen. Einige von ihnen machen sich schon bald nach dem Anfänge der dritten
Periode bemerkbar, die meisten aber nach und nach erst später. Zuerst entstehen diese Zellen
rechts und links von dem Magen und Darm. Später, wenn deren schon eine grosse Menge vor-
handen ist, bilden sich (gegen Ende dieser Periode) andere auch über und unter dem Magen
und Darm, desgleichen einige, doch nicht gar viele, um die hintere Hälfte der Speiseröhre. Ihre
Form ist bei den Embryonen und jungen Exemplaren, je nach den äussern Verhältnissen, etwas
verschieden. Wo die Zellen vereinzelt liegen, da erscheint dieselbe entweder kugelrund oder
oval, während sie da, wo sich mehrere sehr nahe oder dicht bei einander befinden, durch ge-
genseitige Abplattung eine etw'as eckige wird. Die Grösse, welche diese Zellen erreichen, be-
trägt bei reifen Embryonen bis 0,0007", bei Erwachsenen aber bis 0,0020" und darunter (letzteres
z. B. bei Exemplaren, die eine längere Zeit hindurch gehungert haben). Das in ihnen enthal-
tene und um ihren Kern herumliegende Fett bildet eine Menge sehr kleiner runder Kügelchen,
deren Zahl bei reifen Embryonen ungefähr bis 30 beträgt, bei Erwachsenen aber eine so bedeu-
tende wird , dass sie sich nicht mehr ermitteln lässt, und der Kern dadurch oft vollständig ver-
deckt wird. Ihre Farbe ist anfangs, wenn in ihnen erst wenige Fettkügelchen Vorkommen,
weiss, später aber, wenn die Menge dieser Kügelchen bedeutend gewachsen ist, bei auffallen-
dem Lichte ockergelb, bei durchfallendem gelblich -grün. Essigsäure kann ihnen die ockergelbe
1) Leydig betrachtet die bei Neplielis und andern Hirudineen in der Leibeswand vorkommende Schicht
von Querfasern als einen Hautmuskel (a. a. 0., S. 107.). Da aber durch ihre Zusammenziehung eine Verlängerung
des Körpers bewirkt wird, so kann ich dieser Ansicht nicht beitreten.
2) Um die verschiedenen Fasersysteme , welche die Leibeshöhle durchsetzen , zu sehen , bedient man
sich am besten feiner Querschnitte, die man von ausgewachsenen und gehärteten Exemplaren leicht anfertigen
kann.
6U
Nephelis vulgaris.
Farbe, die nur den Fettkügelchen angehört, vollständig entziehen und sie zum Erbleichen
bringen. In Betreff der Bedeutung dieser Zellen muss ich der Ansicht Leydig’s beistimmen,
dass sie zusammengenommen nichts weiter, als einen Fettkörper darstellen.
§. 37.
Das Gehirn bleibt in seiner Grössenentwicklung allmählich so weit zurück , dass es so-
wohl bei den reifen Embryonen, als auch bei den Erwachsenen um Vieles kleiner erscheint, als
das erste Ganglion. Seine beiden Seitenhälften, die bei dem Schlüsse der zweiten Periode in
ihrer Form eine Aehnlichkeit mit länglichen Birnen hatten, behalten diese Form auch während
der dritten Periode ohne andere Veränderung bei, als dass sie an ihrem dünnem Ende verhält-
nissmässig etwas dicker werden. Wo diese dünnen Enden in die Commissuren des Schlund-
ringes übergehen, erkennt man jetzt aber jederseits einen ziemlich starken Nervenstamm, der
bogenförmig nach vorn läuft, sich ziemlich bald in vier Zweige auflöst, und mit diesen an die
in Entwicklung begriffenen vier Augen hinantritt. Gleichzeitig hat sich der Ursprungsstelle die-
ser Sehnerven gegenüber an den Seitentheilen des Gehirns nach hinten ein warzenförmiger Fort-
satz gebildet, der in kurzer Zeit eine recht ansehnliche Grösse erreicht und sich zu einem beson-
dern Hirnlappen entwickelt. (Taf. III. Fig. 5 und S.) Hirn und Lappen zeigen während des
Fruchtlebens einen ziemlich gleichmässigen Zellenbau. Erst nach Beendigung desselben geht
in dieser Beziehung, wie auch in Hinsicht der Form, eine wenn auch langsame, doch sehr auf-
fallende Veränderung vor sich.
Früher von gedrungener Form, Averden die Seitenhälften des Hirns jetzt mehr gestreckt.
Sie rücken gleichzeitig auseinander. AVo bisher die keulenförmigen Ganglien unmittelbar sich
berührt hatten, da sieht man jetzt eine dünne Brücke sich zwischen beiden ausspannen. Die
beiden hintern Lappen , die so rasch an Grösse zugenommen hatten , sistiren ihr AVachsthum,
oder bleiben doch wenigstens zurück, so dass sie im A'erhältniss zu den übrigen Theilen des
Hirns bei den erwachsenen Exemplaren der Nephelis kleiner erscheinen, als bei den reifen Em-
bryonen. (Taf. A". Fig. 15.)
Gleichzeitig macht sich im Hirne eine Faserung bemerkbar, die mit zunehmender
Grösse allmählich über die zelligen Elemente so sehr das Uebergewicht erhält, dass man bei
erwachsenen oder auch nur halberwachsenen Exemplaren jederseits nur noch vier mässig grosse
Haufen von Ganglienzellen antrifft. Zwei dieser Haufen befinden sich (Taf. A". Fig. 15.) an
der obern Seite des Gehirns, einer hinter dem andern. Sie haben eine halbovale Form und sind
mit ihrem einen Ende nach aussen, mit dem andern gegen die Alittelebene des Kopfes gekehrt.
Die beiden andern Haufen sind durch eine Einfurchung des Lappens entstanden, der sich an
dem dünnem oder äussern Ende der Seitenhälften gebildet hatte. Sie besitzen eine etwas gerin-
gere Grösse, als die erst erwähnten Haufen, liegen einer neben dem andern und zeigen unge-
1) Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a/M. 1857. Seite 366 und 67.
Dritte Periode des FruclUlehens.
61
fahr die Form von Halbkugeln. Die übrige Masse des Hirnes besteht grösstentheils aus quer-
verlaufenden Nervenfasern.
An den Sehnerven gehen nur unbedeutende Veränderungen vor sich. Die Länge der-
selben bleibt beständig eine mässig grosse, während dagegen die Dicke, wenigstens die des Stam-
mes, eine verhältnissmässig bedeutende wird. An dem Ende dieses Stammes sieht man bei halb
und ganz erwachsenen Exemplaren zwei kleine ganglionäre Anschwellungen von ovaler Form
dicht hinter einander. (Taf. V. Fig. 15.)
§. 38.
Bei dem scheinbar ganz gleichmässigen Längenwachsthum der Embryonen könnte man
vermuthen, dass die Ganglien des Bauchstranges eben so gleichmässig aus einander rückten.
Doch mit nichten. Es gilt das nur für die Älehrzahl derselben, für diejenigen, welche in der
Mitte des Körpers liegen, während die beiden vordem und die drei hintern dicht neben einan-
der verbleiben. Es sind das Verhältnisse, die an die oben beschriebenen Verschmelzungspro-
cesse erinnern, durch welche das vorderste und letzte Ganglion des Bauchmarkes aus einer
grossem Anzahl von anfangs isolirten Ganglien ihren Ursprung genommen haben.
Die beiden Faserstränge des Bauchmarkes, die sich an der obern Fläche der einzelnen
Ganglien neben einander zu bilden begonnen haben, werden von diesen Theilen des Nerven-
systems niemals überwuchert, sondern behalten immer ihre ursprüngliche Lage. Ebenso blei-
ben sie immer dicht an einander geschmiegt, 'ohne jedoch jemals irgendwo ihre Fasern durch
Kreuzung oder auf eine andere Weise auszutauschen. Auch behalten sie die Form, welche sie
in der zweiten Periode des Fruchtlebens erlangt haben, insofern bei, als sie auf den einzelnen
Ganglien stets etwas breiter erscheinen, als zwischen denselben.
Was die weitere Entwickelung der einzelnen Ganglien anbelangt, so wird das vorderste
nicht nur an und für sich, sondern auch im Verhältniss zu denfolgendeu, mit Ausnahme des hinter-
sten, bedeutend grösser, als es solches schon in der vorigen Periode geworden war. Insbesondere
gilt dies von dem Faserstrange des Ganglions, der die Form eines Dreiecks annimmt und aus
seinem nach vom gerichteten breitem Ende oder seiner Basis ein Paar dicke Hörner aussendet,
die in die dünnem vom Gehirne zu dem Bauchmarke sich begehenden Commissuren übergehen.
Die drei Ganglien , welche die vordem Markmassen zusammensetzen helfen , wachsen haupt-
sächlich in die Breite und werden dadurch zu lappigen Anhängen an den Seitentheilen des Faser-
stranges, die ziemlich weit nach aussen vorspringen. Gegen Ende des Fruchtlebens nehmen
diese Lappen die Gestalt von Kolben an (Taf. IV. Fig. 6.), während sie später mehr in die Dicke
wachsen und hügelförmig werden. Aber auch diese Form ist noch nicht die bleibende. Die
Hügel furchen sich und zerfallen dadurch in zwei oder, wie die vordem, die von Anfang an die
grössesten waren und fast die doppelten Durchmesser der hinteren besitzen, in drei unvollständig
abgetrennte Theile. (Taf. V. Fig. 15.) Nach der Geburt findet man sogar eine noch grössere
Zusammensetzung dieser vordem Markmasse, indem man ausser den hier geschilderten Seiten-
62
Nephelis vulgaris.
ganglien dann auch noch auf der untern Fläche des Faserstranges jederseits neben der Mittel-
linie fünf flache Erhebungen von ganglionärer Heschafienheit antrifft , die in einer Längsreihe
hinter einander liegen und eine meist ovale Form besitzen. (Ibid.) Die Zellen dieser Ganglien-
massen -waren übrigens schon früher vorhanden, damals aber in einer mehr gleichmässigen Lage
unterhalb der strangförmigen Fasermasse verbreitet.
Das zweite Ganglion des Hauchmarkes behält bei den Embryonen ungefähr die Form
eines Kartenherzens, die es in der zweiten Periode des Fruchtlebens angenommen hatte, ohne
erhebliche Veränderung bei. Die folgenden dagegen gewinnen mit Ausnahme des letzten gegen
das Ende des Fruchtlebens durch vorwaltendes Hreitenwachsthum anfangs mehr oder weniger
Aehnlichkeit mit einer Raute, um dann späterhin zu einer fast kreisrunden Scheibe zu werden.
Die Form des letzten Ganglions , das mit Ausnahme des ersten alle übrigen an Grösse übertrifft,
und, wie wir wissen, aus sechs ursprünglich getrennten Ganglien zusammenschmilzt, erinnert
eine zeitlang an die zum Kegelspiel gebrauchten Kegel, indem die 6 Ganglien, welche in seine
Zusammensetzung eingehen, bei ihrer weitern Vergrösserung sich nicht bloss dicht aneinander
anschmiegen, sondern auch verwachsen und nach ihrer Vereinigung einen länglichen Körper
darstellen, der anfangs noch mit etlichen halbringförmigen Furchen versehen ist, nachher aber
an der Oberfläche völlig eben wird. (Taf. V. Fig. 16.)
Wie bei den Blutegeln, so wird auch bei der Nephelis das Bauchmark von zwei häuti-
gen Scheiden eingeschlossen. Die eine derselben, die eine Art Neurilem darstellt und dicht auf
dem Älarke aufliegt, ist von grosser Dünne und Durchsichtigkeit. Sie bildet einige Falten
oder Fortsätze, die in das Innere der Ganglien eihdringen und dieselben in eine Anzahl kleinerer
Abtheilungen zerlegen. Die Entwickelung dieser Scheide beginnt wahrscheinlich schon in der
zweiten Periode des Fruchtlebens, obwohl ich sie vor der völligen Reife niemals auffallend, und
ganz deutlich erst bei erwachsenen und halberwachsenen Exemplaren erkennen konnte.
Die äussere Scheide bildet einen nur lockern Ueberzug um das Bauchmark, wiederholt
aber dessen Form trotzdem nicht minder vollständig, als die innere. Gleich letzterer, ist sie
während des ganzen Embryonallebens dünn und durchsichtig, mit Eigenschaften begabt, die
nach der Geburt allmählich verloren gehen, da sie bei erwachsenen Exemplaren eine ziemlich
ansehnliche Dicke besitzt. Die Undurchsichtigkeit geht übrigens niemals so weit, wie bei den
Blutegeln, bei denen diese Scheide bekanntlich schwarz pigmentirt ist. Ueber die eigentliche
Natur und die Entstehung dieser Hülle werden wir erst bei einer spätem Gelegenheit (§. 41.)
Aufschluss finden.
§. 39.
In gleicher Weise, wie bei andern Hirudineen, sendet das Bauchmark auch bei der
Nephelis nur in seinen Ganglien Nerven aus. Abgesehen von dem ersten und dem letzten Gang-
lion giebt jedes (Taf. IV. Fig. 6.) 2 Paar Nerven ab, von denen der eine in geringer Entfer-
nung hinter dem andern seinen Ursprung nimmt. Die Fasern derselben entspringen - — was sich
Dritte Periode des Fruchtlehens .
63
schon bei Embryonen, aber deutlicher bei erwachsenen Exemplaren erkennen lässt — in einer
ähnlichen Weise, wie es nach den Untersuchungen Brxjch’s bei dem medicinischen Blutegel der
Fall ist.*) Soll ich es specieller beschreiben, so erhält ein jeder Nerv zunächst ein Bündel
Fasern von dem anliegenden Strange des Bauchmarkes, ausserdem aber noch eine grössere
Menge von der ihm gegenüberliegenden Seitenhälfte seines Ganglions, so dass, wie solches
schon früher bemerkt Averden konnte, im Innern der Ganglien eine Kreuzung der Fasern
stattfindet.
Was zunächst diejenigen Fasern anbetrilft, Avelche von einem der beiden Stränge des
Bauchmarkes herkommen, so bilden diese ein schmales Bündel, dessen Elemente früher in der
Richtung der Stränge von vorn nach hinten verliefen, und erst an der Ursprungsstelle der Nerven
in die Bahn derselben ablenkten. Für die Fasern der vordem Nerven geschieht diese Ablenkung
bereits am vordem Rande des Ganglions, für die des zweiten etwas später, dicht vor der Mitte.
Beide Faserbündel verlaufen an der obern Fläche des Ganglions und zwar in Form eines S, inso-
fern ein jedes derselben zwei nach verschiedener Richtung hinsehende Bogen beschreibt, die
gewöhnlich freilich weit flacher sind, als die Bogen dieses Buchstaben. Die Krümmungen beider
Bündel verlaufen übrigens in verschiedenem Sinne, indem die den Strängen des Bauchmarkes
anliegenden Bogen einander abgekehrt, die andern aber einander zugekehrt sind.
Um den Ursprung und den Verlauf des zweiten, zur Verstärkung der abgehenden Ner-
venstämme dienenden Faserbündels näher zu beschreiben, dürfte es zweckmässig sein, an den
betreffenden Ganglien drei in einfacher Reihe aufeinander folgende, gleich lange Abschnitte
zu unterscheiden. Aus einem jeden dieser Abschnitte entspringen nun zwar Nervenfasern in
ziemlich gleicher Menge, die auch sämmtlich darin übereinstimmen, dass sie über beide Stränge
des Bauchmarkes hinüber nach der andern Seitenhälfte des Körpers verlaufen , aber die Gruppi-
rung dieser Fasern ist an den einzelnen Abschnitten des Ganglions doch eine verschiedene. Wäh-
rend sich die Fasern des mittlern Abschnittes in zwei divergirende und an Breite immer mehr
abnehmende Bündel vertheilen, von denen das eine zu dem vordem, das andere zu dem hintern
Nervenstamme der gegenüberliegenden Seite hinläuft, bleiben die Fasern des vordem und hin-
tern Abschnittes ungetheilt für die gegenüberliegenden Nervenstämme. Die einzelnen Nerven-
stämme enthalten also dreierlei verschiedene Faserbündel, von denen eines aus dem anliegenden
Markstrange, das andere aus dem mittlern und das dritte aus dem vordem resp. hintern Ab-
schnitte der gegenüberliegenden Ganglienhälfte hervorkommt.
Die Ganglienzellen, von denen die Nervenfasern der beiden letzterAvähnten Bündel
entspringen, sind allem Anscheine nach sämmtlich unipolar. Ob aber eine jede Ganglienzelle
des Bauchmarkes eine Faser aussendet, oder ob es hier auch apolare Ganglienzellen giebt, wie es
nach Bruch bei dem medicinischen Blutegel der Fall ist, habe ich nicht ermitteln können.
Ebenso ist es mir unbekannt geblieben, ob die beiden vordem Nerven kurz nach dem Hervor-
treten aus dem Ganglion apolare Zellen in sich einschliessen , wie es gleichfalls bei dem Blut-
1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie von SiEBOLD und KöLLIKER.’ Bd. I. Seite 164 bis 174.
64
Nephelis vulgaris.
egel der Fall ist. Vielleicht jedoch, dass diesen apolaren Zellen diejenigen Ganglienkugeln zu-
zurechnen sind, die, isolirt von den übrigen und in einfacher Anzahl zwischen den Ursprungs-
stellen der beiden Nerven gefunden werden.
Ausser den Fasern, die in die Nerven übertreten , entstehen in den Ganglien des mitt-
leren Bauchraarkes auch andere, die den Fasersträngen sich heimischen. Sie verlaufen von den
Ganglien nach hinten , sind aber überall nur in geringer Menge vorhanden.
Aus dem hintersten Ganglion entspringt, wie bei der Grösse desselben und seiner Zu-
sammensetzung nicht anders zu erwarten war, eine ungleich grössere Menge von Nerven. Zu-
nächst zwei ziemlich starke Stämme , die nur wenig divergirend aus dem abgerundeten Ende
desselben heiworkommen und in den Saugnapf übertreten, ausserdem aber jederseits noch zehn
andere dünnere, die in etwas schräger Richtung nach hinten verlaufen und zum grössten Theile
gleichfalls für den Saugnapf bestimmt sind. Nur die vordem scheinen sich vor dem Saugnapfe
in den letzten Seitentheilen der Leibeswand auszubreiten.
Auch die vorderste Ganglienmasse des Bauchmarkes giebt mehrere Nerven ab, doch
ungleich weniger, als diese hintere. Am ansehnlichsten unter denselben sind zwei, die jederseits
in den Einschnitten zwischen den drei Seitenlappen und dem Faserstrange hervorkommen und
die Umgebung des Mundes mit ihren Zweigen versorgen.
§. 40.
Uie acht Augen der Nephelis entstehen erst, nachdem sich die Oberlippe gebildet hat,
also erst einige Zeit nach dem Beginn der letzten Periode des Fruchtlebens, und zwar alle zu
derselben Zeit. Vier von ihnen liegen in einem nach vorn convexen Bogen auf der Oberlippe
selbst, die man deshalb denn auch als Vorderkopf betrachten kann, die übrigen je zu zweien
w’eiter nach aussen , hinter der Oberlippe. Sie bilden sich dicht unter der Cuticula als kugel-
runde, anfangs farblose und ganz durchsichtige Körper, die eine ziemlich grosse Festigkeit be-
sitzen und keine Höhle in sich einschliessen, vielmehr ganz solid sind. Das Pigment entsteht
erst einige Zeit später an der Oberfläche dieses Körpers, der aller Wahrscheinlichkeit nach als
eine lichtbrechende Linse in Anspruch zu nehmen ist. Eingeschlossen und knapp umfasst
sind beide eben angeführte Theile , wie schon Leydig bei erwachsenen Exemplaren der Nephelis
bemerkt hat,®) von einer häutigen Blase, die der Sclerotica nebst der Cornea der Wirbelthiere
entspricht. Ob aber diese Hülle früher oder — was kaum wahrscheinlich sein dürfte — später
entsteht, als in dem Auge namentlich die Ablagerung des Pigments beginnt, muss ich dahin
1) Die neueren Untersuchungen Leydig’s (Archiv für Anat. und Physiol. 1861. S. 594.) haben freilich
über den Bau dieser Gebilde ein ganz anderes Besultat ergeben. Hiernach würden die sog. Linsen der Hirudineen
(auch Nephelis) als das von eigenthümlichen Zellen umlagerte, und mit diesen in eine bloss becherförmige Scle-
rotica eingeschlossene Nervenende selbst in Anspruch zu nehmen sein. (Anm. des Herausgebers.)
2) A. a. O., S. 261. Durch die eben erwähnten neuen Untersuchungen will sich Leydig übrigens
davon überzeugt haben, dass die Pigmentzellen äusserlich von der Sclerotica gelegen seien. (Anm. des
Herausgebers.) *
1) ritte Periode des Fruchilehem .
65
gestellt sein lassen. Gesehen habe ich sie erst bei reiferen Embryonen, und auch hier nur nach
Anwendung verdünnter Essigsäure.
Die kugelrunde Form, die der lichtbrechende Körper des Auges anfänglich besitzt,
wird nachher, während er sich vergrössert, der Art verändert, dass sich gegen die Zeit der Ge-
burt hin an ihm allmählich eine Aehnlichkeit mit der dickem Hälfte eines der Quere nach halbir-
ten Hühnereies hervorbildet, an der aber statt der Abflachung der Schnittebene eine mässige
Convexität gefunden wird. Die letztere ist dabei constant der Oberfläche des Kopfes zugekehrt.
Umgekehrt nimmt das Pigment seinen Ursprung an dem veijüngten Pole der Linse, die der
Oberfläche des Kopfes abgekehrt ist und mit den Sehnerven in Verbindung tritt. Von da breitet
sich dasselbe allmählich immer weiter über die Peripherie des die Form des Auges hauptsächlich
bestimmenden lichtbrechenden Körpers aus , so dass es denselben schon vor dem Schlüsse des
Fruchtlebens bis auf das vordere, nach der Oberfläche des Kopfes hingekehrte Segment einhüllt.
Betrachtet man das Auge von vorn , so erscheint dieses pigmentfreie Segment wie eine kreis-
runde Pupille. Die Farbe des Pigments ist anfangs , so lange dasselbe eine nur unbedeutende
Dicke hat, hellviolet, später dunkelviolet, und schliesslich fast schwarz. Um über den feine-
ren Bau dieser Pigmentlage Aufschluss zu erhalten, muss man den Embryo einem ziemlich
starken Drucke aussetzen. Die bis dahin ganz gleichförmige Pigment- Masse löst sich dann in
mehr oder w'eniger runde Klümpchen auf, die gegen 0,0004” im Durchmesser haben und in der
Mitte nicht selten einen farblosen Punkt durchschimmern lassen, der ohne ZAveifel einen Zellen-
kern darstellt. Das hiernach also, wie bei den höhern Thieren, in Zellen enthaltene Pigment
ist übrigens nur zum Theil von feinkörniger Beschaffenheit und seiner übrigen !Masse nach
diffus.
Die Wand der Augenblase ist äusserst dünn und structurlos, von glasartiger Durch-
sichtigkeit.
Die Richtung, w'elche die Augen während ihrer Form Veränderung annehmen, ist nach
der Lage derselben insofern verschieden, als die vorderen, deren Achsen ein wenig diver-
giren , sich mit ihrem pigmentfreien, schwach convexen Segment nach oben und vorn, die hin-
teren aber mit dem gleichen Ende nach aussen und hinten wenden. IMit den ersteren würd eine
Nephelis daher nach oben und vorn, mit den letzteren nach aussen und hinten sehen können. ')
§. 41.
Das Blut, das in der zweiten Periode des Fruchtlebens noch klar und farblos ist, nimmt
in der dritten sehr allmählich eine gelbliche Färbung an, und besitzt diese auch noch bei jungen
1) Die von Leydig neuerdings auch bei A’ejjÄeh's aufgefundenen »becherförmigen Sinnesorgane«, die
vielleicht als Tastapparate fungiren und mit den Augen zugleich aus dem Sehnerven mit Fasern versorgt werden,
scheinen den Beobachtungen Eathke’s entgangen zu sein. Sie liegen nach der Beschreibung Leydig's (a. a. O.,
S. 6ü4.) theils gehäuft an der Oberlippe, theils auch in Menge an der Unterlippe und zerstreut auf der Ober-
fläche des Kopfes ; einzelne scheinen sogar ■weit über die Kopfregpon hinaus in der Körperhaut vorzukommen.
(Anm. des Herausgebers.)
K a th k e , Entwicklung der Hirudineen.
9
6G
Neplielis vulgaris.
Exemplaren, die vor mehrern Tagen oder einigen Wochen das Ei verlassen haben. Eine rothe
Färbung gewinnt es erst später, Avenn seine Menge bei dem fortschreitenden Wachsthume der
jungen Thiere immer mehr zunimmt. Auch die Blutkörner erscheinen erst nach Abschluss der
zweiten Entwickelungsperiode und zwar so allmählich, dass sie selbst zur Zeit der Geburt noch
äusserst spärlich und von geringer Grösse sind. In Extravasaten, wie sie nach zufälligen Ver-
letzungen auch bei jungen Exemplaren nicht selten sich bilden, sieht man dieselben bisweilen
in grösserer Menge zu rundlichen Ballen zusammenschmelzen.
Die beiden symmetrischen Seitenstämme des Blutgefässsystems, die in den Embryonen
aus der letzten Hälfte der zweiten Periode meist mehrere verschiedentlich grosse Krümmungen
bildeten , strecken sich in der dritten bei zunehmendem Längen - AVachsthume des Körpers all-
mählich gerade, und erscheinen nur dann noch ein wenig geschlängelt, w’enn sich die betreffen-
den Thiere, wüe das allerdings nicht selten geschieht, stark verkürzen.
Der mittlere längere Theil der Gefässe erleidet gleichzeitig eine ziemlich beträchtliche
Erweiterung, während die Enden bis über das Fruchtleben hinaus noch dünn und zart bleiben.
Da unsere Nephelis bekanntlich des mittlern Rückengefässes entbehrt, mit dem die Seiten-
stämme bei andern Hirudineen in Verbindung stehen, so treten die letzteren hier mehrfach und in
verschiedener Weise direct unter sich in Zusammenhang. Zunächst gehen sie sowohl vorn, inner-
halb der Oberlippe vor den Augen , wie auch hinten , zwischen dem After und der Mitte des
Saugnapfes, unter einem Bogen in einander über. In geringer Entfernung von dem Hirne sind
sie sodann durch eine ziemlich dicke Anastomose vereinigt, die über der Speiseröhre dicht unter
der Rückenw'and des Leibes hinläuft und einen nach vorn gekehrten Bogen darstellt. Etwas
weiter nach hinten kommt eine zweite Anastomose vor, die gleichfalls zwischen der Eücken-
wand des Leibes und der Speiseröhre liegt, und auch in Hinsicht der Form und Dicke der erstem
nicht unähnlich ist. Auf diese beiden Anastomosen folgt weiter eine Anzahl dünner Gefässe,
die von beiden Stämmen ausgehen , ebenfalls der Rückenw'and des Leibes angehören und ober-
halb der hintern Hälfte der Speiseröhre und des vordem Theiles des Magens zu einem unregel-
mässigen weitmaschigen Netzw'erke zusammentreten, indem einige von ihnen quer, andere aber
sehr schräg verlaufen, und noch andere gabelförmig in zwei Zweige getheilt sind. Auch die erste
Anastomose giebt etwas rechts von der Mittellinie des Körpers ein mässig starkes Gefäss ab, das
nach hinten zu der andern Anastomose hinläuft und sich mit derselben in Verbindung setzt, so-
dann auf die Speiseröhre übergeht, und auf dieser sich bis in die Nähe des Magens nach hinten
verfolgen lässt.
Der unpaarige oder dritte Gefässstamm der Nephelis , der auf der Bauchwandung des
Leibes liegt und durch zwei Reihen von Quergefässen mit den beiden seitlichen Stämmen zu-
sammenhängt, nimmt zwar in der zweiten Periode des Fruchtlebens seine Entstehung, (§. 31.)
ist jedoch noch an dem Ende derselben so überaus zart, dass er nur unter sehr günstigen Um-
ständen bemerkt w'erden kann, und ebensowohl gegen das Bauchmark, unter dem er seinen A^er-
lauf macht, wie auch gegen die Seitenstämme beträchtlich zurück steht. In der dritten Periode
aber nimmt dieser Gefässstamm mehr als irgend ein anderer an AVeite zu. Doch diese Erweite-
#
Dritte Periode des Fruchtlehens.
67
rung ist keine ganz gleiclnnässige. Sie richtet sich vielmehr nach der Form des Bauchmarkes
und zwar so vollständig, dass das Bauchgefäss bei Betrachtung von unten ein getreues Abbild
der Ganglien ebensowohl, wie auch der dazwischenliegenden Commissuren bietet.
L)ie richtige Erkenntniss dieser Verhältnisse ist freilich nicht ganz leicht , theils, weil
die Wandungen des Bauchstammes so zart und durchsichtig sind, dass sie durch die Körper-
wand hindurch nicht deutlich unterschieden werden können, theils auch deshalb, weil bei An-
wendung eines Druckes der Blutlauf leicht gestört, und das Bauchgefäss vom Blut entleert wird.
Dennoch ist mir darüber nicht der geringste Zweifel geblieben , da es mir mehrfach gelun-
gen ist, zu sehen, wie die durch eine Queranastomose in das Bauchgefäss eintretenden Blut-
körner sich um den Seitenrand eines Ganglions nach vorn zu bewegten und dann später neben
der vorausgehenden Commissur fortglitten. Offenbar ist schon jetzt jene eigenthümliche Bezie-
hung zwischen Bauchgefäss und Bauchstrang eingetreten, von der uns J. Müllek zuerst bei er-
wachsenen Exemplaren von Nephelis unterrichtet hat. Das Bauchgefäss, welches früher unter-
halb des Bauchmarkes verlief, hat dasselbe jetzt, wie eine Scheide, in sich eingeschlossen.
Wahrscheinlicher Weise erfolgt diese Einscheidung dadurch, dass das mitten unter dem Bauchmarke
entstandene Gefäss unter fortwährender Breitenzuiiahme sich abplattet und mit seinen Seiten-
rändern den aufliegenden Ganglienstrang immer mehr und immer vollständiger umfasst. Ist
dieses vollständig geschehen , so nimmt, wie ich vermuthe, das äussere Blatt der bluthaltigen
Doppelscheide, denn darin hat sich das frühere Gefäss jetzt verwandelt, erheblich, obwohl nur
sehr langsam, an Dicke zu. Es bildet sich in die sog. äussere Hülle des Bauchmarkes um, wäh-
rend das innere Blatt der Doppelscheide, w'elches dem Bauchmarke zugekehrt ist und demselben
immer mehr sich anschmiegt, dünn bleibt und zu dem eigentlichen Neurilem wird.
Die Anastomosen, welche sich in eben so vielen Paaren, als Ganglien des Bauchmar-
kes Vorkommen, zur Vereinigung des Baucbgefässes mit den beiden seitlichen Gefässstämmen
bilden und so wie diese dicht an den Wandungen des Leibes liegen , werden erst in der dritten
Periode des Fruchtlebens sichtbar, nehmen aber in derselben so an Dicke zu, dass sie im Ver-
hältniss zu den angeführten drei Gefässstämmen des Körpers schon bei reifen Embryonen eben
so dick erscheinen, wie bei den Erwachsenen.
Nach der Entwicklung dieser Anastomosen geht der Kreislauf des Blutes bei den Embry-
onen in derselben schwankenden Weise vor sich, wie es bei den Erwachsenen nach der ausführ-
lichen Beschreibung, welche J. Müller davon gegeben hat, der Fall ist, weshalb es über-
flüssig erscheint, darüber hier ein Näheres anzuführen.
Die contractilen Blutbehälter, die der eben erwähnten Queranastomose jederseits auf-
sitzen , sind mir nur bei völlig ausgebildeten Embryonen einige Male aufgestossen , ohne dass
es jedoch gelingen wollte, mehr über deren Ursprung festzustellen, als dass sie anfangs nicht
bloss äusserst zarthäutig, sondern auch völlig farblos sind.
1) lieber den Kreislauf des Blutes bei Ilirudo (Nephelis) vulgaris, in Meckel’s Archiv für Anatomie
und Physiologie, Jahrgang 182S, Seite 26 und 27.
9
68
Nephelis 'oulgarxs.
§• 42.
Die schleifenförmigen Organe kommen gleichfalls schon bei reifen Embryonen vor, ob-
wohl sie sich erst einige Tage nach der Geburt deutlich erkennen lassen. Sie liegen an der Seite
des Darmkanals, je eines zwischen zweien der eben erwähnten Blutbehälter, die bekanntlich in
gleicher Zahl Vorkommen , und erscheinen als kleine Packete, in denen sich bei näherer Unter-
suchung ein dünner, mehrfach schlingenförmig zusammengelegter Faden erkennen lässt. Eine
Höhlung habe ich an diesem Faden einstweilen eben so wenig auffinden können, wie die son-
derbaren »rosettenförmigen« Flimmerorgane, die nach aller Wahrscheinlichkeit die Enden dieser
secretorischen , nicht, wie man früher wollte, respiratorischen Kanäle auszeichnen.
§• 43.
Von Geschlechtsorganen habe ich bei den Embryonen unserer Nephelis auch im ausge-
bildeten Zustande keine Spur gefunden, obgleich ich eifrig darnach suchte. Ich muss daher
annehraen, dass diese Organe erst in einer spätem Lebenszeit entstehen, obwohl sie bei einem
nahe verwandten Wurme, dem medicinischen Blutegel nämlich, wie das E. H. Weber gefun-
den hat, schon zur Zeit des Fruchtlebens auftreten.
§• 44.
Die halbfeste Masse, welche ursprünglich das Eiweiss in den Eiern der Nephelis dar-
stellt, v'erwandelt sich während der Entwicklung der Embryonen im Umkreis derselben bekannt-
lich immer mehr und mehr in eine dünne und gleichartige Flüssigkeit. Sie hat ihre Umwand-
lung vollendet, noch bevor die Embryonen ausgeschlüpft sind. Aber gleichzeitig geht auch,
wie wir wissen, eine Aufnahme dieser Flüssigkeit von Seiten der wachsenden Embryonen vor
sich, und zwar in einem solchen Grade, dass zur Zeit derGeburt davon nur noch geringe Mengen
im Innern der pergamentartigen Schale übrig sind.
Zum Theil geschieht diese Ueberführung des Eiweisses in einen andern Aggregatzu-
stand offenbar unter dem Einflüsse des Wassers, das langsam und in geringer Menge, aber
stetig durch die Hüllen des Eies nach innen hindurchdringt. Es wird das schon dadurch be-
wiesen, dass das Ei während der Entwicklung der in ihm entstandenen Embryonen, wie schon
Carena bemerkt hat, immer mehr und stärker sich wölbt.
Wenn die Embryonen nach dem Beginn der letzten Periode ihres Fruchtlebens länger
und schlanker werden , geben sie die Krümmung im Rücken , die sie gegen das Ende der zwei-
ten Periode angenommen hatten , auf, und strecken sich allmählich gerade. Nachher nehmen
1) Meckel’s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1S28. S. 39S.
2) A. a. O., S. 204.
Dritte Periode des Fruchtlehens .
69
sie in dem Ei bisweilen eine Krümmung nach dem Bauche oder nach den Seiten an, aber nur,
um dieselbe bald wieder zu verlieren. Auch verkürzen und verlängern sie sich nicht selten
sehr merklich. Noch später, wenn das Eiweiss völlig in eine dünne Flüssigkeit umgewandelt
ist, machen sie sogar kriechende Bewegungen. Sind die Embryonen nun endlich so weit ent-
Avickelt, dass sie ein freies Lehen im Wasser führen können, so wird die geringe Quantität
festen Kittes, welche die in den nabelförmigen Endzapfen der äussern Eihülle befindlichen klei-
nen Oeffnungen bis dahin dicht verschlossen hatte, in eine gallertartige Substanz verwandelt,
und die OefFimng selbst, ohne Zuthun der Embryonen, allmählich weiter. Nachdem dies ge-
schehen, dringen dann die Embryonen, wie ich mehrmals gesehen habe, langsam aus den
Oeffnungen hervor. Doch vergehen mitunter 3 bis 4 Tage, ehe sämmtliche Embryonen ihr Ei
verlassen haben, indem die kleinern und schwächern gewöhnlich noch eine Zeitlang im Innern
desselben verweilen.
Schliesslich hätte ich noch anzuführen , dass man nicht selten Eier von Nephelis
findet, die zwischen ihren beiden nabelförmigen Erhöhungen an der convexen Seite eine mehr
oder weniger grosse, meist auch gezackte Oeffnung von verschiedener Form besitzen. Eine
solche Oeffnung rührt aber nicht von den im Ei entstandenen und zum Auskriechen reif gewor-
denen Embryonen her, sondern von andern Thieren, und zwar höchst wahrscheinlich von
Schnecken, die das Ei benagten und dessen feste Hülle durchbrachen.
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II.
llVTERSUCHllVdElN
ÜBER DIE
ENTWICKLUNG DER CLEPSINEN.
Von der Gattung Clepsine kommen bei Königsberg 4 Arten vor, nämlich CI. compla-
nata , CI. bioculata, CI. murginata und eine Art, die meines Wissens noch nicht beschrieben
und benannt worden ist. Ich will dieselbe Clepsine maculosa nennen und in dem Nachste-
henden zunächst beschreiben.
Clepsine maculosa steht unter den bis jetzt näher bekannten Arten dieser Gattung in
Hinsicht der Zahl ihrer Augen und der Grösse ihres Körpers am nächsten der CI. tessulata,
weicht aber in der Färbung und Zeichnung ihrer Hautbedeckung so bedeutend ab, dass sie wohl
nicht für eine Varietät derselben ausgegeben werden kann. Die Augen kommen bei ihr in 4
auf einander folgenden Paaren vor und sind zwar alle verhältnissmässig nur sehr klein, doch
die des zweiten Paares beinahe noch einmal so gross, als die übrig(Ai. Die des ersten und zwei-
ten Paares liegen sehr nahe bei einander, näher als die des dritten und vierten. Der Zwischen-
raum zwischen je zwei Paaren ist grösser, als der zwischen den beiden Augen des dritten und
vierten Paares. Die Körpergrösse anbelangend, so war von den zwei Exemplaren dieses Wur-
mes, die ich erhalten hatte, das eine im ausgestreckten Zustande 2", das andere 2" 6'" lang,
im verkürzten Zustande aber das erstere oder kleinere, als es seine Eier an die Seitenwandung
eines grossen Glasgefässes abgesetzt hatte und sie bedeckte, genau 1" lang. Die Breite dieses
kleinern Exemplares betrug , als es auf den Eiern sass , hinter der Mitte des Leibes 6'", gleich
hinter dem Kopfe, der fast 2"' breit war, S'/o'". Ueberhaupt haben die hieher gehörigen Thiere
im verkürzten Zustande eine verhältnissmässig grössere Breite, als die bisher bekannten Clepsi-
nen, und es geht bei ihnen in diesem Zustande der Rumpf in den Kopf nicht allmählich, son-
dern mit einem Paar seitlicher abgerundeter Abstufungen über. Dabei hat der Körper eine ge-
ringere Dicke, als der Körper anderer Clepsinen , indem die Bauchseite gewöhnlich ganz platt,
seine Rückenseite aber nur w^enig convex ist. Bisweilen nimmt derselbe die Form einer tiefen
Mulde an; er zieht sich auch mitunter in seiner Mitte, nachdem er sich verkürzt hat, so zu-
sammen , dass er in Hinsicht der Form eine Aehnlichkeit mit dem Körper einer Geige erhält.
Der Kopf ist ziemlich gross und vorn stark abgerundet, der Saugnapf (an dem hintern Ende des
Körpers) aber nur mässig gross, namentlich verhältnissmässig kleiner, als bei Clepsine compla-
naia , und von dem Rumpfe nur durch eine mässig tiefe ringförmige Einschnürung abgegrenzt.
Kathke, Entwicklung der Hirudinpen. 10
74
Clepsine.
Bei dem auf den Eiern sitzenden Exemplare betrugen die Querdurchmesser dieses Saugnapfes 2'".
An dem Kopfe lassen sich 3 Ringel unterscheiden. Die Seitenränder des Körpers sind nur dünn
und zwischen den Ringeln nur massig tief eingekerbt; die zwischen den Kerben befindlichen
Trappen erscheinen stumpf abgerundet.
Die Grundfarbe des ganzen Körpers war bei meinen Exemplaren ein dunkles Braun,
das durch sehr kleine und sehr nahe bei einander vorkommende Punkte eine Beimischung von
Schwarz erhalten hatte. Auf diesem dunklen Grunde aber befanden sich an der Rückenseite in
ziemlich grosser Zahl rostgelbe Flecke, die ohne besondere Regel und Ordnung vertheilt
waren und sehr verschiedene, im Allgemeinen aber ganz unregelmässige Formen hatten. Einige
waren rundlich - eckig, andere fast oblong oder halbmondförmig, und noch andere beinahe
kreuzförmig. Die grössten von ihnen betrugen in ihren grössten Durchmessern 1 bis . An
der Bauchseite fanden sich ähnliche weissgelbe Flecke, aber in einer viel geringem Zahl, ’j
Die Anhänge des Magens kamen in 7 Paaren vor und waren etwas ästig.
Die beiden mir zu Gesicht gekommenen Exemplare waren wenig beweglich und sassen
Avährend ihrer mehrwöchentlichen Gefangenschaft oft dicht beisammen, auch das eine so auf
dem andern, dass es mit demselben ein Kreuz bildete. Sie waren beide ungefähr 2 Meilen von
Königsberg in dem kleinen Landsee bei Dammhof neben einander gefangen.
Bei dieser Gelegenheit will ich auch über die von Friedrich Müller mit dem Namen
der Clepsine marginata helegte ^ixuämGe einige Bemerkungen machen, die sich hauptsächlich
auf die Färbung und Zeichnung beziehen , weil ich diese bei den meisten von mir gesehenen
Exemplaren anders gefunden'habe , als man sie angegeben hat. Fr. Müller hat sich über sie
dahin geäussert , der Körper sei nfusco-viride, dorso macularum ßavescentium seriebus quatuor,
linearum ejusdem coloris Serie media notato , margine ßano-alho fuscoque tessulatav ß) Grube
aber dahin, ihr Leib sei grün mit Querreihen von je vier weissen Punkten. Einige Mal nun
habe ich allerdings Exemplare gesehen, die eine fast dunkel bouteillegrüne Grundfarbe hatten
und am Rücken 4 Reihen schwach ockergelber punktförmiger Flecken, an ihren gelblich-weissen
Seitenrändern aber eine Reihe schmaler und ganz einfacher brauner Querstriche zeigten. In der
Regel war jedoch an den Exemplaren, welche bei Königsberg Vorkommen, die Grundfarbe der
ganzen Hautbedeckung ein helles Bi'aun. Die Umgebung des Mundes war weiss, und hinter den
Augen befand sich bei ihnen an dem Kopfe ein dreieckiger ockergelber Fleck. Von hinten her
ward dieser Fleck und die Augen von zwei dunkelbraunen Streifen eingefasst, die stark divergi-
rend nach vorn und aussen verliefen, und von denen ein jeder gabelförmig getheilt war. In der
Mittellinie des Rückens, die nicht selten dunkelbraun oder fast schwarz erscheint, liegt eine
1) Clepsine tessulata , die bis 2o'" lang und bis 5'" breit wird, ist nach Fr. Müller (WieGmann’s
.Archiv für Xaturgeschichte. 1844. Bd. 1. S. 376) »cinereo-viride, dorso macularum ßavescentium seriebus ‘1 — 6
notato, margine cinereo ßavoque tessulato« , nach Grube (Die Familien der Anneliden. Berlin, 1851. S. 150.)
graulichgrün mit 6 Längsreihen weisser Punkte, von denen die am Rande selbst stehenden die ansehnlichsten
sind.
2) A. a. O., Bd. I., S. 376.
3) A. a. 0. , S. 150.
Arten. Eier.
I i>
Reihe von 4 bis 8 mehr oder weniger ausgeprägten ockergelben Punkten, je einer zwischen zwei
Ringeln des Rumpfes. Deutlicher ausgebildet sind vier symmetrisch über den Rücken ver-
theilte Reihen ockergelber oder fast citronengelber Wärzchen , die am sechsten Segmente des
Rumpfes beginnen und sich bis an das Ende des Körpers hinerstrecken. .Je 4 von diesen Wärz-
chen oder Punkten liegen in einer Querreihe auf einem Leibesringe. Zunächst den Seitenrän-
dern eines jeden Segments kommt ein Paar dunkelbrauner viereckiger Flecke vor, von denen
jeder nach aussen 2 parallele, wenig lange linienförmige Fortsätze aussendet. Zwischen die-
sen dunkelbraunen Flecken und deren benachbarten Fortsätzen liegt je ein rundlicher ockergel-
ber Fleck. Der Saugnapf ist zunächst seiner Anheftung lauchgrün.
Im ausgestreckten Zustande sind die grösseren Exemplare von Clepsine marginata
2>'" , im mässig stark verkürzten nur 5”' lang. Ihr Kopf ist jederseits in einen stumpfdrei-
eckigen Lappen ausgezogen, so dass er fast rautenförmig erscheint, und verhältnissmässig viel
grösser, als bei CI. complanata, weshalb denn Cakena dieser Art den Beinamen cephalota gege-
ben hat. Von den 4 Augen, die sie besitzt, sind die hinteren ungefähr viermal grösser als die
vorderen, und weiter als jene auseinander gelegen.
Die letzten der 7 ästigen Magenblindsäcke reichen beinahe bis zu dem Saugnapfe hin.
Bei Königsberg habe ich Exemplare dieser Art nur in den Gräben gefunden, welche in
der Nähe des Bahnhofes liegen , in denen sie zwar nicht selten sind, jedoch in viel geringerer
Zahl, als Exemplare von Clepsine complanata Vorkommen, von der sie sich übrigens, wie von
den übrigen verwandten Arten, durch die grosse Lebhaftigkeit ihrer Bewegungen leicht un-
terscheiden lassen.
§• 2.
Wie andere Himdineen, sind auch die Clepsinen eierlegende Thiere. Zwar soll nach
einer von Moquin - Tandox gemachten Angabe die von ihm CI. Carenae benannte Art lebendige
Junge gebären,^) doch lässt sich diese Angabe um so mehr bezweifeln, als derselbe Zoologe
auch die CI. complanata lebendige Junge gebären lässt, was entschieden unrichtig ist.
Die Eier der hierländischen Arten haben, eben abgelegt, die Form einer Kugel und
eine meist ziemlich bedeutendeGrösse, {iC\%yor\Cl. maculosa i. B. ’/g Pariser Linie). Siebestehen
aus einem Dotter und einer ihn ganz knapp einhüllenden structurlosen und sehr dünnen , aber
ziemlich festen, durchsichtigen Haut, die wohl nur als Dotterhaut {Membrana vitellina) gelten
kann.
Clepsine marginata legt ihre Eier in einer einfachen oder zum Theil auch doppelten
Schicht an mancherlei im Wasser befindliche Gegenstände, vorzüglich an die Blätter von Stra-
tiotes aloides , zusammen mit einer dicklichen Flüssigkeit, die alsbald zu einem weissen und
ziemlich festen Kitt erhärtet, durch den sie unter sich und mit dem unterliegenden Gegen-
stände verbunden werden. Andere Clepsinen aber, namentlich CI. complanata, CI. hioculata
1) MonograpMe de la famille des Hirudinees. Pr. edit. Paris, 1827. Pag. 105.
10*
76
Clepsine.
und CI. maculo&a, kitten die Eier nicht selbst und unmittelbar an andere Gegenstände an , son-
dern setzen sie an solche (CI. complanata vorzüglich an die Blätter von Stratiotes aloides) hau-
fenweise in besonderen Hülsen ab, die eine an sich structur- und farblose, völlig durchsichtige
und dünnwandige, aber ziemlich feste häutige Blase darstellen und ausser den Eiern eine ver-
hältnissmässig geringe jNIenge einer sehr dünnen, farblosen und ganz klaren eiweisshaltigen
Flüssigkeit einschliessen.
Clepsme complanata und CI. hioculata produciren (um die Mitte des Frühlings) je nach
ihrem Alterund ihrer Grösse 1 bis 7 dergleichen Hülsen, je mit 10 bis 20 Eiern. Von den
beiden Exemplaren der CI. maculosa, die mir zugebracht waren , starb das eine vor dem Eierle-
gen, während das andere am 8. Juni 2 solche Hülsen absetzte, von denen jede ungefähr 40 Eier
enthielt.
Die Bildung dieser Hülse ist nach den Beobachtungen Grobe’s*) ganz ähnlich, wie
ich das bei Nephelis beschrieben habe. Aus den weiblichen Geschlechtsorganen ergiesst sich
eine tropfbare Flüssigkeit, die den Körper gürtelförmig umfliesst, die Eier in sich aufnimmt
und zu einer geschlossenen Kapsel wird , nachdem der Körper sich durch eine plötzliche Bewe-
gung aus dem Gürtel hervorgezogen hat. Freilich sieht man an diesen Hülsen nirgends die Spu-
ren der früheren Oeffnungen, wie bei Nephelis, allein das erklärt sich wohl durch die That-
sache, dass die Erhärtung der Oberfläche zur Zeit des Schliessens erst in einer unvollständigen
Weise stattgefunden hatte.
§. 3.
Der Dotter ist in den gelegten Eiern der Clepsine hioculata halbdurchsichtig, in denen
der übrigen hierländischen Clepsinen ganz undurchsichtig. Ferner ist derselbe bei der erstem
Art schwach kupferroth, bei CI. meistens schwach röthlich - weiss , mitunter aber
grünlich - weiss oder auch beinahe milchweiss, bei CI. maculosa dunkel lauch-grün und bei CI.
marginata citronen- oder canarienvogel-gelb. Salpetersäure ändert die gelbe Farbe des Dotters
der letztgenannten Art in eine spangrüne und die des Dotters von CI. maculosa in ein helles
reines Grün (Ungarisches Berggrün) um; dem Dotter von CI. complanata aber entzieht sie die
röthliche oder grünliche Farbe, wenn er eine solche hatte. Der Consistenz nach bildet der
Dotter in frisch gelegten Eiern einen dicklichen und ziemlich zähen Brei, der aus seiner blasen-
förmigen Haut, wenn diese unter Wasser angestochen ist, nur in einer geringen Quantität her-
vordringt, im Uebrigen aber seinen Zusammenhang zu behalten strebt. Zusammengesetzt ist
er theils aus kleinen verschiedentlich gestalteten Formelementen oder Dotterkörperchen, theils
aus einer farblosen, klaren, und albuminhaltigen dicklichen Flüssigkeit, die als ein Liquor vi-
telli das Bindemittel jener Körperchen ausmacht. In den Massenverhältnissen dieser beiderlei
Stoffe finden sich übrigens bei den einzelnen Arten mancherlei Verschiedenheiten, indem z. B.
die Menge der Dotterkörperchen in den Eiern der CI. complanata, CI. maculosa und CI. margi-
1) Untersuchungen über die Entwicklung der Clepsinen. Königsberg, 1S44. S. 3.
Eier.
77
nata den bei weitem grossem, in denen der CI. hioculata aber nur den kleinern (etwa dritten )
Theil der ganzen Dottersubstanz ausmacbt.
Bei näherer Untersuchung erscheinen diese F’ormelemente übrigens von doppelter Art.
Die einen sind unmessbar kleine Molekularkürper von kugliger Gestalt, die nach Art der Fett-
körner das Licht stark brechen und ein nur geringes specitisches Gewicht besitzen. Durch Essig-
säure und Aetzkali werden sie in keiner Weise geändert, wohl aber lassen sie sich, wenn meh-
rere beisammen liegen, durch Druck zu einer grossem Kugel zusammentreiben. Sie sind un-
streitig Kügelchen eines flüssigen reinen Fettes. An sich vollkommen farblos, erscheinen sie bei
auffallendem Lichte -weiss, sobald sie zusammengehäuft sind. Nach Suspension im Wasser
beobachtet man an ihnen eine lebhafte Molekularbewegung.
Die Körperchen der zweiten Art, die einen ungleich grossem Antheil an der Gesammt-
masse des Dotters nehmen und auch die Färbung desselben bestimmen , lassen sich in mehrfa-
cher Hinsicht mit den bekannten Dotterplättchen der Frösche*) und anderer Thiere vergleichen.
Freilich sind es weniger die Gestaltverhältnisse, die hier maassgebend sein möchten, als die
Eigenthümlichkeiten der chemischen Keactionen, über die ich alsbald ein Näheres mitzuthei-
len habe.
Form und Grösse dieser Körperchen zeigen einen ausserordentlichen Wechsel. Die
kleinsten derselben sind kaum ansehnlicher, als die grösseren Molekularkörner, während an-
dere nicht selten, besonders bei Clepsine maculosa, CI. marginata und CI. complanata , bis
zu 0,00 1'' heranwachsen. Ganz unabhängig von der Grösse sind die einen mehr oder weni-
ger kugelförmig, andere oval, dreieckig mit abgestumpften Ecken , nierenförmig, kartenherz-
förmig oder auch ganz unregelmässig geformt, und noch andere von einem solchen Aussehen,
als wären zwei oder drei rundliche mit einander an einer Seite verschmolzen. So wenigstens bei
den genannten Arten, während sie dagegen in den Eiern von CI. hioculata im Allgemeinen eine
ziemlich regelmässige Kugelform besitzen. Durch Lichtbrechung und Glanz erinnern sie an die
Molekularkörner, aber sie sind schwer und sinken im Wasser zu Boden. Karmin, der in einem
mit kaustischem Ammoniak versetzten Wasser aufgelöst worden ist, eignen sie sich begierig an
und Averden dadurch dunkelroth gefärbt. Auch nehmen sie bei Berührung mit Chromsäure
oder lodtinctur leicht deren Farbe an. Durch Druck werden sie abgeplattet, und zum Zer-
springen gebracht, wie man besonders dann erkennen kann, wenn sie durch Karmin vorher
gefärbt wurden. Schwefeläther löst sie weder im kalten, noch im erhitzten Zustande, wogegen
aber Wasser und, noch besser, wässrige Lösungen von Aetzkali, Essigsäure, Aqua Laurocerasi
u. A. sie stark aufschwellen und auch sonst verändern. Gew’öhnlich geht nach Zusatz beson-
ders der letztgenannten Reagentien der Glanz und dunkle Rand der Körner verloren, die Farbe
verbleicht, die aufgeblähete Masse verliert ihre Festigkeit und })lattet sich scheibenförmig ab.
In einer Lösung von Aetzkali erhalten sich die Körperchen stundenlang in dieser ver-
änderten Form, wogegen sie in Essigsäure nach kurzer Zeit vollständig zerfliessen.
1) Vergl. über diese Gebilde besonders Virchow, lieber die Dotterplättchen bei Fischen und Amphi-
bien. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. Bd. IV. S. 236.
78
Clepsine.
Nach dem Angeführten ist es mir Avahrscheinlich , dass die Dotterkörperchen der zwei-
ten Art aus einer proteinhaltigen Substanz und einer Fettseife zusammengesetzt sind.
Die grösseren und mittelgrossen Dotterkörperchen von Clepsine complanata und CI.
marginata zeigen bei einer starken Vergrösserung und einer Beleuchtung von unten her an
ihrem Rande einen schwach bläulichen Schein , und besitzen überhaupt ein solches Aussehen,
als wenn ein jedes derselben mit einer besondern häutigen Hülle versehen wäre. Durch starken
Druck oder AnAvendung von Essigsäure oder Karmin kann man sich indessen bald überzeugen,
dass an ihnen keine besondere häutige Hülle vorkommt. Dagegen aber besitzen die Dotterkör-
perchen von Clepsine hioculaia einzeln , oder auch mitunter ein grösseres und ein kleineres zu-
sammen, Avirklich eine A'erhältnissmässig ziemlich dicke besondere Hülle, nur dass dieselbe
auch hier keine eigentliche Haut ist, sondern von einer gallertartigen Substanz gebildet Avird,
die allem Anscheine nach aus Liquor vitelli besteht und sich von dem geAvöhnlichen Bindemittel
der Dotterkörperchen nur durch eine etAvas grössere Dichtigkeit unterscheidet. Bei Wasserzu-
satz schAvillt diese Umhüllung etAA-as an, Avährend sie durch Chromsäure zum Gerinnen gebracht
Avird und eine grössere Festigkeit annimmt. Essigsäure löst dieselbe rasch auf.
Dieses gemeinsame Bindemittel der Dotterelemente oder der Liquor vitelli erscheint
überall als eine völlig farblose, durchsichtige und zähe, dickliche Flüssigkeit, in der durch Zu-
satz von Chromsäure und Weingeist eine scliAvache und zarte Granulation hervortritt.
§. 4.
Ausser den schon angegebenen Theilen findet man in dem Dotter der Clepsinen und
namentlich der Clepsine complanata, wenn man ihn in Wasser ausgelassen und ausgebreitet hat,
eine mässig grosse Anzahl farbloser Kugeln, die einen Durchmesser von 0,0006 bis 0,0020 "
(oder sogar einen noch grössern) besitzen und von Grube, der sie für häutige Blasen hielt und
bei den Erscheinungen der Embryonalzellenbildung eine grosse Rolle spielen liess, die Kernku-
geln des Dotters genannt worden sind, ’j Eine häutige Hülle aber kommt au diesen Kugeln,
wie ich mit Bestimmtheit angeben kann, nicht vor, vielmehr bestehen sie an ihrer Oberfläche,
wie in ihrem Innern, aus einer albuminhaltigen dicklichen Substanz. Dabei sind sie entAveder
vollkommen klar und von einer gleichartigen Beschaffenheit, oder sie enthalten — Avas jedoch
weniger häufig der Fall ist — eine grössere oder geringere Menge molekularer Dotterkorperchen.
Im Wasser schAvellen sie etAvas an, und dann bildet ihre Substanz um das von ihnen aufgenom-
mene Wasser eine dünuAvandige Begrenzung , in der die etAAa eingeschlossenen Alolekularkör-
per lebhafte BeAvegungen machen. Chromsäure hebt die Bewegungen dieser Körper wdeder auf,
verkleinert ihren Umfang und bringt ihren Inhalt zum Gerinnen.
So bestimmt die Bildung dieser Kugeln auf den ersten Blick zu sein scheint, so sind
1) A. a. O., S. 11.
Eier.
79
dieselben doch keine Bestandtheile des normalen und unverletzten Dotters, sondern erst nach
Eröffnung des Eies bei der Berührung mit Wasser aus dem Liquor vitelli, also aus dem Binde-
mittel der Dotterkörperchen, entstanden.
Zur Begründung dieser Angabe habe ich zunächst anzuführen, dass die sog. Kern-
kngeln nach einer von Grube selbst gemachten Aeusserung »nur beim langsamen Ausfliessen
zerdrückter Dotter zum Vorschein« kommen. Und das geschieht, wie ich hinzufügen kann, nur
im Wasser, keineswegs aber dann, wenn die Eier resp. Dotter in Hühnereiweiss untersucht
w'erden. Dazu kommt endlich, dass ich solche Kugeln nicht selten unter meinen Augen aus dem
Liquor vitelli entstehen sah. So geschah es einige INIale, als ich durch Aufheben des Deckgläs-
chens Wasser in die bis dahin wasserfreie Dottermasse eines Präpamts eindringen liess, dass das
durch auseinanderweichende Dotterkörperchen isolirte Plasma unter Berührung mit dem ein-
dringenden Wasser sich alsbald in ganzer Masse oder nach vorhergegangener Theilung zu einer
solchen Kugel zurundete. Ebenso habe ich mehrfach beobachtet, dass die beim Einschieben
einer grössern Dottermasse in einen Wassertropfen sich nicht selten fadenförmig ausspinnende
Dottersubstanz ihre Körnchen bei der Berührung mit dem Wasser verlor, sich an zwei oder drei
Stellen ringförmig einschnürte und sich schliesslich in eine ganze lieihe GKUBE’scher Kern-
kugeln auflöste. Auch habe ich in Fällen , in denen ich in die Eihaut unter Wasser einen sehr
kleinen Einstich gemacht hatte, mehrmals bemerkt, dass aus der entstandenen Oeffnung an-
fangs nur eine ganz uni'egelmässig geformte Partie eiiier farblosen dicklichen Flüssigkeit (des
Liquor vitelli) hervorquoll, dass sich dann aber dieselbe nach einiger Zeit von der übrigen
Masse des Dotters losriss und alsbald das Aussehen einer sogenannten Kernkugel annahm.
Noch will Grube in den frischgelegten Eiern der Clepsinen molekulare und grössere
Dotterkörperchen gemeinschaftlich in Hüllen von 0,0001 bis 0,0013" Durchmesser eingeschlos-
sen gefunden haben. Solche Körper schienen auch mir, als ich die Eier von Clepsine comqila-
zu untersuchen angefangen hatte, in denselben vorzukommen ; bei spätem Untersuchun-
gen aber ergab sich, dass diese zusammengesetzten kugelförmigen Körper, die ich auch noch
aus dem Dotter fast zum Auskriechen reifer Embryonen hervorgehen sah, nur dann zum Vor-
schein kamen, wenn der Dotter mit Wasser vermischt worden, dagegen fehlten, wenn er
in Eiweiss aus Hühnereiern untersucht wurde. Auch hier handelt es sich um isolirte Theilchen
\ im Liquor vitelli entweder für sich oder mit einzelnen darin eingeschlossenen Molekularkörnern.
Wenn man diese Gebilde länger beobachtet, dann sieht man besonders bei Anwendung eines
Druckes, nicht selten, dass sich ihr halbflüssiger klarer Theil von den darin eingeschlossenen
grösseren Dotterkörperchen abstreift und eine neue Kugel bildet. Ueberhaupt zeigen isolirte
kleine Partieen des Dotters von Clepsinen , wie dergleichen Partieen eines Froschdotters, im
Wasser ein Bestreben, sich zu Kugeln zuzurunden. Oefters sah ich daraus selbst ansehnlich
grosse Kugeln entstehen, von denen, wenn sie durch einen Druck getheilt worden w'aren, die
einzelnen Stücke in kurzer Zeit von Neuem Kugelform annahmen.
80
Clepsine.
§• 5-
In dem mütterlichen Leibe haben die reifen Eier, oder vielmehr die Dotter der Clepsine
complanata eine erbsengrüne Farbe. Nur in seltenen Fällen aber behalten sie dieselbe nach
dem Ablegen bei, denn sobald sie der Einwirkung des Wassers oder der atmosphärischen Luft
ausgesetzt werden, ändert sich gewcihnlich ihre frühere Farbe in eine etwas in’s Graue spielende
röthlich- Aveisse oder eine schwach in’s Grüne ziehende milchweisse um. Eine solche Farben-
veränderung habe ich an Dottern, die noch in den Eileitern lagen, alsbald vor sich gehen sehen,
wenn ich die mit ihnen angefüllten Canäle unter Wasser präparirt oder auch nur den Wurm in
der Höhe der weiblichen Geschlechtsorgane quer durchschnitten hatte. Die Eier der anderen
hierländischen Clepsinen behalten nach ihrer Absetzung die Farbe bei, welche sie im Leibe
ihrer Mutter angenommen hatten.
Die bereits in die Eierleiter übergetretenen Eier der Clepsine complanata ( und sonder
Zweifel auch der übrigen Clepsinen) enthalten weder ein Keimbläschen , noch einen besondern
Keim. Die grösseren Dotterkörperchen haben um diese Zeit eine meistens kugelrunde, seltener
ovale Form. Andere Formen habe ich an denselben nicht bemerken können, weshalb denn
wohl zu vermuthen ist, dass sie solche erst später annehmen, nachdem die Eier gelegt und der
Einwirkung der Luft und des Wassers ausgesetzt worden sind.
§. 6.
Das Entwicklungsleben der Clepsinen ist nicht blos morphologisch, sondern auch in
Hetracht der äussern Umstände mehrfach von dem der Nephelis verschieden. Da wir die mor-
phologischen Momente in Nachfolgendem einer speciellern DarstelLung unterziehen werden,
können Avir über die Eigen thümlichkeit derselben hier hiiiAveggehen. Dagegen erwähnen wir in
EetreiF der äussern Verhältnisse, dass die Geburt der Embryonen bei den Clepsinen auf einer
ungleich frühem EntAvicklungsstufe eintritt, als bei Nephelis. Die Jungen Amn Nephelis ver-
lassen ihre Eihülsen in einem Zustande, in Avelchem sie den Eltern bereits in allen wesentlichen
Punkten — bis auf die mangelnde Geschlechtsentwicklung — gleichen, während die jungen
Clepsinen zur Zeit der Geburt durch äussere Form und iunern Bau von ihren Eltern in auffal-
lendster Weise verschieden sind. Unfähig, auf dieser unvollkommenen Entwicklungsstufe nach
Art ihrer Ellern zu leben, verharren sie noch eine längere Zeit unter der schützenden Decke
des mütterlichen Körpers , um hier ihre Organisation allmählich zu vervollständigen und einen
EntAvicklungsgang zu beendigen , der bei Nephelis im Innern der Eihülse durchlaufen Avird.
Die EntAvicklungsgeschichte von Clepsine gliedert sich hiernach sehr natürlich in ZAvei
Perioden, von denen die erste im Innern des Eies, die andere unter dem Schutze des mütter-
lichen Leibes verlebt wird.
In zeitlicher Beziehung ist die letztere die längste. Sie begreift einen Zeitraum von un-
gefähr 16 — 18 Tagen, während die erstere gewöhnlich nur 6 oder 7 Tage für sich beansprucht.
Erste Periode.
S1
Erste Periode.
§• "•
Die Eier der Clepsinen erfahren nach der Befrnchtung und dem Ablegen eine totale
Durchfurchung, die sich aber von der sowohl der Nejdielis , wie auch der übrigen mir bekann-
ten Thiere durch eine Reihe von eigenthümlichen Verhältnissen auszeichnet.
Bevor dieser Vorgang indessen beginnt, entsteht zwischen dem Dotter und der ihn
umhüllenden Haut, der Dotterhaut, wie dies gleichfalls in den Eiern der Nephelis vulgaris
der Fall ist, ein kleiner Zwischenraum, der bei einer Beleuchtung von unten als ein heller Hof
erscheint und mit einer dünnen tropfbaren Flüssigkeit erfüllt ist. Freilich erhält dieser Zwi-
schenraum niemals einen bedeutenderen Umfang. Er bleibt (Taf. VI. Fig. 1 u. fg.) vielmehr
bis zur Geburt des Embryo fast ohne alle bemerkbare Veränderung , so schmal , wie er von An-
fang an gewesen war, während er bei Nephelis bekanntlich immer grösser und grösser wird.
Aus diesem Grunde, wie auch deshalb, weil die Dotterhaut der Clepsinen verhältnissmässig
viel dicker und fester ist als die gleichnamige Haut der Nephelis vulgaris, halte ich für wahr-
scheinlich, dass die in dem angeführten Raume vorkommende Flüssigkeit nicht, wie in den
Eiern einer Nephelis , von aussen eingedrungen, sondern von dem Dotter, während seine Form-
elemente sich einander näherten und auf einen kleinern Raum zurückzogen, ausgeschieden
worden ist. Dass eine solche Absonderung einer sehr dünnen tropfbaren Flüssigkeit aus dem
Dotter eines Thieres mit totaler Durchfurchung erfolgen kann , lässt sich am sichersten an den
Dottern der Spinnen nach weisen, in deren Peripherie sich eine solche Flüssigkeit beim Able-
gen der Eier nicht vorfindet, sich aber vor dem Eintritte der Durchfurchung in einer ziemlich
beträchtlichen Menge anhäuft, obschon sich in den Cocons dieser Thiere ausserhalb der Dotter-
häute nur atmosphärische Luft befindet.
Jener bläschenförmige peripherische Tropfen, den wir bei Nephelis oben aus dem Dot-
ter vor Beginn der Durchfurchung hervordringen sahen und bei zahlreichen Thieren beobachten
können , wird in den Eiern der Clepsinen eben so wenig, wie in denen der Spinnen und Crusta-
ceen jemals aufgefunden.
§. 8.
Die Durchfurchuug und Zerklüftung des Dotters beginnt damit, dass an ihm eine
ziemlich breite und tiefe Ringfurche entsteht, durch die er unvollständig in zwei an Grösse
etwas ungleiche und ungefähr halbkugelförmige Hälften getheilt wird. ( Taf. VI. Fig. 2.) Ist
dies geschehen, so bildet sich an der einen (Taf. VI. Fig. 3.) und etwas später an der andern
Hälfte desselben (Taf. VI. Fig. 4.) eine neue, gleichfalls ziemlich breite und tiefe Furche,
die jene Ringfurche unter ziemlich rechtem Winkel schneidet. Nach Entwicklung dieser Furchen
Rathke, Entwicklung der Hirudineen. \[
S2 Clepsine.
scheint der Dotter an seiner Oberfläche durch 4 wie Meridiane verlaufende und an zwei einander
gegenüber liegenden Stellen, wie in zwei Polen zusammen treffende Furchen in 4 etwas ungleich
breite Pallen getheilt. (Taf. VI. Fig. 4.) Bis hieher hat sich noch kein auffallender Unter-
schied zwischen Clepsine und Neplielis gezeigt. Aber von da an gehen beide sonst so nahe ver-
wandte Thiere nach verschiedenen Richtungen auseinander. Statt dass der eine der vier Fur-
chungsballen nun weiter zerfällt, die andern aber unverändert bleiben, wie bei Neplielis, thei-
len sich alle nochmals, und zwar durch Meridianfurchen, die in der Regel nicht zu derselben
Zeit entstehen, vielmehr gewöhnlich in kurzen Zeiträumen nacheinander sich bilden. (Taf. VI.
Fig. 5 bis 8.) Auf diese Weise entstehen aus den vier früheren Furchungsballen dann
6 und 8, die wie die Segmente einer Pomeranze neben einander liegen, also von einem
Pole des Dotters bis zum andern reichen, dabei aber gew’öhnlich eine etwas verschiedene Breite
besitzen. Die Felder oder Flächen, welche diese Furchungsballen nach aussen begrenzen, dürfte
man am passendsten mit dem Namen der Meridianfelder belegen können.
Gleichzeitig mit der Durchfurchung oder Klüftung des Dotters erfolgt an demselben
in der Richtung seiner Achse eine solche Abplattung, dass er nach einiger Zeit ein sog. Um-
schwungs-Sphäroid darstellt, das je nach den Arten der Clepsinen auch im Aeussern eine mehr
oder weniger grosse Aehnlichkeit mit der schon oben zum Vergleiche angezogenen Pomeranze
hat, und am stärksten abgeplattet ist (selbst stärker als die genannte Frucht), wenn der Dotter
(Taf. VI. Fig. 8.) von Clepsine complanata herstammt. Je w'eiter die Verkürzung der Dotter-
achse fortschreitet, desto breiter w'erden die Meridianfelder, und desto mehr weichen dieselben
an den Polen des Dotters auseinander. Auf diese Weise entstehen an den Abflachungen des
Dotters jetzt zwei neue Felder, die von rundlich eckiger Form sind und eine schwach convexe
Oberfläche besitzen, zwei sog. Polarfelder. Je grösser die Zahl der Meridianzonen ist, die diese
neuen Felder begrenzen , desto grösser ei'scheint natürlich auch die Zahl der Ecken an deren
Rande. i\lan erkennt dieselben bereits zu einer Zeit, in der nur erst 5 oder 6 Meridianzonen
vorhanden sind, und diese bleiben , wie wir wissen , nicht selten lange, bevor sie auf 8 sich
vermehren. Immerhin aber dürfen wir diese letztere Zahl als die Normalzahl ansehen.
Die Existenz dieser Polarfelder wird erklärlich , sobald man durch weitere Unter-
suchung die Ueberzeugung gewonnen hat, dass sie die äusserlich sichtbaren Flächen zweier beson-
derer Fui'chungsballen darstellen, die mit ihrer übrigen Masse unter den bisher betrachteten
Theilstücken versteckt sind. Wie diese beiden Ballen entstehen, ist mir an den undurchsichtigen
Dottern der Clepsine complanata , CI. maculosa, CI. marginata nicht klar gew'orden, wie ich
denn auch eben so wenig entscheiden kann, ob ausser ihnen zu der Zeit, wenn an dem Dotter
dieser Thiere schon mehr als 4 Meridianfelder gefunden werden , noch andre Furchungsballen
im Innern versteckt sind. Ich vermuthe indess, dass die 4 ersten Furchungsballen sich zu-
nächst je in einen äussern und einen innern theilen, dass die 4 innern Ballen sich dann in der
Achse des Dotters linear an einander reihen, und von ihnen die beiden Endballen zwischen den
äussern Theilstücken zumVorschein kommen, sobald die letztem durch ihre Verkürzung an den
Polen auseinander rücken.
Erste Periode.
83
Eine sichere Auskunft über die Entstehung der erAvähntcn Polarfelder würde sich wahr-
scheinlich in den halbdurchsichtigen Dottern der Clepsine bioculata erlangen lassen, doch habe
ich davon nur solche untersuchen können , die in ihrer Entwic kelung schon ziemlich weite
Fortschritte gemacht hatten.
Wie die Dotter vieler anderer Thiere mit totaler Durchfurchung, so verlieren auch die
Dotter der Clepsinen kurz vor Beginn dieses Vorganges um ihren ^littelpunkt herum an Festig-
keit und Zähigkeit. Sie werden daselbst , namentlich die der Clepsine coynplanata, auch etwas
klarer, während sie gegen ihre Oberfläche hin an Festigkeit nnd Zähigkeit gewinnen, indem
sich die Dotterkörperchen hier um so mehr einander nähern und zusammendrängen , je mehr
sie aus dem INlittelpunkte zurückweichen. Uebrigens habe ich weder in den Dottern der Clep-
sine complanata, noch in denen der CI. marginata jemals , selbst nach Kochen im Wasser oder
nach xAnwendung von Salpetersäure, die sie gleichfalls stark erhärtet, im Alittelpunkte einen
Theil des dicklichen Liquor vitelli so rein ausgeschieden gefunden , dass er gleichsam einen
Kern für das Ganze dargestellt hätte, vielmehr diese Substanz auch dort zu jeder Zeit mit Dot-
terkörperchen vermischt gesehen. Späterhin, wann die Dotter durchfurcht werden, nimmt die
Alasse im Ganzen an Festigkeit und Zähigkeit nach innen wieder zu , nach aussen aber ab,
indem sich dann ihre Dotterkörperchen zur Bildung von Furchungsballen scheiden und anders
gruppiren. Eben so wenig aber, als die ganzen Dotter der CI. complanata und CI. marginata
vor der Bildung der ersten Furche einen besondern Kern erkennen lassen, eben so w’enig wollte
es mir auch gelingen, in den bisher beschriebenen Furchungsballen einen solchen aufzufinden,
ohne dass ich deshalb jedoch dessen Anwesenheit geradezu verneinen möchte. Die Existenz
solcher Kerne in den späteren Dotterballen macht im Gegentheil glaublich, dass sie auch schon
früher vorhanden seien.
§. 9.
Während die hier beschriebenen Erscheinungen zur Beobachtung kommen, ist der eine
Pol des Dotters und später die Oberfläche des einen Polarfeldes der Sitz eines besondern Vor-
ganges gewesen, der, so eigenthümlich er auch auf den ersten Blick erscheint, zu den bisheri-
gen Veränderungen doch vielfache Beziehungen besitzt und im Grunde genommen kaum mehr
als eine besondere Modification desselben Processes darstellen dürfte.
Um diese neuen Erscheinungen chronologisch zu schildern, müssen wir in eine frühere
Zeit des Entwicklungslebens zurückgreifen.
Ungefähr um dieselbe Zeit, in der zwischen dem Dotter und der Dotterhaut der oben
erwähnte schmale Zwischenraum entsteht, also bevor noch die erste Theilungslinie sichtbar
wird, bildet sich an einer Stelle, dem spätem obern Pole, wie das schon Grube gesehen hat,
eine kleine und dünne, kreisrunde Scheibe, die sich durch ihre weisse Färbung von dem darun-
ter liegenden Dotter deutlich unterscheidet, obwohl sie der scharfen Begrenzung ermangelt und
an den Rändern fast verwischt ist. Diese Scheibe ist aus einer unzähligen Alenge von dicht bei-
sammenliegenden, scharf umschriebenen Molekularkörnchen zusammengesetzt, die durch eine
11*
b4 Clepsine
fast gallertartige, farblose Substanz mit einander verbunden sind und ihrer Form und ganzen
Heschaffenheit nach mit den aus flüssigem Fett bestehenden Dotterkörperchen übereinstimmen.
Es ist daher anzunehmen, dass mit der früher beschriebenen Ausscheidung einer hellen Flüssig-
keit aus dem Liquor vitelli auch zugleich eine Scheidung der bis dahin ordnungslos durch ein-
ander gemengten Dotterkörperchen stattflude, in deren Folge zahlreiche IMolekularkörnchen an
die Oberfläche des Dotters emporsteigen, sich an derselben anhäufeu und durch eine kleine
Menge des dicklich gebliebenen Theiles Liquor vitelli unter einander innig verbunden bleiben.
Die Scheibe, rvelche von diesen Kügelchen und einem Theil des Liquor vitelli gebildet wird,
ist, nach ihrem ganzen ferneren Verhalten, die erste Anlage des Embryo, und kann daher als
Keim, ihre Masse aber als Embryonalsubstanz oder Bildungsdotter bezeichnet werden.
W enn ich denjenigen Theil der Dotteroberfläche, an dem die Bildung dieser Scheibe-
vor sich geht, den obern Pol genannt habe, so geschah das Aveniger mit Eücksicht auf die spä-
teren Schicksale der Scheibe — der Mittelpunkt derselben entspricht seiner Lage nach etAva der
Mundöffnung des spätem Embryo — , als vielmehr deshalb, aa-cU er bei den frei im Wasser
suspendirten Dottern beständig nach oben gekehrt ist. Keiji ZAveifel , dass die Constanj dieser
Lage, Avie die entsprechenden Erscheinungen an den Eiern der Vögel und Amphibien, aus einer
ungleichen GeAA’ichtsvertheilung resultirt und an die Thatsache anknüpft, dass die Eleraentar-
theile der Scheibe, als Fettkörnchen, ein nur geringes specifisches Gewicht besitzen.
Kurze Zeit nach der Entstehung dieser Scheibe erkennt man bei auffallendem Lichte
in ihrer Mitte einen rundlichen Fleck (von 0,0030"), der Amn einem mässig breiten Hofe von
rein Aveisser Farbe umgeben ist und noch Aveiter nach aussen einen entAveder eben so breiten
oder noch etAvas breitem zAveiten Eing zeigt, der im Ganzen eine Aveniger Aveisse Farbe hat
und, je näher seinem verAvischten äussern Eande, um so grauer erscheint. (Taf. VI. Fig. 19.)
ünterAA'irft man diese an dem Dotter haftende Scheibe nach der Erhärtung durch Salpetersäure
einer nähern Untersuchung, so ergiebt sich, dass derjenige Theil derselben, Avelcher sich als
einen grauen Fleck mit einem ihn zunächst umgebenden, rein Aveissen Hofe darstellt (Grube’s
Polarring), aus einem beträchtlich grossen Haufen (0,012") molekularer Fettkügelchen besteht,
die in Gemeinschaft mit einem dicklichen Bindemittel {Liquor vitelli) einen linsenförmigen
Körper zusammensetzen , der einen rundlichen , verhältnissmässig ziemlich grossen und durch-
Aveg gallertartigen Kern enthält, aber von keiner besondern häutigen Hülle umgeben ist, dass
sich also an der bezeichneten Stelle des Keimes aus der Substanz desselben ein mit einem gal-
lertartigen Kern versehener Hallen gebildet hat. Die graue Farbe, AA-elche man bei auffallen-
dem Licht in der Mitte dieser Stelle bemerkt, ist daher zu erklären, dass man in derselben den
1) Auch in den mit zweierlei verschiedenen Dotterkörperchen versehenen Eiern der Spinnen bildet
sich der Keim, Avie ich deutlich wahrgenommen habe , dadurch , dass eine grosse Zahl der kleinsten Fettkörner,
die in den frisch gelegten Eiern mit den übrigen Dotterelementen durch einander gemengt sind , an die Ober-
fläche des Dotters aufsteigt und sich hier ablagert, während gleichzeitig ein Theil des Liquor vitelli in sehr dün-
nem Aggregatzustande über sämmtliche Dotterkörperchen hinausdringt und sich zwischen denselben und der
Dotterhaut anhäuft.
Erste Periode.
S5
nach aussen durchschimmernclen Kern des Hailens und über ihm nur eine mässig dicke Lage
von Fettkügelchen sieht, die rein weisse Farbe des Hofes aber, welche die grau erscheinende
Mittg des scheibenförmigen Keimes zunächst umgiebt , daher, dass an ihm nichts weiter, als
eine Menge dicht beisammenliegender Fettkügelchen erblickt wird. Die weniger weisse b'arbe,
welche der äussere Hof oder das Randstück des Keimes zeigt, hat darin ihren Grund, dass
derselbe nur von einer mässig dicken Schicht von molekularen Fettkügelchen gebildet ist. ’)
§• ib.
Nachdem sowohl die Keimscheibe im Ganzen, als auch der angeführte, in ihr entstan-
dene Hallen mit seinem Kern noch etwas an Umfang zugenommen hat, thcilt sich der Hallen
in zwei im W esentlichen ihm gleiche, also ebenfalls mit einem gallertartigen Kern versehene,
aber kleinere Hallen. Ungefähr um dieselbe Zeit, nämlich entweder kurz vor oder bald nach
der Theilung des zuerst entstandenen Ballens, bildet sich die erste Furche des Dotters, also
diejenige, welche ihn ringförmig umgiebt. Diese Furche trifft auch die Keimscheibe und geht
über dieselbe, sie ein wenig nach innen einbuchtend, so hinweg, dass sie entweder, wenn sich
der Hallen der Keimscheibe schon getheilt hat, zwischen den beiden aus ihm entstandenen Theil-
stücken hinzieht (Taf, VI. Fig. 3.), oder, falls die Theilung noch nicht eingetreten ist, dicht
neben ihm vorbei läuft. (Taf. VI. Fig. 2.)
Auch die nächste Ringfurche, die den Dotter in vier Kugel-Segmente oder Hallen zer-
schneidet, trifft die Keimscheibe (Taf. VI. Fig. 3.), die also in dem einen Kreuzungspunkte
der beiden ersten Furchen, mit anderen Worten in dem einen der später abgeflachten Dotter-
pole ihre Lage hat.
Während darauf der Dotter oder vielmehr derjenige Theil desselben, welcher im Ge-
gensätze zu der Keimscheibe oder dem Hildungsdotter mit dem Namen des Nahrungsdotters be-
legt Averden kann, in seiner Durchfurchung und Zerklüftung fortschreitet , die Zahl seiner
Furchungsballen also vergrössert, vermehren sich auch, und noch weit stärker, durch eine
mehrmals wiederholte Theilung die beiden ersten und um Vieles kleineren Hallen der in Rede
stehenden Scheibe. (Taf. VI. Fig. 4. u. ff.) Gleichzeitig aber nimmt die Scheibe im Ganzen
immer mehr an Masse und Ausbreitung zu, wahrscheinlich dadiu'ch, dass sie immer andere
iMolekularkörner aus dem Nahrungsdotter sich aneignet und zu ihrer weitern Entwickelung ver-
wendet. Wenn alsdann an demjenigen Pol des Nahrungsdotters, an welchem sie ihre Lage hat,
die grossen Furchungsballen, deren äussere Flächen die iMeridianfelder bilden, auseinander
gewichen sind und den früher hier versteckten polaren Furchungsballen entblösst haben , dann
1) Wenn sich der Ballen der Keimscheibe oder der Embryonalsub.stanz vergrössert hat, bemerkt man
bei auffallendem Lichte bisweilen in seiner grauen Mitte einen weissen Punkt, der aber meines Erachtens nichts
weiter als ein Lichtreflex ist.
2) Von einer Wanderung des »Polarringes«, wie sie Grube (a. a. ü., S. IS.) aus einer Beobachtung
folgert, habe ich niemals etwas beobachten können.
86
Clepsine.
überzieht dieselbe nicht blos den letztem, sondern auch die um denselben herumliegenden und
ein wenig darüber hinausragenden abgerundeten Enden der seitlichen Ballen. (Taf. VI. Fig. 5.
u. ff.) Der Form dieser letzteren sich anschmiegend, erhebt sie sich in ihrem peripherischen
Theile kranzförmig in eine Anzahl ziemlich grosser Buckel, die je einem Furchungsballen ent-
sprechen und kappenartig auf den obern Segmenten derselben aufsitzen. Im Gegensätze zu die-
sen Erhebungen bildet der mittlere Theil der Keimscbeibe , der den polaren Furchungsballen
überzieht ( Grube’s Embryonalfeld), eine ziemlich ebene Fläche. Bei näherer Untersuchung
erkennt man auch hier allerdings eine Anzahl kugelförmiger Hervorragungen , *) aber dieselben
sind von ungleich geringerer Grösse (0,Ü03 — 0,004”). Sie sind nichts anderes, als die schon
oben erwähnten Ballen der Keimsche.ibe , die durch mehrfach wiederholte Theilung aus dem
sog. Polarringe hevorgegangen sind und je einen hellen Kern in sich einschliessen. So lange
diese Hügel nur in geringer ]\Ienge Vorkommen, vielleicht zu 5 oder 6 (Taf. VI. Fig. 5, 6.),
sind dieselben noch durch ziemlich grosse Zwischenräume von einander getrennt. Aber diese
Zwischenräume werden kleiner, wo die Hügel durch fortgesetzte Theilung an iMenge zuneh-
men, bis das ganze Embryonalfeld schliesslich (Taf. VI. Fig. 7.) in eine Lage dicht gedrängter
Ballen verwandelt ist, die je zwischen 0,0012 und 0,0018” messen, an Grösse also hinter den
früheren Erhebungen zurückstehen , obwohl sie histologisch nach wie vor damit überein-
stimmen.
Noch bevor übrigens die Zahl dieser Ballen in dem Embryonalfelde zu einer besondern
Höhe herangewachsen ist, erkennt man auch in dem peripherischen Theile der Keimscheibe,
der bis dahin eine einfach körnige Beschaffenheit hatte, eine Anzahl heller Kerne. Anfangs
findet man in einer jeden der acht zapfenförmigen Erhebungen nur einen einzigen (Taf. VI.
Fig. 5, 6.), aber nach einiger Zeit vermehren sich diese Kerne, wie es scheint, gleichfalls
durch eine Theilung. (Taf. VI. Fig. 7.) Im Umkreis eines jeden häuft sich auch hier die kör-
nige Substanz zu einem Ballen an, nur dass die Ballen sich hier weniger scharf begrenzen, als
auf dem Embryonalfelde. Auch bleiben die Ballen noch eine Zeitlang grösser,^) als die letz-
tem (bis 0,003”). Uebrigens scheint es, als wenn die Bildung dieser peripherischen Ballen in
den einzelnen Fällen mancherlei Unterschiede und Unregelmässigkeiten darböte, da es nicht
eben selten geschieht, dass man in Eiern derselben Entwicklungsstufe (mit ungefähr 30 — 40
Ballen auf dem Embryonalfelde) bald nur einen einzigen Kern in je einer peripherischen Er-
1) Gkube nennt diese Hügel »Wandungsballen« und lässt sie irrthümlicher AVeise in der Tiefe der
Furchungskugeln ihren Ursprung nehmen. A. a. O., S. 18 und 21.
2) Auffallend ist die Aehnlichkeit, welche der Keim unserer Clepsinen auf der hier geschilderten Ent-
wicklungsstufe mit der Abbildung daibietet , die KöLLIKER (Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden , Zürich
1S44. Taf. I.) von der Keimscheibe der Sepien gegeben hat. Ich verweise hier namentlich auf Fig. -1. der Köl-
LlKER’schen Abbildung und meine Tafel VI. Fig. 6 , muss aber dabei ausdrücklich hervorheben , dass die Dar-
stellung, die Kölliker von der Entwicklung dieser Bildung giebt, kaum eine Vergleichung mit dem von mir
Beobachteten zulässt. (Und doch dürfte der Unterschied nicht so gross sein, als es auf den ersten Blick den An-
schein hat. Er dürfte sich darauf beschränken, dass sich bei den Cephalopoden der Bildungsdotter allein furcht,
während es beider Clepsine auch zugleich der Xahrungsdotter ist, der, freilich selbstständig und in anderem
Bhythmus, diesen Process durchmacht. Anm. des Herausgebers.)
Erste Periode.
87
hebung antrifFt, bald auch deren 8 und 12. Vielleicht, dass in dieser Beziehung auch die ein-
zelnen Arten gewisse Differenzen darbieten, wie es mir denn z. B scheinen will, als ob bei
Clepsine marginata die Ballenbildung der peripherischen Zapfen viel später vor sich gehe, als
bei CI. complanata, und mitunter erst dann eintrete, wo die-Keimscheibe sich schon in be-
deutendem Umfange über die Zapfen hinaus ausgebreitet hat und auch hier schon deutliche Em-
bryonalballen erkennen lässt.
Die Ballen, deren Bildung wir hier verfolgt haben, sind übrigens alle, auch die klein-
sten und ältesten , ohne äussere Hülle. Sie sind also noch keine vollständigen Zellen und be-
weisen das auch durch die Beschaffenheit ihres Kernes, der einstweilen noch durchweg aus
einer homogenen gallertartigen Substanz besteht, an der sich weder häutige Wand noch Kern-
körper erkennen lässt. Die Umhüllungsmasse dieses Kernes zeigt genau dasselbe Aussehen,
wie die Substanz der primitiven Keimscheibe, zahllose Molekularkörnchen, die durch ein
zähes, flüssiges, gleichfalls gallertiges Bindemittel zusammengehalten werden. Dass solches
mit einer bestimmten Kraft geschieht, beweisen die regelmässigen Formen, die man an den
Ballen beobachtet, beweist namentlich auch die Abplattung und eckige Contour, die man an
den kleineren Ballen des Embryonalfeldes gewöhnlich antrifft.
Bringt man die Ballen, ohne sie vorher erhärtet zu haben, in*'Wasser, so schwillt die
Gallertsubstanz sowohl der Bindemasse, wie auch der Kern alsbald stark an, als Zeichen, dass
dieselbe begierig von der umgebenden Flüssigkeit absorbirt hat. Bei einer Temperatur von
14 — 18° R. erfolgt nach wenigen Stunden sogar eine völlige Auflösung. An isolirten Ballen
beobachtet man nicht selten, dass die weiche Bindesubstanz während des Anschwellens ihre Mo-
lekularkörnchen zur Seite drängt und selbst völlig abstreift, ohne ihre ursprüngliche Form da-
bei zu verändern. Ist der Bildungsdotter in eine ammoniakalische Lösung von Karmin gelegt,
so nehmen nicht blos die Kerne, sondern auch die Gallertmasse der Umhüllungsschicht durch
Imbibition allmählich eine lebhaft rothe Farbe an.
§. 11.
Der Nahrungsdotter der Clepsinen bestand während der Entwicklung der ihm auflie-
genden Keimscheibe bekanntlich aus acht grossen Furchungskugeln, die, wie die Segmente
einer Pomeranze um eine gemeinschaftliche Achse gruppirt waren und durch breite Meridian-
artige Furchen gegen einander sich absetzten. Dazu kamen in der Tiefe noch einige andere
gleichfalls grosse Ballen, die an den Polen zwischen den hier auseinander weichenden Für-.
chungskugeln mit einem Theile ihrer Oberfläche zu Tage lagen. So w'enigstens an dem einen
untern Pole, während an dem obern sich gerade an dieser Stelle die Keimscheibe gebildet hat.
Die nächste Veränderung des Dotters besteht nur in dem Verstreichen der Furchen,
welche die äussern Flächen aller dieser Ballen gegen einander absetzen. (Taf. VI. Fig. 9.) Zuerst
verschwinden die Grenzen des untern Polarfeldes, und es erhält der Dotter dadurch an dieser
Stelle wieder eine ebene Oberfläche. Von da geht dieser Process auch auf die Meridianfurchen
88
Clepsine.
über, die nach der Keimscheibe zu allmählich immer mehr an Breite und Tiefe abnehmen, bis
sie schliesslich gleichfalls verloren gehen. Die oberen zapfeiiförmigen Segmente der von diesen
Furchen begrenzten Kugeln, die von der peripherischen Ausbreitung der Keimscheibe bedeckt
sind, persistiren am längsten. Es gewinnt sogar den Anschein, als Avenn sie bei dem Verstrei-
chen der untern Fux'chen noch mehr sich erhöben und von dem gemeinschaftlichen Mittelpunkte
sich weiter entfernten, so dass man bei der Betrachtung solcher Dotter fast unAvillkürlich an eine
sich eben entfaltende Knospe etwa von Nymphaea lutea erinnert wird. (Taf. VI. Fig. 9.)
Nach kurzer Zeit geht diese Aehnlichkeit verloren. Die Vertiefungen und Erhebungen kommen
auch hier allmählich zur Ausgleichung, und zeigt der Dotter dann eine im Ganzen wieder ebene
Kugeloberfläche. (Taf. VI. Fig. 10, 11.)
Mit dem Aufhören dieser Furchen hat aber keineswegs etwa die Zerklüftung des Dotters
ihr Ende erreicht. Im Gegen theil, dieselbe beginnt mit neuer Energie, nachdem sie eine Zeit-
lang sistirt war. Nur geht dieselbe von jetzt an gewissermaassen im Verborgenen vor sich, näm-
lich ohne von einer Bildung deutlich erkennbarer Furchen an der Oberfläche des Dotters beglei-
tet zu sein, und das ebensowohl an dem Nahrungsdotter Avie auch an dem Keime. Was nun
zunächst den erstem anbelangt, so theilen sich die Hallen, in die er bei der bisherigen Durch-
furchung zerlegt worden Avar, bei dem Verstreichen der früheren Furchen in eine grössere Zahl
von dicht beisammenliegendeu kleineren Haufen, (Taf. VI. Fhg. 10. u. ff.) die eine mehr
oder Aveniger rundliche Form haben, anfangs auch noch von einer ganz ansehnlichen Grösse sind
(0,006 — 0,00 7 "), späterhin aber durch fortgesetzte Theilung sich verkleinern.
Besonders leicht und deutlich lässt sich diese Aveitere Zertheilung des Nahrungsdotters
an den halbdurchsichtigen und wegen ihrer Kleinheit unter dem JNlikroskop, auch bei recht
starken Vergrösserungen , ganz zu übersehenden Dottern der Clepsine hioculata erkennen, Aväh-
rend die undurchsichtigen Dotter der Clepsine complanata zu einer solchen Untersuchung sich
Aveit Aveniger empfehlen. ZAvar bemerkt man auch an den letztem unter dem Mikroskop bei
auffallendem Licht (besonders dann, Avenn die Eier eine schAvach kupferrothe Färbung haben),
nach dem Verluste der frühem F’urchen mehrere oberflächliche scheibenförmig- runde Flecke, die
auf eine Zusammensetzung des Nahrungsdotters aus rundlichen Ballen hindeuten, doch lässt
sich aus dem Anblick derselben nicht mit Sicherheit entnehmen , ob dieselben Avirklich von der-
gleichen Ballen herrühreu. Wenn aber ein solcher Dotter der Clepsine complanata durch Wein-
geist oder sehr verdünnte Salpetersäure oder Chromsäure erhärtet, und darauf durchschnitten
worden ist, so lässt sich deutlich und über allem ZAveifel erkennen, dass sein Kern oder Nah-
rungsdotter, Avie bei Clepsine hioculata, aus dicht beisammen liegenden Ballen von verschiedener
Grösse besteht, die je nach dem Grade und der Art ihrer Abplattung ein Avechselndes Aussehen
haben. Ungefähr um die Mitte der ersten EntAvickelungsperiode kommen in je einem Dotter der
angeführten beiden Wurniarten etwa 30 bis 40 dergleichen Ballen vor, deren Durchmesser (in
den Dottern der Clepsine complanata) von 0,0030 bis 0,0070" betragen. Von einer häutigen
Wandung ist an allen diesen Ballen des Nahrungsdotters, selbst Avenn sie durch die oben er-
Avähnten Mittel erhärtet Avorden sind, nicht die mindeste Andeutung zu bemerken.
Erste Periode.
S9
Dagegen aber entdeckt man bald mehr bald minder deutlich in einem jeden dieser Dot-
terballen einen homogenen hellen Kern von ziemlich beträchtlicher Grösse. Am deutlichsten
sah ich denselben wiederum bei Clepsine bioculata , doch habe ich mich davon überzeugt, dass
er auch den übrigen Arten nicht abgeht. Bisweilen ist in den Ballen auch ein doppelter Kern
vorhanden, wahrscheinlich in solchen, die dicht vor der Theilung stehn. Einmal glaube ich
sogar gesehen zu haben, wie die grossen iVleridianballen , deren Grenzen erst unvollständig ver-
wischt waren, je eine Anzahl von 6 — 8 derartigen Kernen enthielten, die in ziemlich glei-
chen Abständen von einander gelegen rvaren. Ich möchte aus dieser Beobachtung erschliessen,
dass sich die grossen Klüftungskugeln des Dotters nicht etwa mit dem Factor 2 theilen, sondern
zunächst in eine grössere i\Ienge kleinerer Ballen zerfallen, die dann erst ihrerseits wieder
durch gewöhnliche Theilung sich vermehren.
Während der Nahrungsdotter sich in der angegebenen Weise verändert, ist die Keim-
scheibe allmählich immer grösser und grösser geworden. Als wir dieselbe oben zum letzten iNlale
betrachteten, reichte der Rand derselben nur wenig über die vorspringenden oberen Enden des
Meridianfeldes hinüber. (Taf. VI. Fig. 6.) Aber inzwischen hat dieser Rand sich beständig
verlängert. Er ist über die Aequatorialzone des Dotters hinausgewachsen und hat den letzteren
mehr oder weniger vollständig bis zum unteren Pole überwachsen. (Taf. VK Fig. 9 bis 1 1.)
Der Dotter der Clepsinen besteht jetzt also aus zwei Lagen, einer äusseren, die dem
Bildungsdotter angehört und die uns von früherher bekannten kleinen Ballen enthält, und einem
iunern Kerne, der von den Theilstücken des Nahrungsdotters gebildet wird. Die erstere er-
scheint bei auffallendem Lichte mehr oder minder weiss. Ohne alles Pigment lässt sie den da-
runter liegenden Nahrungsdotter, der, rvie Avir wissen, gefärbt ist, je nach ihrer Dicke und dem
Reichthum an Molekularkörnern mehr oder minder stark nach aussen durchschimmern.
An erhärteten Eiern gelingt cs leicht, diese beiden Lagen von einander zu trennen und
die äussere in mehr oder minder grossen Stücken abzuschälen. Die Ballen, welche dieselben zu-
sammensetzen, haben noch immer das von früheren Betrachtungen her bekannte Aussehen,
sind namentlich noch immer ohne Zellhaut. In einer einfachen Schicht neben einander gelagert,
sind sie bald mehr, bald weniger dicht gedrängt und von ungleicher Grösse (meist zAvischen
0,0008 — 0,0018", Kern = 0,0004"). Auch der Grad ihrer Abplattung scheint manche Verschie-
denheit darzubieten. Die Häufigkeit doppelter Kerne, so Avie gestreckter oder semmelbrodartiger For-
men lässt auf die Existenz eines fortAvährenden regen Vermehrungsprocesses zurückschliesseii. In
einzelnen grösseren Ballen finden sich die Kerne mitunter sogar in dreifacher Anzahl. Dabei haben
die Ballen gegen Wasser eine ziemlich bedeutende Resistenzkraft. Nicht blos, dass sie darin
wenig aufschAvellen und ihre Molekularkörner nur selten in BeAvegung gerathen lassen, auch die
flächenhafte Verbindung der Ballen Avird nur sehr langsam darin gelöst. Bei Zusatz von Essig-
säure Averden sie dagegen alsbald und in ganzer Masse in einen formlosen Brei verAvandelt.
Der undurchsichtigste Theil des Keimes Avird von dem frühem Embryonalfelde und
dessen nächster Umgebung geliefert , also von dem ältesten Abschnitte , Avährend die nachge-
bildeten übrigen Theile, welche die ursprüngliche Scheibe zu einer Hohlkugel integriren, so
Kathke, Entwicklung der Hirudineen. 12
90
Clepsine.
zart und durchsichtig sind, dass sie den unterliegenden Nahrungsdottcr nur wenig trüben. Bei
Clepsine complanata zeichnen sich auf diesem dünnen Abschnitte der Keimhaut hier und da ein-
zelne weisse d. h. undurchsichtige Flecke ab, die schon von Gkuue ganz richtig auf grössere
Ballen der Embryonalsubstauz zurückgeführt sind. Sie haben zum Theil drei bis vier j\lal die
Grösse der gewöhnlichen Ballen (bis 0,005").
^ §. 12.
Noch bevor die Keimbaut den ganzen Dotter umwachsen hat, sind mit dem ältesten
Theile derselben, dem Embryonalfelde, neue und wichtige Veränderungen vor sich gegangen.
^^'ir müssen uns erinnern, dass dieses Embryonalfeld anfangs eine im Allgemeinen
scheibenförmige Gestalt hatte. So lange die zapfenförmigen Hervorragungen, die es kranzförmig
umgeben, persistiren, bleibt die Form unverändert. Mit dem Verstreichen derselben geht aber
die scharfe Begrenzung des Feldes verloren. Allerdings ist der Eand, der früher den Zapfen
auflag, nach wie vor durch eine etwas beträchtlichere Dicke und eine davon abhängige weissere
Färbung ausgezeichnet, (Taf. VI. Fig. 11.) allein dieser Rand verläuft nach beiden Seiten so
allmählich, dass die Ausdehnung des Feldes kaum genau bestimmt werden kann.
Nach einiger Zeit verändert sich auch die Form des Embryonalfeldes immer mehr und
mehr zu einem Dreiecke. Anfangs haben die Schenkel desselben so ziemlich die gleiche Länge
und ein gleiches Aussehen, aber bald bemerkt man in Bezug auf letzteres einen Unterschied,
indem der eine Schenkel immer mehr verblasst, während die beiden andern immer stärker her-
vortreten. (Taf. VI. Fig. 12.)
Der früher ringförmige Rand des Embryonalfeldes wird auf diese Weise allmählich zu
zweien Streifen oder Bändern, die sich winkelförmig, wie die Taster eines Cirkels, mit ihrem
einen Ende vereinigen und in unbedeutender Entfernung von ihrem Scheitelpunkte den obern
Pol des noch immer abgeplatteten Dotters in sich einschliessen. *) Nach dem andern Ende diver-
giren die beiden Streifen, und das immer mehr, je weiter sie von dem Scheitelpunkte sich ent-
fernen. Und diese Entfernung wird allmählich immer grösser, da die Streifen keineswegs ihre
ursprüngliche Länge beibehalten. Schon nach kurzer Zeit reicht das hintere Ende bis in die
Aequatorialzone des Dotters (Taf. VI. Fig. 13.), um von da dann alsbald auf die untere
Dotterhälfte überzugehen. (Taf. VI. Fig. 14.) Gleichzeitig weichen die Streifen immer mehr und
mehr auseinander, und zwar stärker, als etwa zwei neben einander hinlaufende Meridiane.
Sie krümmen sich nicht blos in dem Sinne der Kugeloberfläche, sondern auch selbstständig
immer mehr und mehr nach aussen, so dass das zwischen ihnen eingeschlossene dreieckige Feld
von convexen Rändern und nicht von linearen begrenzt wird. Es scheint sogar, dass sie selbst an
ihrem Scheitelpunkte von einander sich entfernen , da der hier anfangs vorhandene spitze Win-
kel allmählich zu einem mehr stumpfen wird.
J) Grube lässt diese beiden Streifen irrthümlicher Weise aus einer Spaltung des dreieckigen Embryo-
nalfeldes hervorgehen. A. a. O., S. 32.
Erste Periode.
91
Sobald die beiden Streifen auf die untere Hemisphäre des Dotters übergehen, kommen
sie natürlich, wie zwei neben einander hinlaufende Meridiane einander wieder näher. Das
zwischen ihnen eingeschlossene Feld, welches bis zur Aequatorialzone immer breiter wird,
verschmälert sich also jenseits des Aequators und nimmt somit eine mehr rautenförmige Ge-
stalt an. Aber dieses Feld bleibt unten offen, weil die unteren Enden der Streifen sich nicht
berühi-en , sondern in einiger Entfernung von einander bleiben und sich schliesslich sogar in
einem kurzen Hogen von einander abkrümmen. Projiciren wir die Streifen auf eine Ebene, so
bekommen wir ein Pild, das Grube mit einer kurzblättrigen Drathzange vergleicht, während es
mich mehr an den Rahmen einer Leier erinnert, dessen obere Hörner einander stark genähert
sind.
Bei allen diesen Vergleichen aber dürfen wir nicht vergessen, duss Feld und Streifen,
die uns hier interessiren , einer Kugeloberfläche angehören und einen Raum überspannen, der
nach vollkommener Ausbildung der Streifen mehr als die Hälfte dieser Oberfläche beträgt. Die
Pole des Dotters fallen also beide in den Bereich des Feldes, welches von den Streifen umschlos-
sen wird, und beide in die Nähe der Endecken. Das ausserhalb dieses Feldes gelegene Kugel-
segment ist also das kleinere. Es beträgt weniger, als eine Hemisphäre und kann demnach bei
gewissen Lagen des Dotters (Taf. VI. Fig. 16.) vollständig übersehen werden, was bei dem
rautenförmig ausgewachsenen Embryonalfelde unmöglich ist. Wird es mit seiner Fläche dem
Beobachter zugekehrt, so erscheint es als eine verkürzte Scheibe, deren breite Seitentheile je
von einem der beschriebenen Streifen, wie von einem sichelförmig gekrümmten Bügel, begrenzt
werden. Die einspringenden Enden der Bügel sind beide, nicht blos das hintere, welches dem
untern Pole angehört, sondern auch das vordere, das mit dem der andern Seite zusammenstösst,
etwas hornförmig gebogen. (Taf. VI. Fig. 16.)
Während des Wachsthums der beiden Streifen haben dieselben aber nicht blos an
Länge, sondern auch an Breite und Dicke zugenommen, so dass sie jetzt wie ein Paar Wülste
auf der Keimhaut vorspringen.
Nach dem, was wir über die Embryonalentwicklung der Nephelis oben kennen gekrnt
haben, kann über die Natur dieser Gebilde kein Zweifel obwalten. Selbst wenn wir nicht
wüssten, dass sie, wie schon Grube beobachtet hat, im I^aufe der weitern Entwicklung mit
einander in ganzer Länge verschmelzen und dadurch den Grund zu der Bauchfläche des späte-
ren Wurmes legten, würden wir sie schon nach der angezogenen Analogie ohne Bedenken als
die Bauchplatten unserer Embryonen in Anspruch nehmen.
Histologisch zeichnen sich die Ballen dieser Bauchplatten durch Kleinheit und dop-
pelte Schichtung aus. Sie messen kaum jemals mehr als 0,001 und von da herab bis 0,0008",
während sie in den übrigen Theilen der Keimhaut theilweise bis 0,002" gross sind. Namentlich
gilt das von dem ausserhalb der Bauchplatten gelegenen Abschnitte, in welchem die Zellen
durchschnittlich eine etwas beträchtlichere Grösse haben und auch weniger die ht liegen , als
in dem ausgewachsenen Embryonalfelde. In beiden Feldern sind die Ballen überdies nur in
einfacher Schicht neben einander ausgebreitet.
O
12*
92
Clepsine.
§• 13.
Wie wir schon oben gelegentlich bemerkten , sind die Rauchplatten bestimmt , ihrer
ganzen Länge nach mit einander zu verschmelzen. Diese Verschmelzung beginnt unmittelbar
nachdem die Dotterkugel umw'achsen ist, und zwar am obern Ende, wo beide bekanntlich von
Anfang an vereinigt waren. Der Winkel, den dieselben hier bilden, (Taf. VI. Fig. 15.) wird
kleiner, indem die Schenkel immer mehr einander sich annähern. Die Annäherung der bei-
den Rauchplatten geschieht aber nicht blos in dem obern Winkel, sondern in ganzer Länge
und am meisten in der Aequatorialzone, w'o dieselben am weitesten von einander abstanden.
Diezwischen ihnen befindliche Keimhaut , die durch Vergrösserung des Embryonalfeldes ent-
standen ist, wird dabqi natürlich immer schmäler, während die gegenüberliegende, ursprüng-
lich mehr scheibenförmige Fläche gleichzeitig an Rreite gewinnt und eine mehr sattelfönnige
Gestalt annimmt. (Taf. VII. Fig. 1 — 3.)
Ich brauche wohl kaum ausdrücklich hervorzuheben, dass die beiden flügelförmigen
. Seitentheile dieses Feldes zu den späteren Seitenwänden des Körpers weiden, während der mitt-
lere Abschnitt desselben den Kücken des Embryo bezeichnet. Dass dieser Rücken eine nur un-
bedeutende Länge hat, (Taf. VII. Fig. 2.) vielleicht kaum einmal den dritten Theil der Kugel-
peripherie beträgt, während die zwei anderen Drittheile auf die Rauchfläche kommen, kann
diese Deutung nicht beeinträchtigen. Wir werden daraus nur so viel schliessen dürfen, dass
der Embryo bei den Clepsineu, wüe bei zahlreichen anderen Gliederthieren, anfangs einen buckel-
förmig vorgetriebenen oder, wenn man lieber will, stark gekrümmten Rauch besitzt. Und
dieser Schluss wird durch das spätere Verhalten vollständig gerechtfertigt.
Während nun aber die Rauchplatten durch Verschrumpfung des zwischen ihnen ausge-
spannten Feldes einander immer näher rücken und von vorn her immer weiter unter sich ver-
schmelzen, verliert der Dotter allmählich seine bisherige pomeranzenförmige Gestalt. Der
I.ängsdurchmesser , der bis dahin noch immer der kürzeste gewesen war, (Taf. VI. Fig. 14.)
obwohl er bald nach dem Schwinden der Meridianfurche wiederum zu wachsen begonnen hatte,
wird jetzt von allen der ansehnlichste. (Taf. VII. Fig. 3.) Der Dotter nimmt somit die Gestalt
eines Ellipsoides an. Um dieses Ellipsoid, so können wir denken, ist die Rauchfläche in Form
eines ziemlich breiten Doppelbandes in der Richtung eines Meridianes derart herumgelegt, dass
die beiden Enden über die Pole hinübergreifen. An dem einen Pole sind die beiden Ränder be-
reits in beträchtlicher Ausdehnung mit einander verwachsen , während sie an dem andern (viel-
leicht von der Mitte an) noch eine Strecke M’eit abstehen. (Taf. VII. Fig. 4.) Der erste ist der
frühere obere Pol, an dem sich die Keimhaut zuerst entwickelt. Er entspricht dem späteren
Kopfende, während der gegenüberliegende Pol, an dem die Rauchplatten sich zuletzt vereinigen,
dem Hinterleibsende angehört.
Die Seitenflächen, die sich nach aussen oder, wenn man lieber will, oben (nach dem Rücken
zu) an die Rauchplatten anschliessen, zeigen noch immer die frühere durchsichtige Reschafienheit.
Auch die darauf sich abzeichnenden weissen Flecke sind noch vorhanden und theilweise selbst
Erste Periode.
93
zu einer sehr beträchtlichen Grösse herangewachsen. Es gilt das namentlich von denjenigen Fle-
cken, die den noch nicht vereinigten hinteren Enden der Hauchplatten anliegen und, sechs an Zahl,
derart gruppirt sind, dass je di-ei eines dieser Enden bogenförmig umfassen. (Taf. VI. Fig. 16,«.)
Trotz der sehr ansehnlichen Grösse, die zwischen 0,0048 und 0,0065 " schw'ankt, also der Grösse
der durch die Seitenflächen durchscheinenden Nahrungsdotterballen gleichkommt, bestehen diese
Flecken, wie die frühem , nur aus einem einzigen Ballen von Embryonalsubstanz, mit einem
ganz ansehnlichen hellen Kerne im Innern. Bei auffallendem Lichte bemerkt man an ihnen das-
selbe ringförmige Aussehen, das wir bei einer füheim Gelegenheit an dem ersten Embryonalballen
(Gkube’s Polarring) hervorgehoben haben und überhaupt bei allen grösseren Embryonalballen
wiederfinden. Es rührt dasselbe offenbar daher, dass die undurchsichtigen molekularen Fettkör-
perchen des Ballens in nächster Umgebung des Kernes am dichtesten zusammengedrängt sind.
Bei genauerer Untersuchung gewinnt man übrigens bald die Ueberzeugung, dass diese
Körnerballen mit den Enden der Bauchplatten in einer ganz ähnlichen Beziehung stehen , wüe
wir das bei Nephelis oben für die zellenartigen Anhänge der Bauchplatten nachgewiesen haben.
Zwischen je einem derselben und den Enden der Bauchplatte ist eine Reihe kleinerer
Ballen ausgespannt, die mit den Ballen der Bauchplatten die gleiche Beschaffenheit haben und
als integrirende Theile derselben betrachtet werden müssen. Die Ballen, die iS“ den Bauch-
platten in vierfacher Anzahl neben einander liegen, lösen sich gewissermaassen reihenweis auf
und treten durch diese Reihen ‘) mit den grossen Endballen in Verbindung. (Taf. VII.
Fig. 5 bis 8.)
Es leidet hiernach keinen Zweifel , dass diese Endballen trotz ihrer grössern Anzahl,
auch trotz der abweichenden Scheiben - oder Linsenform, die sie besitzen, den oben erwähnten
Bildungen von Nephelis durchaus analog sind.
Diese Ballen sind übrigens schon vor der vollständigen Verwachsung der Bauchplatten
deutlich erkennbar. Sie lassen sich bereits auffinden, wenn die letzteren das Rückenfeld des
Embryo in der oben beschriebenen Bügelform umfassen. (Taf. VI. Fig. 14.) Die mittleren, die
gewöhnlich zugleich die grösseren sind, schieben sich dann in die Lücken ein, welche die hin-
teren Enden der Bauchplatten gelassen haben , und schliessen dieselben fast vollständig ab , so
dass die beiden Bügel dadurch einem verbogenen Ringe ähnlich werden. (Taf. VI. Fig. 16.)
§. 14.
Noch bevor die Bauchplatten in ganzer Ausdehnung geschlossen sind, bemerkt man au
ihnen, besonders nach Zusatz verdünnter Essigsäure oder Aqua laurocerasi, in der vordem Kör-
perhälfte und darüber hinaus dieselbe Gliederung in einzelne hinter einander liegende Täfelchen,
die wir bei Nephelis oben genauer beschrieben haben. (Taf. VII. Fig. 5 und 6.) Je weiter die
Verwachsung der Bauchplatten fortschreitet, desto deutlicher wird diese Bildung, desto grösser
1) Grube hat die Stielchen, auf denen diese Körper aufsitzen, übersehen.
94
Clepsine.
auch die Zahl der einzelnen Abschnitte, indem sich nach hinten zu immer neue Täfelchen an
die vorhandenen anschliessen. Die hintersten sind am kürzesten und am wenigsten scharf ab-
gesetzt: wie bei iVephelis, so geht also auch hier die Bildung und Entwicklung dieser Täfelchen
in gerader Linie nach hinten vor sich. Inder iUitte sind übrigens alle diese Täfelchen durch eine
Längslinie getheilt, die den innern noch immer nicht vollständig verschmolzenen Rändern
der Bauchplatten entspricht. Die Täfelchen sind mit anderen Worten symmetrisch gestellte
Doppeltäfelchen .
Zur Zeit der Geburt besitzt der Embryo unserer Clepsinen mehr als 30 solcher Doppel-
tafeln, die bis in das äusserste Ende der Bauchplatten sich erstrecken, in dem letzten Körper-
theile aber sehr dicht stehen.
Zum ersten Male erkennt man jetzt auch die früheren Ballen, die diese Täfelchen zu-
sammensetzen, als deutliche Zellen mit zarter Hülle und einem Kernkörperchen in dem massig
grossen Kerne, der namentlich bei Anwendung einer Karminlösung deutlich hervortritt. Die
Form der Zellen ist durchweg eine rundliche, ihre Grösse zwischen 0,0008 und 0,00 12'\
Wie bei Nephelis, so scheidet sich auch bei den Clepsinen ein jedes dieser Täfelchen in
zwei neben einander liegende Hälften, von denen die eine, die der iMedianlinie des Körpers an-
liegt, zu einem Theile des Bauchmarkes wird, während sich die andere in ein plattes und dünnes
Bündel quer verlaufender ^Muskelfasern entwickelt. Mit Bestimmtheit kann man die Metamor-
phose dieser Täfelchen aber erst nach der Geburt unserer Thiere verfolgen, obwohl die Sonde-
rung der einzelnen Anlagen wenigstens theilweise schon früher vor sich geht. IMuskelfasern
sind zur Zeit der Geburt bei den Clepsinen noch nicht nachweisbar, obwohl dieselben, wie Avir
sogleich sehen werden, um diese Zeit schon bestimmte, wenn auch nicht eben sehr lebendige
Bewegungen ausführen.
Die übrigen Körperwände sind noch so ziemlich unverändert , nur dass es gegen Ende
des Eilebens gelingt, auf ihrer, wie überhaupt auf der ganzen Oberfläche des Embryo eine zarte
Cuticula aufzufinden , die sich bei Wasserzusatz mitunter streckenAveis abhebt. Unterhalb die-
ses Häutchens liegt immer noch eine einfache Schicht von gekernten kleinen Körnchenballen,
in denen man jetzt aber auch hier die Zellennatur nachAA-eisen kann, wenngleich vielleicht noch
nicht so entschieden, Avie in den Täfelchen der Bauchplatten. Die Zellen liegen in mässiger Ent-
fernung von einander und haben ein völlig rundes Aussehen.
Am dünnsten sind die Seitendecken des Körpers in der Nähe der drei grösseren zellen-
artigen Körper, die dem Ende der Bauchplatten anhängen. Noch bei den neugebornen Jungen
zeichnet sich diese Stelle durch ihre Dünne aus, Avie man schon daran erkennt, dass die Kör-
perdecken hier aufplatzen, Avenn man den eingeschlossenen Dotter durch Zusatz Amn Essigsäure
oder Aqua laurocerasi zum Aufquellen bringt.
Mit diesem Nahrungsdotter der Embryonen ist übrigens noch vor der Geburt insofern
eine Veränderung vor sich gegangen, als die grossen Ballen desselben, die bis dahin, Avenn
auch in der letzten Zeit nicht mehr so scharf und deutlich, Avie früher, durch die Seitendecken
des Embryonalkörpers hindurchschimmerten, zerfallen und sich in eine formlose IMasse auf-
Erste Periode.
95
lösen. (Taf. VII. P’ig. 5, u. s. w.) Die Zusainniensetzung dieser iNIasse bleibt übrigens unver-
ändert. Noch immer erkennt man darin die körperlichen Elemente und die zähflüssige ßinde-
substanz der unentwickelten Eier, nur dass vielleicht die Masse der grösseren und grössesten
Dotterkörperchen gegen früher abgenommen bat. •
Nach der Auflösung der Dottcrballen treten die sechs zellenartigen Anhänge der Bauch-
platten noch deutlicher hervor, als das früher der Fall war. Sie haben dureb die fortschreitende
Verwachsung der Bauchplatten natürlich eine etwas andere Lage angenommen. Aus dem Zwi-
schenräume zwischen denselben verdrängt, bilden sie jetzt (Taf. VII. Fig. 7.) einen einzigen,
halbmondförmig vor der hintern Bauchwand hinziehenden Kreisbogen, dessen beide Seiten-
hälften natürlicli ein durchaus gleiches Ansehen haben.
Wie das hintere Ende, so hat sich inzwischen aber auch das vordere Ende' der Bauch-
platten, und dieses vielleicht noch mehr als ersteres, verändert.
Wie w’ir wissen, lag dieses vordere Körperende anfangs flach auf dem Nahrungsdotter
auf, ohne darüber mehr und stärker hervorzuragen, als es die wulstige Beschaffenheit der
Bauchplatten mit sich brachte. (Taf. VII. Fig. 1, 3.) Doch mit der fortschreitenden Verwach-
sung und der beginnenden Gliederung der Bauchplatten ändert sich das frühere Aussehen. Das
vordere Ende hebt sich von dem unterliegenden Nahrungsdotter ab und wächst allmählich in
einen Zapfen aus, der sich durch conische Gestalt und Durchsichtigkeit seiner Masse auszeich-
net, für gewöhnlich aber, in Uebereinstimmung mit den gegebenen Raumverhältnissen, nach
hinten zurückgekrümmt auf der Rückenfläche aufliegt. (Taf. VII. Fig. 5, C.)
Natürlich ist dieser kegelförmige Kopfzapfen nicht von den Bauchplatten allein gebil-
det. Auch die Rückenwand des Embryo nimmt daran Antheil.
Zunächst sieht man anstatt des eigentlichen Kupfzapfens allerdings nur einen von dem
vordem Ende der Bauchplatten herrührenden Vorsprung, aber hinter diesem Vorsprunge bildet
sich alsbald eine Querfurche, die immer mehr in die Tiefe greift und (bei CI. complanata) all-
mählich den grössesten Theil der Rückenwand in sich hineinzieht. Durch diese Querfiirche wird
der Kopfzapfen isolirt und in einen selbstständigen Abschnitt verwandelt, aus dem der Nah-
rungsdotter immer mehr nach hinten zurückweicht. Je mehr das geschieht, desto mehr nimmt
der übrige, an Masse natürlich weit überwiegende Abschnitt des Körpers unter dem Andrange
des Dotters an Dicke und Rundung zu. Namentlich gilt das von dem hintern Körperende, das
durch die Entwicklung und Streckung des Kopfes fast bis zur Keulenform sich auftreibt.
(Taf. VII. Fig. 6.) Uebrigens finden sich, wie es scheint, in dieser Hinsicht beiden einzel-
nen Arten mancherlei Unterschiede. Bei Clepsine marginata z. B. behält der Leib im Innern
des Eies eine ziemlich regelmässige Eiform , wie es scheint aber nur deshalb , weil der Embryo
hier früher geboren wird, als bei CI. complanata, bereits zu einer Zeit, in der die den Kopf-
zapfen auf der Rückenfläche isolirende Furche noch eben nicht besonders stark sich vertieft hat.
Die Nieren - oder Bühnenform, rvelche bei dem Embryo von CI. complanata in der letzten Zeit
des Eilebens ganz allgemein gefunden wird, fehlt der CI. margmata.
Sobald übrigens der Kopfzapfen isolirt ist, sieht man auf seinem abgestumpften Ende
96
Clepsme.
eine Oeffnung, die sich nach hinten in einen ziemlich engen Kanal fortsetzt. (Taf. VII. Fig. 6\)
Ueber die Natur dieser Bildung kann kein Zweifel sein. Es ist der Mund und die zunächst
daran sich anschliessende Schlundröhre. Auf welche Weise sich dieselben gebildet haben, muss
ich freilich im Ungew'issen lassen, wie sich denn überhaupt die Einzelnheiten der bei der Ent-
wicklung des Kopfzapfens in Heti-acht kommenden Vorgänge meiner Untersuchung entzogen
haben. Es gilt namentlich auch von der Entwicklung des Hirnes , über das ich nur so viel mit-
theilen kann, dass es den Embryonen nicht fehlt, so wie von dem Verhalten des Kopfzapfens
zu den ersten Täfelchen der Bauchplatten, das w'egen der complicirten Bildung des ersten Gang-
lions der Bauchkette von Wichtigkeit ist.
Im Vergleich mit Nephelis geschieht die Bildung des Kopfzapfens bei den Clepsinen
in einer verhältnissmässig späten Zeit des Fruchtlebens. Aber dafür hat auch der Kopfzapfen
der letztem keinerlei besondere Leistungen zu erfüllen. Er übt keine Schluckbewegungen,
bevor der Embryo geboren ist, noch bedeckt er sich jemals mit Wimperhaaren, die eine
Botation des Körpers vermitteln könnten. Zu beiderlei Thätigkeit dürften auch die äusseren
Lebensverhältnisse der noch immer in eine eng anschliessende Eihaut eingeschlossenen Em-
bryonen kaum geeignet sein.
Der Kopfzapfen der Embryonen ist übrigens trotz alle dem auch bei den Clepsinen der-
jenige Körpertheil, der die frühesten Bewegungserscheinungen kund giebt. IMan sieht ihn seine
Form und Lage gelegentlich schon zu einer Zeit verändern , in w^elcher der übrige Leib noch
durchaus starr erscheint. Die Bewegungen sind allerdings niemals besonders lebhaft, allein sie
reichen doch hin, um die Dotterhaut, die allmählich wieder eine vollständige Kugelform ange-
nommen hat, zu durchbohren und den Embryo nach dem Hervorschliipfen aus der Hülle an der
Bauchfläche seiner Mutter zu befestigen.
Diese Befestigung ist eine sehr innige, so dass es schwer hält, die Embryonen ohne
Verletzung des Kopfzapfens zu lösen. Indessen glaube ich nicht, dass sie auf andere Weise,
als durch ein Ansaugen mittelst der Mundöffnung vermittelt wird.
ZAveite Periode.
§■ 15.
Wie schon erwähnt worden, zeigt die Gestalt und der Entwicklungsgrad der neugebornen
Clepsinen bei den einzelnen Arten manche Verschiedenheit. Namentlich ist es die Cl.marginata,
die sich in dieser Hinsicht von der CI. complanata , die ich vorzugsweise studirt habe, und der
CI. bioculaia, die von der letztgenannten Art kaum abweicht, auszeichnet. Der Körper der
neugebornen CI. marginata hat eine Eiform mit einem stumpfen und einem spitzen Ende. In
der Mitte des ersteren erhebt sich der Kopfzapfen, der eine fast walzenförmige Gestalt hat und
Zweite Periode.
97
von unbedeutender Länge ist. Nach hinten setzt sich dieser Zapfen in die fast ungegliederten
schmalen Bauchplatten fort, die dicht neben einander bis zum spitzen Pole hinlaufen, denselben
umfassen und auf die Rückenfläche des Körpers übergehen , um hier etwas divergirend in die
bekannten grossen Zellenkörper auszulaufen. Vom Kopfzapfen abgesehen, ist der ganze Leib
der neugebornen Jungen mit körniger Dottermasse gefüllt. Innere Organe lassen sich kaum auf-
finden. Auch ein Darm scheint noch nicht vorhanden, da die Körperdecken, die der Dotter-
masse aufliegen, fast in ganzer Ausdehnung nur von einer einfachen Zellenlage gebildet sind,
über die eine äusserst zarte Cuticula hinläuft. Trotzdem ist das Thier übrigens schon zu Con-
tractionen befähigt, die sich durch langsame, aber deutlich sichtbare Formveränderungen
kund thun.
Aber auch da, wo der Embryo, wie bei Clepsine complayiaia , auf einer spätem Ent-
wicklungsperiode geboren würd , ist derselbe an äusserer und innerer Bildung noch weit hinter
seinen Eltern zurück, so w'eit, dass man ihn bei erster Betrachtung vielleicht eher für einen
fremden Schmarotzer, als für einen Abkömmling seines Trägers in Anspruch nehmen könnte.
Einer Retorte vergleichbar hat das junge Thier (Taf. VII. Eig. 9.) einen nach dem Rücken zu
gekrümmten Rumpfund einen Kopfzapfen, der ganz allmählich in das vordere schlanke Kör-
perende übergeht. Freilich kann dieser Zustand der Ruhe durch Streckung, wde Verkürzung
f
beträchtlich modificirt werden. Obw'ohl dem jungen Thiere noch alle iMuskelfasern abgehen,
vermag es sich schon jetzt um das Doppelte zu verlängern, und ebenso auch um ein sehr Be-
trächtliches zusammenzuziehen. Und beide Male wurd nicht blos der Querschnitt, sondern
auch die Form des Körpers eine andere, wenngleich insofern beständig derselbe Typus bleibt,
als das hintere Körperende seine Verdickung und Abrundung beibehält. Von einem Saugnapfe
findet sich noch keine Spur und eben so w’enig von einer Pigmentirung. Freilich sind die jun-
gen Thiere nicht farblos, aber es ist nur der durch die Leibeswände hindurchscheinende Dotter,
dem sie ihre Färbung verdanken. Wie schon früher einmal bemerkt wurde, sind die Seiten-
decken des Körpers mitsammt dem Rücken auch nach der Geburt noch eine Zeitlang äusserst
dünn. Nur der Kopfzapfen oder vielmehr, da sich ein eigentlicher, von dem übrigen Körper
abgesetzter Kopfzapfen nicht mehr unterscheiden lässt, das vordere Leibesende, das den Schlund
enthält, macht in dieser Hinsicht eine Ausnahme, obw’ohl seine Dicke hinter der der Bauch-
wand noch zurückbleibt. Uebrigens wissen wir, dass diese Bauchw'and , die den jetzt ziemlich
verstrichenen d. h. an den Seitenrändern ausgewachsenen Bauchplatten entspricht, nicht aus-
schliesslich auf die gewölbte Bauchfläche beschränkt ist, sondern haken- oder kappenförmig
auch das hintere Körperende umfasst. (Taf. VII. Fig. 9.) In diesem Umstande finden wir auch
den Grund für die Formbeständigkeit, die wir als charakteristisch für das hintere Körperende
oben hervorheben mussten. Die drei Paar zellenartiger Körnerballen sind bei der Geburt noch
deutlich an der hintern Grenze der Bauchplatten in den dünnen Körperdecken aufzufinden.
Trotz ihrer Dünne scheinen diese Körperdecken übrigens schon jetzt in zwei Schichten zerfallen
zu sein, von denen die eine dem Dotter, die andere der Cuticula anliegt, es scheint mit andern
Worten, schon jetzt eine Differenzirung in Leibeswand und Darmwaud stattzufinden. Für die
Rathke, Entwicklung der Hirudiiieen, 13
98
Clepsine.
liauchseite des Körpers kann ich solches mit aller Bestimmtheit behaupten, da man an dieser
die zwischen beiden Schichten gelegene Leibeshöhle nicht selten als einen hellen und spalt-
förmigen Raum hindurchschimmern sieht. Besonders deutlich ist das in der vorderen Hälfte des
Körpers, die überhaupt in jeder Beziehung weiter entwickelt ist , als die hintere. In der Sei-
tenlage zeigt diese vordere Körperhälfte am Bauche auch schon eine Anzahl querer Falten,
das erste äusserlich sichtbare Zeichen der beginnenden Gliederung.
§■ 16.
Die ursprüngliche kolben- oder retortenförmige Gestalt der neugebornen Clepsinen
unterliegt übrigens schon nach kurzer Zeit einer Veränderung. Das hintere Körperende, welches
bis dahin das dickste gewesen war, verdünnt sich, während das Kopfende unter gleichzeitiger
Zusammenziehung des ganzen Leibes an Breite und Dicke zunimmt, so dass die früheren Unter-
schiede in der Gestalt der beiden Körperenden dadurch bis zu einem bestimmten Grade ihre
Ausgleichung finden. Da der zwischenliegende Theil unter dem Andrange des aus dem vereng-
ten Hinterende zurückweichenden Dotters sich zugleich noch stärker ausweitet, so gewinnt der
Leib unserer Thiere jetzt fast die Form eines an beiden Enden stark abgestumpften Weberschiff-
chens. So freilich nur, wenn man das Junge von der Bauch - oder Rückenfiäche aus betrach-
tet. (Taf. VII. Fig. 12.) In der Profillage erkennt man (Taf. VII. Fig. 10.) nicht blos die
stärkere Krümmung der Bauchfläche, sondern weiter auch vor dem umgekrümmten Hinter-
ende der Bauchplatten auf dem letzten Drittheil des Rückens eine quere Einbuchtung, als wenn
das genannte Ende der Bauchplatten hier tiefer in die dünnen und deshalb auch nachgiebigen
Körperdecken eingedrückt hätte. Ist das junge Thier schon etwas älter, so sieht man diese
Einbuchtung vom Rücken auf die Seitentheile und schliesslich selbst die Bauchwand übergehen,
so dass dann das ganze kappenförmige Ende der Bauchplatten durch eine ringförmige Ein-
schnürung gegen den übrigen Leib sich absetzt. Eine Zeit lang ist diese Ringfurche an der
Bauchseite freilich noch so seicht und so leicht zu verstreichen , dass sie bei jeder Zusammen-
ziehung verschwindet, wenn der Dotter, der den Körper immer noch in bedeutender Menge
erfüllt, dagegen andrängt. Weiterhin aber wird die Einschnürung allenthalben tiefer. Sie wider-
steht dem Drucke des andrängenden Dotters und verwandelt den hintersten Theil der Leibes-
wand, den sie absetzt, durch immer schärfere Isolation in einen scheibenförmigen Anhang.
(Taf. VII. Fig. 1 1 .) Anfangs plump und dick nimmt diese Scheibe ziemlich bald die Form des
spätem Saugnapfes an, indem die nach hinten gestellte Endfläche ihre frühere Wölbung verliert
und durch Aufwulstung des Randes schliesslich sogar concav wird.
Ob die zellenartigen Körnei'ballen , die dem hintern Ende der Bauchplatten verbunden
sind, an diesen Vorgängen einen Antheil nehmen, wie ich das bei Nephelis beobachtet zu haben
glaube, muss ich leider unentschieden lassen. Bis zur Bildung der Ringfurche, die den Saug-
napf zu isoliren bestimmt ist, sind dieselben immer noch deutlich durch die äussere Körperhülle
hindurch wahrzunehmen. Sonst unverändert, scheinen sie nur an Grösse gegen früher etwas
Ziceite Periode.
Ö9
abgenommen zu haben. Später entziehen sie sich der Untersuchung, zum Theil deshalb, weil
die Körperdecken durch Entwicklung einer Muskulatur allmählich ihre frühere Durchsichtig-
keit verlieren. Bisweilen aber habe ich noch bei solchen Individuen, bei denen das hintere
Körperende schon deutlich in Scheibeuform abgesetzt war, dem oberu Rande desselben jeder-
seits drei Reihen kleiner Zellen anhängen sehen, (Taf. TII. Fig. 1 1.) die offenbar als Ueberreste
der hier früher vorkommenden Bildungen zu betrachten sind. Freilich bleibt es zweifelhaft, ob
dieselben den stielformigen Zellenreihen entsprechen, die von den Bauchplatten zu den Korner-
ballen hinliefen , oder ob sie durch Umformung der letztem entstanden sind.
Da die Ringfurche, welche den Saugnapf isolirt, die Längsachse des Körpers unter
ziemlich rechtem Winkel schneidet , so ist der Saugnapf anfangs natürlich ziemlich genau nach
hinten gekehrt. Er zeigt diese Stellung auch dann noch, wenn er nach Ausbildung seiner
Napfform, wie es nicht selten geschieht, anstatt des Kopfzapfens zur Hefestigung an dem
mütterlichen Körper benutzt wird, und überhaupt gewöhnlich so lange, bis das Junge ein freies
und selbstständiges Leben beginnt. xA.natomisch erklärt sich diese Stellung theils durch die ge-
ringe Tiefe der den Saugnapf isolirenden Ringfurche, die kaum eine freiere Bewegung des letz-
tem zulässt, theils auch dadurch, dass die Rückendecke des Körpers, die in den obern Rand
der Ringscheibe übergeht, im Yerhältniss zu der Bauchfiäche immer noch verkürzt ist.
Es ist übrigens nicht blos der hintere Körperrand, welcher bei fortschreitender Ent-
wicklung der jungen Clepsinen seine frühere Form allmählich verändert. Ein Gleiches gilt auch
für das Kopfende, obwohl dessen Veränderungen im Ganzen viel weniger auffallend sind und
auch erst später eintreten. Zunächst beobachtet man hier, dass die anfangs bis Aveit nach vorn
emporragende Dottermasse unter gleichzeitiger Ausbildung des Oesophagus immer mehr nach
hinten zurück Aveicht. (Taf. VII. Fig. 14, 15, 16.) Eine eigentliche Lagenveränderung des
Dotters ist damit allerdings Avohl kaum verbunden. Es entsteht vielmehr der Anschein eines
solchen Zurückweichens nur dadurch, dass der (dotterlose) Kopfzapfen der Jungen rascher
wächst, als die übrigen Körpertheile. Hat derselbe eine bestimmte Länge erreicht, so nimmt
auch der Rand der anfangs, Avie wir Avissen, gerade nach A’orn gekehrten iNIundölfnung ein ande-
res Aussehen an , indem das obere, dem Rücken angehörende Segment zu einer schirmförmigen
Lippe ausAvächst, welche die iNIundöffnung überdacht und nach dem Bauche zu herabdrückt.
An dem hintern oder untern Rande derselben bildet sich eine nur unbedeutende Aufwulstung.
Bis dahin hat der Leib unserer Thiere noch so ziemlich die frühere Cylinderform be-
halten. In der zweiten Hälfte der gegenwärtigen EntAvicklungspcriode tritt aber auch hier eine
Aenderung ein. Der Rücken, der schon Avährend der EntAAÜcklung der Muskeldecken immer
mehr in die Länge geAv^achsen Avar und allmählich das Missverhältniss ausgeglichen hatte,
(Taf. VII. Fig. 13.) das zAvischen ihm und der Bauchseite anfangs obAvaltete, plattet sich ab
und nähert sich dem schon früher mehr flächenhaft ausgebreiteten Bauche. Natürlich, dass die
Breite des Körpers zugleich mit dieser Abplattung um ein Beträchtliches zunimmt. Die Seiten-
ränder springen immer Aveiter vor, und die Körperform geAvinnt eine immer grössere Aehnlich-
keit mit der des ausgebildeten Thieres. Zuletzt nimmt der Leib auch allmählich die spätere
13*
100
Clepsine.
Ringelung an, indem die schon früher sichtbaren Segmente je in drei auf einander folgende Ab-
schnitte zerfallen, die sich durch scharfe Furchen gegen einander absetzen. An den Seitenrän-
dern springen diese Ringe fast zackenartig vor, die letzten jeder Gruppe am meisten, die vor-
dem am wenigsten.
Die Pigmentflecke erscheinen einige Tage vor der Abtrennung vom mütterlichen Kör-
per. Sie entstehen zuerst in spärlicher iMenge auf der Rückenfläche des vordem Körperdrit-
theils, vermehren sich aber so rasch , dass sie bei den eben abgelösten Jungen bereits einige
dreissiff Längsreihen znsammensetzen. Ueber die Zellennatur dieser Fleckchen kann trotz der
äusserst wechselnden Form und Grösse kein Zweifel sein, da die hellen Kerne meist deutlich
durch das hellbraune Pigment hindurch schimmern. In den tiefem Lagen der Körperdecken
kommt ausserdem noch eine zweite Form von Pigmentzellen vor, die mit gelblich grünen Mole-
kularkörnchen gefüllt sind und eine beträchtliche Grösse besitzen ( 0,0009'% bei den Erwachse-
nen sogar mitunter bis zu 0,004 — 0,005"). Nach Kalizusatz fliessen die Pigmentkörnchen
dieser Zellen unter Druck nicht selten zu kleinen Kügelchen eines flüssigen Fettes zusammen.
Zwischen den Pigmentzellen der Haut finden sich am Bauche und Rücken der reiferen
Jungen zahlreiche kleine (0,0002" grosse) runde Körperchen von hellem Aussehen und starkem
Lichtbrechungsvermögen, die auf den ersten Blick einige Aehnlichkeit mit Kalkkörperchen
haben und dafür auch um so eher gehalten werden könnten, als die Körperoberfläche erwach-
sener Clepsinen in verdünnter Salzsäure ziemlich viele Gasbläschen entwickelt. Hei näherer
Untersuchung ergeben sich diese Körper jedoch als Fettablagerungen, die nach Vorkommen
und Vertheilung möglichenfalls aus dem noch immer dotterhaltigen Magen stammen.
Auf der Körperoberfläche der jungen Clepsinen erkennt man bei näherer Betrachtung
auch bereits mehrere Längsreihen kleiner Hautwärzchen, wie bei den erwachsenen Thieren, nur
dass die beiden mittleren Reihen einstweilen nur wenig vor den übrigen hervorragen.
§. 17.
Dass die Metamorphose der Bauchplatten und deren Täfelchen bei den Clepsinen die-
selbe ist, wie bei der Nephelis , habe ich schon bei einer frühem Gelegenheit hervorheben kön-
nen. In beiden Fällen entsteht daraus die gleiche Summe von Organen und auf so übereinstim-
mende Weise, dass es eine unnütze Wiederholung sein würde, wenn ich die Einzelnheiten die-
ses Vorganges hier noch einmal schildern wollte. Der Umstand, dass derselbe das eine !Mal
noch während des Eilebeiis abläuft, während er das andere Mal, bei unseren Clepsinen, in eine
spätere Zeit fällt, kann an dieser Uebereinstimmung um so weniger ändern, als wir ja wissen,
dass der Termin der Geburt überhaupt in sehr verschiedene Zeiten des Entwicklungslebens
fällt und nicht einmal bei allen Arten von Clepsine genau derselbe ist.
Clepsine marginata zeigt beim Ausschlüpfen aus den Eihüllen die eben erst durch
Gliederung von einander getrennten Täfelchen der Bauchplatten, während diese Organe bei den
neugebornen Jungen von CI. complanata u. a. bereits in eine Ganglienkette und eine entspre-
Zioeite Periode.
101
chende Anzahl paariger Muskelanlagen differenzirt sind. Allerdings ist die Entwicklung dieser
Gebilde, und namentlich der letztem, erst sehr wenig fortgeschritten, allein wir wüssen ja, dass
unsere Thiere auch in anderer Beziehung noch weit von der lleife entfernt sind.
Die Muskulatur der Jungen beschränkt sich einstweilen auf die nächste Nähe des
Bauchmarkes. An der Seite desselben findet man rechts und links eine Anzahl kleiner vierecki-
ger Plättchen, die in der vordem Hälfte eine fast quadratische Gestalt haben, je ein Paar neben
einem Ganglion. Eine Faserung lässt sich darin anfangs noch nicht mit Bestimmtheit nachw’ei-
sen. Aber schon nach kurzer Zeit erkennt man, dass ein jedes dieser Plättchen, wie bei Ne-
phelis, ein flächenhaft ausgebreitetes, dünnes Muskelfaserbündel ist, dessen Elemente in gerader
Richtung verlaufen und immer mehr und w'eiter auswachsen. Die Plättchen werden zu Bän-
dern, die in den Seitentheilen des Körpers emporsteigen, (Taf. VII. Fig. ll.J von da auf die
Rückenfläche übergehen und in deren Mittellinie schliesslich zusammenstossen. Noch vor der
vollständigen Entwicklung des Saugnapfes sind die Körperdecken in ganzer Ausdehnung von
einer Muskellage durchzogen, die sich bei näherer Betrachtung in eine Anzahl einzelner Quer-
bänder oder Muskelsegmente auflöst.
Wo diese Querbänder neben den einzelnen Ganglien beginnen, liegt zwischen je zweien
eine grosse (0,0010 — 0,001 1”) Zelle mit zahlreichen Fettkügelchen im Innern, die man deut-
lich durch die äusseren Bedeckungen hindurchschimmern sieht.
Bekanntlich bleibt übrigens der Hautmuskelschlauch der Clepsinen nicht auf die Quer-
oder Ringmuskeln beschränkt. Wie hei Nephelis, bilden sich auch hier noch Längsmuskelfasern und
solche, die in den Seitentheilen des Körpers senkrecht von dem Rücken nach dem Bauche zu
herabsteigen. Die letzteren entstehen anfangs nur in den Zwischenräumen zwischen je zwei Mus-
kelbändern und sehen dann bei der Betrachtung vom Bauch oder Rücken fast wie Scheidewände
aus, die durch die allmählich immer mehr vergrüsserte Leibeshöhle nach dem Darme hin aus-
gespannt sind. (Taf. VII. Fig. 12, 14.) Dieser Anschein vergeht erst später, wenn die Sub-
stanz der Muskeldecken trotz der stets fortschreitenden Verdickung durch Aufhellung ihrer Ele-
mente klarer und durchsichtiger wird und die ursprüngliche Regelmässigkeit in der Gruppirung
der betreffenden Fasern verschwindet. Wie bei Nepheli$, so trägt die Entwicklung dieser senk-
rechten Fasern auch bei Clepsine viel dazu bei , dem Körper seine definitive Gestalt zu geben,
wie denn die volle Ausbildung des Hautmuskelschlauches überhaupt erst in eine spätere Zeit
fällt. Dass damit auch die Leibeshöhle unserer Thiere allmählich verloren geht, ist nach dem
Verhalten der erwachsenen Thiere zur Genüge bekannt.
Die Zahl der queren Muskelsegmente beläuftsich bei denClepsinen bis zum vordem Rande
des Saugnapfes auf 21. (Taf. VII. Fig. 11.) Eben so gross ist natürlich auch die Zahl der
zwischenliegenden Ganglien, die in dichter Reihe auf einander folgen und schon frühe durch
einzelne über sie hinlaufende Längsfasern zu einer zusammenhängenden Kette vereinigt sind.
Anfangs nehmen diese Ganglien nach hinten zn ganz regelmässig an Grösse ab, so dass also das
vorderste derselben das grösseste ist, später findet man jedoch die drei ersten zw'ar etw^as breiter,
als die nächstfolgenden, aber dabei kürzer und dichter neben einander. Diese Unterschiede er-
102
Clepsine.
klären sich dadurch, dass der hintere Rand der drei ersten Ganglien nicht in gleichem Maasse,
wie der der übrigen, in eine stumpfe Spitze ausvvächst, also mehr die ursprüngliche Biscuit-
form beibehält, während die übrigen Ganglien fast einem Kartenherzen ähnlich -werden. So
wenigstens in der ersten Hälfte dieser Entwicklungsperiode, auf die späterhin, wie wir uns
überzeugen werden, eine Zeit mit neuen und abweichenden Formverhältnissen folgt.
^yir haben bisher blos von demjenigen Theile des Körpers gehandelt, der den eigent-
lichen Rumpf der Clepsinen darstellt. Aber die Bauchwand des Embryo reicht bekanntlich
weiter, indem sie auch den Saugnapf in sich fasst. Dieser hintere Theil der Bauchwand zeigt
bei den neugebornen Clepsinen neun tafelförmige Abschnitte, (Taf.VII. Fig. 1 1.) die eine freilich
nur unbedeutende Länge besitzen, sich aber sonst ganz ebenso, wie die vorhergehenden Täfel-
chen , je in ein Ganglion und ein Paar Muskelplättchen auflösen. Das spätere Verhalten dieser
Organe ist allerdings in einiger Beziehung abweichend.
Was zunächst die Muskelanlagen betrifft, so bleiben diese beständig auf die Bauch-
fläche des Körpers beschränkt. Sie bleiben schmale Muskel-Streifen, die eine Zeitlang wie die
INIuskelbänder des Rumpfes verlaufen, dann aber, während der Abtrennung und Formung des
Saugnapfes allmählich eine radiäre Gruppirung annehmen. Diese Umwandlung wird aller
Wahrscheinlichkeit nach durch das Breitenwachsthum der Muskelstreifen bedingt, das immer
ansehnlicher ausfällt, je mehr sich dieselben von der Mittellinie des Saugnapfes entfernen.
Sobald ihre Seitenränder nun auf einander stossen, -R-irken sie wie Keile: die mittleren Streifen,
die am wenigsten ausweichen können , behalten ihre Querlage, -während die vordem und hin-
tern immer mehr und stärker aus der frühem Lage verdrängt werden. Am vordem Rande des
Saugnapfes geht übrigens diese Umlagerung et-was langsamer vor sich, als am hintern, so lange
wenigstens, als die Abtrennung des Saugnapfes noch unvollständig- ist. Späterhin sieht man
auch hier die Streifen in ganzer Länge neben einander hinziehen.
Ich brauche kaum darauf aufmerksam zu machen , dass es die Radiärfasern des Saug-
napfes sind, die auf solche Weise, durch Umformung der Muskelsegmente, ihren Ursprung ge-
nommen haben. Die Ringfasern entstehen erst später und nachträglich, wie die Längsfasern
des Rumpfes, denen man sie auch in morphologischer Beziehung vergleichen darf.
Die Uebereinstimmung des Saugnapfes mit dem Rumpfe geht so weit, dass zwischen
je zwei Muskelstreifen desselben eine eben solche grosse Fettzelle vorkommt, wie wir sie zwi-
schen den einzelnen Muskelsegmenten des Rumpfes oben vorgefunden haben. Allerdings schei-
nen diese Zellen im Saugnapfe früher zu verschwinden , als im Rumpfe, doch wird man sie bei
näherer Untersuchung auch nach dem scheinbaren Schwunde noch eine Zeitlang im Innern der
einzelnen Muskelbündel versteckt finden.
Das Verhalten der neun Saugnapfganglien lässt sich weit schwieriger beobachten, so
dass ich ausser Stande gewesen bin, dasselbe Schritt für Schritt zu verfolgen. Doch bleibt
über die endlichen Schicksale derselben kein Zweifel, wenn man in älteren Jungen, besonders
solchen, die man vorher mit Essigsäure behandelt hat, statt der ursprünglich vorhandenen klei-
Zweite Periode.
103
nen Knoten in dem kurzen und dicken Stiele des Saugnapfes (Taf. VII. Fig. 13. J ein einziges
Ganglion von bedeutender Grösse und länglicher Form trifft, das eine ganze Anzahl von Ner-
ven abgiebt, während wir sonst nur ein einziges Nervenpaar aus den Ganglien unseres Wurmes
hervorkommen sehen.
Das Endganglion von Clepsine ist also eben so, wie das von Nephelis , aus mehreren
einzelnen Ganglien zusammengesetzt, nur dass die Verschmelzung hier früher und an Gebilden
geschieht, die an Grösse beträchtlich zurückstehen.
Die gleiche Aehnlichkeit spricht sich aber auch in dem Verhalten des vorderen Bauch-
markes aus. Wir wissen, dass das erste Ganglion, w'elches den Zusammenhang der Bauch-
kette mit dem Hirne vermittelt, bei Nephelis gleichfalls ein zusammengesetztes ist. Und ganz
ebenso auch bei Clepsine.
Nach meinen bisherigen Angaben könnte man allerdings leicht das Gegentheil ver-
muthen. Aber das Ganglion , von dem ich bisher als von dem vordersten gesprochen habe, ist
in Wirklichkeit nicht das erste, sondern das zweite der Kette. Das erste Ganglion liegt dicht
davor, aber nicht flach auf der Bauchwand, wie alle folgenden , sondern davon abgehoben und
gegen den Oesophagus oder das Gehirn emporgerichtet. Daher kommt es denn auch, dass die-
ses Ganglion trotz seiner ansehnlichen Grösse leicht übersehen oder falsch gedeutet wird. Und
die Gefahr eines Irrthums ist um so grösser, als auch die Form des Ganglions und dessen Bezie-
hungen zum Gehirne nicht ganz die gewöhnlichen sind.
Die Form betreffend, so lässt sich diese vielleicht am besten mit einem Wappenschilde
vergleichen. An Masse etwa drei Mal so beträchtlich als das Gehirn , hat das Ganglion vorn so
ziemlich die gleiche Breite, während es sich nach hinten zu immer mehr, bis etwa zur gewöhn-
lichen Breite der Bauchganglien, allmählich verschmälert. Das Verhältniss der Länge zur Breite
zeigt übrigens nachdem Contractionszustandedes Wurmes und der Haltung des Rüssels mancherlei
Unterschiede. Ist der Körper stark verkürzt und der Rüssel vorgeschoben, dann überwiegt die
Bi'eite, während es im andern Falle die Länge ist, die vorwaltet. Dabei ist die Masse des
Ganglions nicht etwa flächenhaft in einer schief aufsteigenden Ebene ausgebreitet, sondern nach
dem Bauche stark gewölbt und auf der Rückenfläche mit einer Rinne versehen , die zur Auf-
nahme des Rüssels dient und die mehrfach gelappten Seitenränder wulstförmig nach aussen her-
vorspringen lässt. Dureh dieses Aussehen getäuscht, hat Gbube die eben erwähnten Seitenwülste
als ein Paar ganglionärer Commissuren beschrieben , die von dem Bauchmarke nach dem Ge-
hirne emporstiegen und die Seitentheile des Oesophagus umfassten. Allerdings giebt es solche
Commissuren, aber diese sind so kurz, dass sie kaum als selbstständige Theile des Nervenappa-
rates betrachtet werden können , es vielmehr den Anschein hat , als wenn die vordem Ecken
des ersten Bauchganglions direct mit den Seitentheilen des darüber liegenden Gehirnes sich
vereinigten. Der Zwischenraum zwischen Hirn und Ganglion wird dadurch auf das Aeusserste
beengt, wie etwa bei den Spinnen und Skorpionen. Und wie man bei den letzteren nicht selten
diese beiderlei Gebilde irrthümlicher Weise als eine einzige zusammenhängende Masse betrach-
104
Clepsine,
tete, so ist es auch bei den Clepsinen geschehen, dass IIudge,*) die Zusammensetzung des
Schlundringes verkennend, dieselben einfach als das Hirn unseres Thieres beschrieben hat.^)
Das Gehirn der Embryonen und neugebornen Jungen besffiht aus zwei ovalen oder
bimförmigen Zellenhaufen, die dicht hinter der Mundöffnung auf der Rückenfläche des Oeso-
phagus aufliegen und, mit ihrem dünnem Ende zusammenstossend, einen nach vorn convexen
Bogen darstellen, dessen Seitentheile sich an den schon jetzt vorhandenen vordem Bauch-
knoten anschliessen. Die erste Anlage und Entwicklung dieser Gebilde hat sich meinen Unter-
suchungen entzogen. Ich kann nur so viel angeben, dass es eigentlich vier Ganglien sind, die
in die Bildung des vordersten Bauchknotens eingehen. Von den übrigen Ganglien des Bauch-
stranges sind dieselben anfangs nur durch ihi-e Kürze und Breite unterschieden , durch Eigen-
schaften, die mit Zunahme der Entwicklung immer deutlicher hervortreten und auch für die
definitiven Gestaltverhältnisse der Gesammtmasse bestimmend sind. Die beträchtliche Breite
der Ganglien und namentlich der vordem , kommt übrigens weniger auf Kosten der eigentlich
ganglionären , als vielmehr der fibrillären Substanz, mit andern Worten auf Kosten der Com-
missurfasern , die sich in Fächerform über die Marksubstanz ausbreiten und dieselbe immer
mehr zur Seite drängen. Daher kommt es denn auch, dass die Einschnitte zwischen den Gang-
lien an den Seitenrändern des betreffenden Knotens am deutlichsten sind.
Mit zunehmender Breite wird aber auch hier die Tiefe der Einschnitte verhältnissmäs-
sig geringer, und dann tritt natürlich die Aehnlichkeit, die bisher zwischen den einzelnen Par-
tien des vordem Bauchknotens und den dahinter liegenden Ganglien obgewaltet hatte, allmäh-
lich immer mehr in den Hintergrund, zumal die letzten auch inzwischen durch Längsstreckung
ihrer Commissuren um ein Beträchtliches aus einander gerückt sind.
§. 18.
Wie oben bemerkt worden, ist das Gehirn der neugebornen Jungen sehr weit nach
vorn gelegen, fast unmittelbar hinter dem Mundrande. (Taf. VII. Fig. 9.) Aber diese Lage
ist keine bleibende. Sobald das Kopfende des Wurmes sich zu strecken beginnt, weicht das
H irn scheinbar immer mehr zurück, bis es, nach der Entwicklung der Oberlippe, in ziemlich
bedeutender Entfernung von dem Kopfrande gefunden wird. (Taf. VII. Fig. 16.)
Um diese Zeit sind aber auch sonst mit dem Gehirne mancherlei Veränderungen vor
sich gegangen. Die mittlere Partie, die durch die Verschmelzung der fast stielförmigen, schma-
len Innen theile der zwei Seitenganglien entstanden ist, hat sich allmählich immer entschie-
dener gegen die letzten abgesetzt und in eine Quercommissur verwandelt, die eine fast aus-
schliesslich fasrige Textur zeigt. Die Seitentheile dieser Faserlagen ragen bis weit in die anlie-
1) Clepsine hioculata, aus den Verhandl. des naturhist. Vereins der pr. Rheinlande und Westphalens
bes. abgedruckt. Bonn, 1849. S. 14.
2) Denselben Irrthum hat Leydig bei Piscicola begangen , Zeitschrift für wissensch. Zoologie. Bd. I.
S. 129.
Ziceite Periode.
105
gendeu Ganglien hinein und bilden hier auf der Oberfläche ein Paar glatter Hügel von querovaler
Form, die sich ziemlich scharf gegen die eigentlich ganglionäre Substanz absetzen. Die letztere
überragt den Rand des Faserkernes und bildet namentlich vorn und hinten an demselben einige
lappige Fortsätze, die eine verschiedene Grösse besitzen und erst während des spätem freien
Lebens ihre definitive Gestaltung erhalten. Hei erwachsenen Exemplaren von Clepsine compla-
nata sehe ich an dem Vorderrande jenes Kernes drei kleine kugelförmige Anhäufungen von
Ganglienzellen und eben so viele grössere auch andern Hinterrande, Avährend ich bei jungen
Thieren , die eben erst ihre IMutter verlassen haben, vorn w'ie hinten nur eine einzige schirm-
förmig vorspringende Markmasse vorfinde, die hinten an einer Stelle durch einen seichten Aus-
schnitt getheilt ist. Uebrigens liegt auch an der untern Fläche des Faserkernes eine Anzahl
kleiner ganglionärer Erhebungen.
Die Länge der fasrigen Commissur zeigt mehrfache Unterschiede, nicht blos bei ver-
schiedenen Thieren, sondern auch bei demselben, je nach der Lage des Rüssels. Ist dieser
zurückgezogen, dann erscheint die Länge nur unbedeutend, während sie um ein Reträchtliches
wächst, sobald der Rüssel durch das bekanntlich nur enge Lumen des Schlundringes hervorge-
streckt wird.
Der einzige Nerv, der aus dem Hirne hervorkommt, ist der Sehnerv. Er entspringt
als ein ziemlich dicker Stamm aus der Fasermasse des Hirnkernes und zwar auf der Unterfläche
desselben, läuft dann unterhalb der vordem Hirnlappen nach innen und vorn, und theilt sich
schliesslich in so viele einzelne Zweige, als Augen vorhanden sind. Ueber die Entwicklung der
Augen habe ich bei Clepsine keine besondern Untersuchungen angestellt. Ich beschränke mich
deshalb auf die Hemerkung, dass die Pigmentirung derselben erst in der allerletzten Zeit des
Entw’icklungslebens hervortritt, nachdem die Haut bereits in ziemlicher Ausdehnung gefärbt
ist. Sie ist anfangs zinnoberroth , später, wenn die .Jungen ihre Mutter verlassen, dunkelpur-
purn und wird erst schliesslich schwarz.
Ganz ähnliche Veränderungen, wie wir sie an dem Hirn unserer Clepsinen eben be-
schrieben haben , gehen gegen Ende dieser zweiten Entwicklungsperiode auch an dem vordem
Bauchknoten vor sich. Auch hier bildet sich eine Anzahl von ganglionären Lappen, theils da-
durch, dass die an den Seitenrändern vorspringenden Ueberreste der vier primären Ganglien
zerfallen, theils auch durch Zusammenhäufung der bisher an der Unterfläche der Faserstränge
in ebener Schicht vertheilten Ganglienzellen. Auf letztere Weise entstehen jederseits neben der
Mittellinie des betreffenden Knotens sieben reihenweis hinter einander geordnete Buckel von
ovaler oder kugliger Gestalt, während auf dem erstem Wege sieben andere Hervorragungen von
gleichfalls rundlicher oder ovaler Form ihren Ursprung nehmen, die den Seitenrand der mulden-
förmigen Nervenmasse garniren und nach hinten allmählich an Grösse etwas abnehmen.
Ich brauche w'ohl kaum darauf aufmerksam zu machen, dass alle diese Veränderun-
gen mit den bei Nephelis oben ausführlicher geschilderten Vorgängen die grösseste Analogie
haben, obwohl sie sich im Einzelnen davon mehrfach unterscheiden.
Von den fünf Nervenpaaren des vordem Bauchknotens gehen die vier hintern, die zu-
Hathke, Entwicklung der Ilirudineen. 14
106
Clepsine.
gleich die dünnem sind, an die Lippen. lieber die Verbreitung des vordem stärkern Nerven,
der in der Nabe des Gehirns von der äussern Seite des Ganglions unter und hinter dem Sehner-
ven entspringt und nach vom läuft, bin ich im Ungewissen geblieben. Ich weiss nicht, ob er
der Oberlippe angehürt oder den von Hupge beschriebenen Seitennerven darstellt, von dem
ich übrigens sonst bei meinen Untersuchungen nichts bemerkt habe.
An der Rückenfläche dieser mächtigen Ganglienmassen lassen sich, wie das schon oben
angedeutet worden und auch bei Nephelis der Fall ist, blos Nervenfasern bemerken, die neben
und über einander nach hinten laufen, um sich schliesslich, in zwei Stränge gesammelt, in das
übrige Bauchmark hinein fortzusetzen. Höchst wahrscheinlich entspringen einige dieser Fasern
aus den Ganglienzellen des Gehirnes, andere und wohl die meisten aus denen des zugehörenden
Ganglions selbst. In frischem Zustande sind dieselben übrigens so durchsichtig, dass man durch
sie hindurch die Ganglienzellen der Bauchfläche deutlich erkennen kann.
Auf dieses vordere Ganglion folgen nach hinten, wie wir wissen, noch 22 andere, die
mit Ausnahme des letzten, das wir schon oben berücksichtigten, einfache Ganglien sind und
an Grösse beträchtlich zurück stehen. Das erste dieser Ganglien, das sich unmittelbar an das
hintere Ende der vordem Ganglienmasse anschmiegt, hat gegen Ende des Entwicklungslebens
die Form eines Kartenherzens angenommen, nachdem die übrigen diese Form, die ihnen früher
gleichfalls zukam, mit einer unregelmässig runden oder, bei stärkerer Längsstreckung des Kör-
pers, mehr ellipsoidischen vertauscht haben. Die Zahl der Nerven , die aus denselben hervor-
kommen, beläuft sich nicht auf zwei, wie Bijdge {iirCl. bioculata angiebt, sondern nur auf einen
jederseits. Die Ganglienkugeln sind überall auf dieselbe Weise in sechs Haufen gesondert, von
denen zwei unterhalb der beiden dicht neben einander herablaufenden Faserstränge an der Bauch-
fläche liegen und zwar einer hinter dem andern, während die übrigen in paariger Gruppirung
vor und hinter der Nervenwurzel in den Seitentheilen der Ganglien gefunden werden. Die
Nervenursprünge verhalten sich im Wesentlichen wie bei Nephelis, obgleich die abweichende
Zahl der Nerven und Ganglienhaufen natürlich einige Unterschiede setzt. Die aus dem Faser-
strange abgelenkten Fasern ungerechnet, bekommt ein jeder Nerv vier Faserbündel, von denen
zwei den Ganglienhaufen des gegenüberliegenden Seitenrandes angehören, die zwei andern aber
aus dem zugehörenden Segmente der beiden medianen Haufen hervorkommen. Die letzten ent-
springen an der Bauchfläche, während die ersten oberhalb der Längsfaserstränge hinlaufen und
mit den entsprechenden Wurzeln der gegenüberliegenden Nerven sich kreuzen.
§. 19.
Zur Zeit der Geburt ist der Darmapparat der Clepsine auch bei denjenigen Arten, die
ihre Eihüllen am spätesten verlassen, nur w'enig entwickelt. Er erscheint als ein dottergefüll-
ter, dünnhäutiger Sack, der den bei weitem grössesten Theil der gesammten Körpermasse aus-
macht, und am vordem Ende durch einen kurzen und muskulösen Canal, den Oesophagus, aus-
mündet. (Taf. VII. Fig. 9.) Die Form dieses Sackes wiederholt die Körperform, wie denn der
Zweite Periode.
107
Körper der neugebornen Clepsinen überhaupt nichts Anderes darstellt, als eine knapp anlie-
gende Umhüllung dieses Sackes. Nur am Yorderende erhebt sich diese (animalische) Hülle in
einen kegelförmigen Vorsprung, den Kopfzapfen, und gerade hier hat sich im Innern dersel-
ben der oben erwähnte Oesophagus entwickelt.
Auf welche Weise die dünne Haut entsteht, die den Dotter einschliesst und dazu be-
stimmt ist, sich in die späteren Darmwände umzubilden, habe ich bei Clejonine eben so wenig,
wie bei Nephelis, durch directe Beobachtung feststellen können, doch unterliegt es kaum einem
Zweifel, dass dieselbe in beiden Fällen durch eine Spaltung der ursprünglichen Keimhaut
ihren Ursprung nimmt. Ebenso dürfte auch der Oesophagus nur durch Differenzirung des Ach-
senstranges im Kopfzapfen entstanden sein.
Ob der Oesophagus von Anfang an einen Rüssel enthält, oder nicht, muss ich unent-
schieden lassen. Jedenfalls ist ein solcher bald nach der Geburt vorhanden. Er liegt im
Innern der Speiseröhre, wie ein Degen in der Scheide, ganz frei und nur im Grunde derselben,
da, wo diese dem Dotterschlauch aufsitzt, befestigt. Uöst man die Jungen von ihrer iNlutter ab,
so wird er nicht selten zapfenförmig aus der iMundöffnung nach aussen hervorgestreckt, (Taf. VII.
Fig. 1 1.) und ist es gewöhnlich erst dieses iManoeuvre, welches den Beobachter auf die Existenz
desselben aufmerksam macht.
Uebrigens sind Rüssel und Oesophagus während der ganzen ersten Hälfte dieser Periode
von nur unbedeutender Länge, wie denn die morphologische Entwicklung des Darmapparates
überhaupt erst nach der Ausbildung des Saugnapfes und der muskulösen Körperdecken erheb-
liche Fortschritte macht.
Diese weitere Entwicklung des Darmapparates wird dadurch eingeleitet, dass der Kör-
per rascher und stärker wächst, als der eingeschlossene Dotterschlauch. Die Körperdeckeu
heben sich dabei immer mehr und immer weiter von der Darmhaut ab, auf der sie ursprünglich
dicht auflagen. Am auffallendsten ist das in dem vor dem Dotterschlauche gelegenen Kopfzapfen,
der allmählich so weit über diesen Schlauch hinauswächst, dass er bei den ausgebildeten Jungen
mehr als das vordere Drittheil des gesammten Bauchmarkes in sich einschliesst, (Taf. VII.
Fig. 16.) während er anfangs ausser dem Hirne nur noch das zusammengesetzte untere Schlund-
ganglion enthielt. Da der Dotterschlauch dem auswachsenden Kopfzapfen nicht folgt, so muss
sich der Oesophagus natürlich in geradem Verhältniss mit der fortschreitenden Entwicklung des-
selben verlängern. Er wird gewissermaassen durch den Zug des wachsenden Zapfens immer
länger ausgesponnen. Die Insertion des Rüssels rückt dabei scheinbar immer tiefer. Ebenso
wird auch die Entfernung des vordem Rüsselendes von der Mundöffnung immer grösser, obwohl
die Länge desselben nicht unbeträchtlich zunimmt. (Taf. "NTI. Fig. 15, 16.) An dem walzenförmi-
gen Rüssel der reifem Jungen unterscheidet man in dem dicken Muskelrohre zwei über einander
liegende Schichten , von denen die innere bei weitem die dickere ist. Sie wird von Ringfasern
gebildet, die so dicht neben einander liegen, und so stark gespannt sind, dass das Lumen des
Rüssels dadurch auf einen engen Spalt beschränkt wird, der in Form eines dünnen Längsstri-
ches durch die Wandungen hindurchschimmert. Von diesem Striche gehen in massig grossen
14*
lOS
Clepsine.
Zwischenräumen rechts und links viele kurze Querstriche ab, die bald auf gleicher Höhe ange-
bracht sind, bald auch altcrniren , aber verschwinden, sobald der Kussel ausgestreekt wird.
Sie rühren von inässig hohen und dicken, abgerundeten Querwülsten her, die unter dem Ein-
flüsse der die äussere Muskellage des Rüssels zusammensetzenden Längsfasern durch die eng-
gepressten Ringmuskelfasern gebildet werden. Am hintern Ende des Rüssels findet sich eine
ringförmige Klappe. Das vordere Ende ist einstweilen noch glattwandig. Es liegt, wie schon
bemerkt wurde, im Ruhezustände ziemlich weit von der Mundöffnung entfernt, dicht hinter
dem Gehirne, so dass ein beträchtlicher Theil der Speiseröhre demselben vorausgeht. Dieser
vordere leere Theil hat wegen der Dicke seiner Muskelwandungen (Taf. VII. Fig. 16.) fast das
Aussehen eines Schlundkopfes , w'ie das auch schon von anderer Seite für den erwachsenen
AVurm bemerkt ist. Jedenfalls besitzt er Functionen, die von denen der hintern Oesophagus-
hälfte, die um den Rüssel eine dünne Scheide bildet, verschieden sind. Zu den Seiten dieser
Scheide liegen (Taf. VII. Fig. 16.) einige streifenförmige Ansammlungen rundlicher, scharf
begrenzter Körperchen (zu 0,007"), die sich späterhin in längliche, einfache oder gabelförmig ge-
spaltene Läppchen zusammenordnen und dann als deutliche Zellen mit Kern und schwach granu-
liitem Inhalte erkannt -werden. Nach den Untersuchungen Leydig’s besitzen diese Zellen je
einzeln einen Ausführungsgang von bedeutender Länge, die sich jederseits an dem untern Ende
des Rüssels in ein Bündel sammeln, um von da in den Rüssel selbst überzutreten und an der
Spitze desselben einzeln auszumünden.’) In der That sieht man auch bei den ausge-wachsenen
Jungen an der Oberfläche des Rüssels ziemlich viele und zarte faserartige Gebilde, die in ge-
schlängeltem Verlaufe bis zur Spitze hinziehen und wohl kaum etwas anderes als diese Ausfüh-
rungsgänge darstellen.
Die Afteröffnung scheint sich sehr viel später zu bilden, als der Mund. Ich habe sie
mit Sicherheit erst bei solchen Embryonen aufgefunden, die einen schon völlig entwickelten
und zum Festheften geeigneten Saugnapf besassen. (Taf. VII. Fig. 13.) Zwischen ihr und dem
hintern Ende des Dotterschlauches war in solchen Fällen eine kurze und durchsichtige Röhre
ausgespannt, die offenbar als erstes Rudiment des Darmes in Anspruch genommen werden durfte.
Freilich w^ar es nicht etwa der ganze spätere Darm, der sich hier gebildet hatte, sondern blos
das Endstück desselben, das sich von dem vorhergehenden Darmstücke, welches bei CI. com-
planata bekanntlich vier Paar dünner Anhangsschläuche trägt, (Taf. VII. Fig. 16.) auch im
ausgebildeten Thiere durch eine stärkere Muskulatur auszeichnet. Der vordere, bei weitem
längere Abschnitt des Darmes entsteht mitsammt dem Magen aus dem Dotterschlauche, und
zwar dadurch , dass sich das hintere Drittheil desselben mit scharfer Abgrenzung nach vorn
immer mehr und mehr zu einem dünnen Canale verengt, (Taf. VII. Fig. 14, 15.) während
der Dotter von hinten daraus allmählich nach vorn zurückweicht. Die vier Anhangsschläuche
erscheinen anfangs als vier kurze und lappenförmige Aussackungen, (Taf. A^II. Fig. 14.) und
das bereits vor einer Zeit , in welcher der Darm noch nicht einmal als besonderes Organ gegen
1) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. I. S. 114.
Ziceite Periode.
109
den Magen sicdi abgesetzt hat. Die Einschnitte, welche diese Lappen trennen, werden mit fort-
schreitender Verengerung des Darmes natürlich immer tiefer, und in gleichem Verhältniss neh-
men dann auch die einzelnen Anhänge an Selbstständigkeit zu. Sie werden nicht blos länger,
sondern auch dünner, indem der Dotter immer mehr und mehr aus ihnen zurückweicht. Haben
sie einmal die Form von Röhren angenommen , so trifft man in ihnen nur noch selten einzelne
Dotterkörner, und daher kommt es denn auch, dass sie ohne Zusatz von Reagentien, besonders
verdünnter Essigsäure, durch die Leibeswand hindurch nur schAver oder gar nicht mehr wahrzu-
nehmen sind.
So lange der Darm noch in irgend einem Theile Dotterkörnchen einschliesst oder, Avas
so ziemlich dasselbe besagt, seine spätere Canalform noch nicht vollständig angenommen hat,
behält derselbe seine ursprüngliche Länge. (Taf. VII. Fig. 15.) Erst in der allerletzten Zeit des
EntAvicklungslebens beginnt er sich zu strecken. Unter gleichzeitiger Verkürzung des Magens
rückt sein vorderes Ende so Aveit nach aufwärts, dass die sieben letzten Ganglien des Hauch-
markes frei unter ihm zu liegen kommen. Und damit ist das LängenAvachsthum noch nicht ein-
mal beendigt, indem sich die hintere, ZAvischen dem letzten Anhangsschlauche und dem After
befindliche Hälfte kurz vor dem Verlassen des mütterlichen Körpers noch S förmig zusammen-
krümmt. (Fig. 16.)
In diesem gekrümmten Darmtheile sieht man an einer oder ZAveien Stellen nicht selten
eine Anhäufung von scharf umschriebenen Molekularkörperchen , die eine gelbliche Färbung
haben und kaum als Ueberreste des Dotters gedeutet Averden können, vielmehr an die bekann-
ten Harnconcreinente erinnern , die bei zahlreichen Articulaten in dem Enddarme gefunden
AA-erden. .\uch in den Anhangsschläuchen, besonders den vier hintern und längern, Avurden einige
Male dieselben Körperchen aufgefunden, hier und da sogar so massenhaft, dass deren blindes
Ende dadurch keulenförmig aufgetrieben Avurde.
Während der Darm, Avie hier dargestellt worden, aus dem hintern Abschnitte des ur-
sprünglich einfachen Dotterschlauches hervorgeht, bildet sich der grössere vordere Theil dessel-
ben in den bei Clepsine complanata bekanntlich mit sechs ansehnlichen Blindschläuchen jeder-
seits versehenen Magen um.
Schon vor Abschnürung des Darmes hat der Dotterschlauch durch Faltung seiner
Membran das frühere sackartige Aussehen verloren. Er hat (Taf. VII. P'ig. 14.) eine ganze
Anzahl ringförmiger Furchen gebildet, die, mit Ausnahme der vordem, in ziemlich gleichen
Zwischenräumen auf einander folgen und besonders an den Seitentheilen des schon jetzt etAvas
abgeplatteten Schlauches ziemlich tief einspringen. Die Zahl dieser F'urchen scheint geAvöhn-
lich 15 zu betragen.
Die Grenze zwischen Darm und Magen fällt genau mit einer dieser Furchen zusam-
men. Streng genommen ist sie sogar nichts Anderes als eine solche Furche, nur dass sie ra-
scher in die Tiefe wächst, als die übrigen, und die Verengerung des hintern Abschnittes da-
durch einleitet. Auch die Einschnitte zwischen den Anhangsschläuchen des Darmes gehören
diesen Bildungen an ; es sind eben die zwischen den vier letzten Ringfurchen gelegenen Vor-
110 Clepsine.
Sprünge des Dotterschlauches, die sich in den Darm und dessen Anhänge verwandeln. (Taf. VII.
Fig. 14.)
Die Bildung des Magens wiederholt im Wesentlichen die gleichen Vorgänge, nur dass
die Einschnitte , welche die einzelnen Wülste oder Lappen gegen einander absetzen, hier nur
zum Theil (Taf. VII. Fig. 15.) und auch dann nur langsam in die Tiefe wachsen. Die Zahl
der Blindschläuche wird dadurch natürlich geringer, als man nach der jNIenge der ursprünglich
vorhandenen Lappen erwarten sollte, während ihre Dicke dabei beträchtlicher bleibt. Die
nicht vertieften Einschnitte bleiben an den blinden Enden der Schläuche und bedingen hier das
lappige Aussehen, das man schon lange an denselben gekannt hat. Ich will jedoch nicht
behaupten, dass ein jeder Einschnitt, den man an den Seitenschläuchen des Magens später an-
trilft, aus dieser frühen Zeit des Bildungslebens stammt. Es geht das schon daraus hervor,
dass die mittlern iMagenschläiiche , die je nur aus einem einzigen Lappen sich bilden, später
gleichfalls an dem äussersten Ende gekerbt sind. Der vordere und hintere Blindschlauch be-
steht von Anfang an aus einer grossem Anzahl von Lappen, der vordere aus 3, der hintere,
bekanntlich von allen der grösseste, aus 4. (Taf. VII. Fig. 16.)
Ihre völlige Ausbildung erreichen diese Magenanhänge übrigens erst gegen Ende des
Entwicklungslebens, nachdem die Jungen auch in ihrer Körperform den Eltern gleich gewor-
den sind. Bis dahin waren die Blindschläuche immer noch plump und kurz, theils wegen un-
genügender Tiefe der Einschnitte, theils auch wegen des immer noch ziemlich reichlichen Dot-
tergehaltes.
Während der ganzen zweiten Periode des Bildungslebens hat bei unsern Clepsinen
allerdings durch Verkleinerung resp. Verflüssigung der Dotterkörner, so wie durch Resorption
des Verflüssigten eine fortwährende iMassenabnahme des in dem Darmschlauche eingeschlosse-
nen Dotters stattgefunden, allein bis zur Bildung der Magensäcke ist die iMenge desselben noch
immer eine verhältnissmässig ganz ansehnliche geblieben. Erst in der allerletzten Zeit geht die
Verflüssigung und Aufsaugung in einem raschem Tempo vor sich, so dass man sich der Vermu-
thung kaum entschlagen kann , es möchte die Bildung der IMagenschläuche oder vielmehr die
dadurch bedingte Vergrösserung der resorbirenden Fläche darauf nicht ohne Einfluss sein. Und
in demselben Verhältnisse, als die eingeschlossene Dottermasse sich verkleinert, fallen die
einzelnen Theile des Magens zusammen, dadurch immer mehr und mehr den spätem Formver-
hältnissen sich annähernd. Wenn der Dotter verbraucht ist, tritt für die Jungen die Nothwen-
digkeit eines neuen Lebens ein; sie verlassen ihre Mutter, die sie bis dahin schützend bedeckt
hatte, und beweisen alsbald durch räuberische Angriffe auf kleine Schirecken und Würmer, dass
sie zu einer selbstständigen Existenz gelangt sind.
§. 20.
Die Bildung der Blutgefässe fällt, wie die der Schleifencanäle, vollständig in die zweite
Entwicklungsperiode unserer Thiere. Sie ist schwierig zu verfolgen und nur unvollständig von
mir erkannt worden, so dass ich kaum Näheres darüber mitzutheilen wage.
ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN.
Tafel I — V. zur Entwicklungsgeschichte der Nephelis.
Tafel I.
Sie betrifft das Verhalten des Dotters in dem Ei bis beinahe zu der Zeit, da sich aus
ihm ein Embryo gebildet hat (§. 4 — lU.). In allen Figuren dieser Tafel ist der Dotter nebst
seiner Haut 95 Mal vergrössert. Mit a ist in denselben die Dotterhaut, mit b der Zwischenraum
zwischen ihr und dem Dotter, mit c ein aus dem letzteren hervorgedrungener kleiner Tropfen
des Liquor vitelli oder ein Paar dergleichen Tropfen bezeichnet worden.
Fig. 1. Ein Dotter aus einem vor einigen Stunden gelegten Ei. d ein in der Mitte
des Dotters befindlicher und nach aussen hindurchschimmernder gallertartiger Kern.
Fig. 2. • Ein fast oval gewordener Dotter, der in der Gegend, wo aus ihm zwei kleine
Tropfen des Liquor vitelli hervorgedrungen sind , eine schwache Einbucht als erste Andeutung
einer im Entstehen begriffenen Kingfurche bemerken lässt. Sein Kern d hat sich beinahe voll-
ständig in zwei Kerne getheilt.
Fig. 3. Ein Dotter, an dem schon eine Kingfurche entstanden ist, die aber nur erst
eine mässig grosse Tiefe und Breite hat. Die beiden Ballen, in die der Dotter durch diese Furche
unvollständig getheilt ist, haben eine etwas ungleiche Grösse und eine länglich-ovale Form, sind
gegen einander stark abgeplattet und enthalten jede einen gallertartigen Kern d.
Fig. 4. Die beiden Furchungsballen desselben Dotters haben eine kugelrunde Form
angenommen und sind durch eine breitere und tiefere Kingfurche, als früher, gegen einander
abgegrenzt.
Fig. 5. Ein zweigetheilter Dotter, dessen einer Furchungsballen sehr viel mehr als
der andere sich vergrössert und die Form einer Bohne angenommen hat, durch deren iMasse zwei
Kerne, d, d, hindurchschimmern.
Hg. 6. Derselbe Dotter aus einer etwas späteren Zeit, nachdem der grössere Furchungs-
ballen durch eine tiefe Ringfurche in zw'ei kugelrunde und mit einem Kern versehene, kleinere
getheilt ist.
Fig. 7. Ein von zwei Seiten etwas abgeplatteter Dotter, an dem sich schon jeder der
zwei ersten Furchungsballen in zwei andere getheilt hat, von der einen etwas abgeplatteten
Seite angeseheir. Die vier Furchungsballen, aus denen derselbe besteht, sind beinahe von gleicher
Grösse, liegen dicht zusammengetlrängt , haben sich gegen einander stark abgeplattet und sind je
mit einem Kerne versehen.
Fig. 8. Ein in seiner Durchfurchung etwas weiter vorgeschrittener Dotter. Aus dem
einen der vier Ballen, iji die er sich getheilt hatte, sind einige kleinere entstanden, von denen an
jeder Seite des etwas abgeplatteten Dotters drei eine solche Lage haben, dass der eine, e, an die
imaginäre Achse des Dotters angrenzt, die beiden andern die eine gleiche Grösse und eine
kugelrunde Form haben, sich nach aussen von jenen neben einander an dem Rande des Dotters
befinden.
Fig. 9. Derselbe Dotter in einer etwas späteren Zeit, nachdem er an Umfang inzwi-
schen noch mehr zugenommen hat. Der in Fig. 8 mit e bezeichnete kleine, unpaarige Furchungs-
ballen hat sich in zwei neben einander liegende getheilt, während die beiden anderen kleinen
Balleny, y unverändert geblieben sind.
112
Erklärung der Ahhildungen.
Fig. 10. Ein von der einen Seite angesehener Dotter, an dem die kleinen Furchungs-
ballen von den anliegenden zwei grösseren umwachsen und umfasst sind.
Fig. 11. Ein ebensoweit entwickelter Dotter, der sich derart gestellt hat, dass das mit
den zwei symmetrischen grossen Furchungsballen versehene Eandsegment nach oben gekehrt ist.
Von den sechs Paaren kleinerer Furchungsballen, die in diesem Dotter vorkamen, lagen drei
Paar y, f,f in der Nähe des nach oben gekehrten Randes desselben und bildeten eine quer ge-
lagerte Doppelreihe. Das mittlere von diesen drei Paaren lag völlig zwischen der Substanz der
grösseren Furch\ingsballen versteckt, die beiden andern aber nur zur Hälfte, denn zum Theil
ragten die letztem an den beiden abgeplatteten Seiten des Dotters nach aussen hervor.
Fig. 12. Ein Dotter von seiner einen abgeplatteten Seite angesehen. Von den zwölf
kleineren Furchungsballen desselben haben sich die vier mittleren oder diejenigen, welche etwas
früher in der Tiefe desselben zwischen den übrigen vorkamen , vermehrt uird in kugelförmige
Tropfen einer klaren Flüssigkeit, die als Nahrungsdotter dienen soll, umgewandelt, g einige
Massen theile oder Tropfen dieser Flüssigkeit.
Fig. 13. Ein ähnlicher Dotter, wie der in Fig. 12. abgebildete. Von Massentheilen
des Nahrungsdotters g, g, g kam in ihm eine etwas grössere Zahl vor.
Fig. 14. Ein etwas w'eiter entwickelter Dotter. In ihm hatten sich die Massen theile
des Nahrungsdotters beträchtlich vermehrt, lagen dicht zusammengedrängt und setzten einen
verhältnissmässig ziemlich grossen Haufen zusammen. Die acht oberflächlichen kleinen Furchungs-
ballen , die an den Dottern, welche in den Figg. 9 — 13. abgebildet sind, zu bemerken waren,
hatten sich ebenfalls beträchtlich vermehrt, waren Zellen ähnlich geworden und setzten an jeder
Seite des Dotters (wie in Fig. 16. dieser Tafel) eine fast klare Schicht zusammen, durch die der
Nahrungsdotter hindurchschien. In der Figur ist diese Bildung nicht angedeutet worden , um
die Lage und Zusammensetzung des Nahrungsdotters deutlicher erkennen zu lassen.
Fig. 15. Ein ähnlicher, aber etwas weiter entwickelter Dotter, als der in Fig. 14. ab-
gebildete. g der nach aussen hindurchscheinende Nahrungsdotter.
Fig. 16. Ein Dotter aus einer noch etwas spätem Zeit der Entwickelung, auf den ver-
dünnte Salpetersäure eingewirkt hatte, in Folge wovon die zellenartigen Gebilde, die aus den
oberflächlichen kleineren Furchungsballen entstanden waren, e, ihre Durchsichtigkeit verloren
hatten und den Nahrungsdotter g kaum durchschimmern Hessen.
Tafel II.
Die auf dieserTafel in den sieben ersten Figuren dargestellten Gegenstände sind 95 Mal,
die in den übrigen dargestellten nur 15Mal vergrössert. (Vgl. hierzu besonders §. 10 — 14.)
Fig. 1. Ein Dotter, der nach kurzer Zeit zu einem Embryo geworden wäre, von seiner
einen, nur noch rvenig abgeplatteten Seite angesehen. Die drei grossen Furchungsballen, welche
auch noch bei dem in der letzten Figur der vorigen Tafel abgebildeten Dotter vorkamen, haben
sich in sehr viele, dicht gedrängt beisammenliegende und auf dem Uebergange in Zellen befind-
liche kleinere getheilt. a der Vordertheil; h der Hintertheil des Dotters; c der in dem letztem
befindliche Nahrungsdotter, der noch aus rundlichen Theilen oder Tropfen einer Flüssig-
keit besteht.
Fig. 2. Ein noch etwas weiter entwickelter Dotter, der schon eine Eiform angenommen
hat. Als er in Wasser gelegt war, zeigte er schwache Contractionen , obgleich sich an ihm noch
keine Mundöffnung erkennen Hess, a, h und c wie in Fig. 1.
Fig. 3. Ein überaus junger Embryo, so schräg gelegen, dass von oben her seine Mund-
öfifnung gesehen werden konnte. Die Dotterkörperchen sind schon gänzlich geschwunden, und
die Leibesw'andung daher sehr durchsichtig, a das Kopfstück des Embryo; h die Mundöffnung;
c die nach aussen hindurchscheinende Schlundhöhle; d das Rumpfstück des Embryo, das wegen
der schrägen Lage desselben verkürzt erscheint; e der in dem Rumpfstück befindliche Nahrungs-
dotter, dessen Massentheile nicht mehr Kugeln, sondern eckige Platten darstellen.
Fig. 4. Ein nur wenig weiter entwickelter Embryo von der Seite angesehen, a, c, d und
e wie in Fig. 3.
Erklärung der Ahhildungen.
113
Fig. 5 — 7. Das Kopfstück desselben Embryo, wie es in den auf einandei-folgenden
Momenten einer Schluckbewegung erschien, a die Schlundhöhle; b ein verschlucktes kleines
Kügelchen des Eiweisses.
Fig. 8. Ein in der Entwickelung weiter vorgeschrittener Embryo, als der in Fig. 4.
abgebildete, von der Rückenseite angesehen, a das Kopfstück; b das Eumpfstück; c der in dem
letztem enthaltene Nahrungsdotter; d der hintere dickere Theil der ganz durchsichtigen Wan-
dung des Rumpfstückes.
Fig. 9 — 11. Ein und derselbe Embryo, der im Verlauf von wenigen Minuten durch
willkürliche Verkürzung und Verlängerung seines Leibes unter sehr verschiedenen Formen er-
schien. a — d wie in Fig. 8.
Fig. 12. und 13. Ein Embryo aus der Mitte der zweiten Periode, im Profil gezeichnet.
jMan sieht in dem stark zusammengezogenen Leibe die eben gebildete Ganglienkette und den
Darmkanal, den letztem in Fig. 12. von der Rumpfwand abgehoben, so dass zwischen beiden
ein heller, spaltförmiger Zwischenraum, die Leibeshöhle, sichtbar wird.
Fig. 14. und 15. Ein Embryo aus der Mitte der zweiten Periode mit eben gebildetem
Oesophagus, lö^Ial vergrössert, wie Fig. 10. und 11. Die Leibeswand ist stärker verdickt, der
Kopfzapfen nicht mehr so scharf abgesetzt. Fig. 14. ist der Embryo im Profil, Fig. 15. von der
Fläche aus gezeichnet.
Tafel III.
Hetrifft die Entwickelung des Darmkanals bis zum Ausschlüpfen aus dem Ei. Sämmt-
liche Abbildungen sind 15 Mal vergrössert.
Fig. 1. und 2. Ein Embryo mit eben abgesetzter kegelförmiger Anlage des Saug-
napfes, aus dem Ende der zweiten Periode, im Profil und vom Bauche aus gesehen. Die mit
Nahrungsstoff erfüllte Abtheilung des Darmes, die dem Oesophagus folgt, ist noch glatt und füllt
den gi'össesten Theil der Rumpfhöhle aus.
Fig. 3. und 4. Ein etwas älterer Embryo mit fast vollständigem Saugnapfe, vom Bauch
und von der Seite aus gesehen. Der Darmkanal hat an der Bauchfläche und den Seitentheilen
seine frühere glatte Beschaffenheit verloren.
Fig. 5. Ein Embryo aus der ersten Hälfte der dritten Periode. Die Augen sind bereits
vorhanden, der Oesophagus ist verlängert, der Enddarm eben gebildet. Die Faltungen desiNlagen-
sackes gehen ringförmig um den Umfang desselben herum.
Fig. 6. Ein fast reifer Embryo mit längerem Oesophagus.
Fig. 7. Ein eben geborner Embrvo mit ungewöhnlich langem Enddarm.
Fig. 8. Ein reifer Embryo, vom Rücken gesehen, mit Hirn, Seitengefässen, After und
Oesophagus. Der Magen und Enddarm ist vom Fettkörper überlagert.
Tafel IV.
Fig. 1. Eine junge die vor etlichen Tagen aus dem Ei ausgekrochen war, von
der Rückenseite angesehen, a Speiseröhre; b, b Klagen; c Darm.
Fig. 2. Ein fast völlig reifer Embryo, ebenfalls von der Rückenseite angesehen.
a Speiseröhre; b, b Magen; c Darm.
Fig. 3. Ein sehr junger Embryo aus der zweiten Periode des Fruchtlebens, von der
Bauchseite angesehen, a der Kopf; b,b der Rumpf; c, cdie ersten Andeutungen des Bauchmarks,
als zwei einfache Streifen von Zellen erscheinend.
Fig. 4. Der vordere Theil des Körpers eines Embryo aus der ersten Hälfte der dritten
Periode, von der Bauchseite angesehen, a >Iund ; b die durchscheinende Höhle des Schlund-
kopfes; c, c erstes Ganglion des Bauchmarks, dessen mittlerer Theil aus Nervenfasern, die Seiten-
theile aber, die drei Paar Lappen darstellen, aus Ganglienzellen bestehen; d, e,f und g die vier
folgenden Ganglien.
Fig. 5. Der vordere Theil des Körpers eines Embryo aus der ersten Zeit der dritten
Periode, von der rechten Seite angesehen; 25 iMal vergrössert; a Höhle des Schlundkopfes;
B a t h k e , Entwicklung der Hirudineen. 1 g
114
Erklärung der Ahhildungen.
b Speiseröhre; c vorderster Theil des Magens; d Gehirn; e rechte Conimissur des Gehirns;
f, g, h, i und k die fünf vordersten Ganglien des Bauchmarks.
Fig. 6. Der vordere Theil eines Embryo, der über die Mitte der dritten Periode gelangt
war, von der Bauchseite angesehen, a der Mund, b durchschimmernde Höhle des Schlundkopfs;
c, c erstes Ganglion des Bauchmarkes; d, e, f, g und h die fünf folgenden Ganglien desselben;
i ^ die beiden seitlichen Blutgefässstämme; k, k zwei seitliche Muskelstränge.
Fig. 7. Der vordere Theil desselben Embryo, von der Rückenseite angesehen, a Ge-
hirn ; b Speiseröhre; c, c vordere Hälfte des Magens; d, d die beiden seitlichen Blutgefässstämme;
e, e zwei seitliche Muskelstränge.
Fig. 8. Der vordere Theil eines reifen Embryo, von der linken Seite angesehen, a Ge-
hirn: b die eine Commissur desselben; c erstes Ganglion des Bauchmarks ; d, e,f, g, h und i die
sechs folgenden Ganglien des Bauchmarks; k Speiseröhre; l vorderster Theil des Magens.
Tafel V.
Behandelt die Metamorphose der Bauchplatten.
Die Figg. 1 — 6 stellen 25 Mal vergrösserte sehr junge Embryonen dar, an denen die
Lage der Bauchplatten und der kolossalen Zellen an dem Ende dieser Platten veranschaulicht
ist. Der Buchstabe a bezeichnet in ihnen den Kopf, b die Mundhöhle , c den Rumpf, d, d die
Bauchplatten, e, e die kolossalen Zellen, die als ein Anhang dieser Platten erscheinen. (Vgl. §. 1 7.)
Fig. 1. Ein sehr junger Embryo von der linken Seite angesehen. Die Bauchplatten
standen bei ihm noch weit auseinander.
Fig. 2. Ein nur wenig älterer Embryo, von der Bauchseite angesehen.
Fig. 3. Eine Ansicht auf das hintere Ende desselben Embryo, wmlche die Lage der
drei kolossalen Zellen dieses Embryo zu einander und zu den Bauchplatten erkennen lässt.
Fig. 4. Ein etwas älterer Embryo, von der Bauchseite angesehen. Seine Bauchplatten
haben sich in ihrer Mitte und hinter derselben einander ziemlich genähert.
Fig. 5. Ein noch etwas weiter entwickelter Embryo, bei dem sich die Bauchplatten
ein wenig mehr genähert hatten, von der rechten Seite angesehen.
Fig. 6. Ein ungefähr ebenso weit entwickelter Embryo, wie der in Fig. 5. abgebildete,
in einer solchen Lage, dass die hintere längere Hälfte der beiden Bauchplatten und die drei kolos-
salen Zellen an dem Ende dieser Platten zu sehen sind.
Fig. 7. Das 360 Mal vergrösserte hintere Ende der rechten Bauchplatte des auf dieser
Tafel in Fig. 2. abgebildeten Embryo.
Fig. 8. Der hinterste Theil der beiden, hinten schon dicht an einander gerückten
Bauchplatten eines ältern Embryo, als die in den sechs ersten Figuren dieser Tafel abgebildeten,
nebst den drei mit ihm zusammenhängenden kolossalen Zellen. 95 Mal vergrössert. a, a der hin-
tere Theil der Bauchplatten; b, b, b die kolossalen Zellen.
Die Figg. 9 — 12. stellen Embryonen aus der letzten Hälfte der zweiten Periode dar,
deren Bauchplatten nach allmählich eingetretener Verschmelzung sich gliedern und schliesslich
in Ganglienkette und Muskelsegmente sich umwandeln. Sämmtliche Figüren sind 20 Mal ver-
grössert. (Vgl. §. 18. u. 19.)
Fig. 9. Die Bauchplatten nähern sich in ganzer Ausdehnung und sind am Hinterende
durch eine quere Brücke mit einander vereinigt. Die Buchstaben wie in Fig. 1 — 6.
Fig. 10. Die Bauchplatten a stossen in der Mittellinie auf einander und sind nur noch
am vordem Ende getrennt.
Fig. 11. Die Bauchplatten gliedern sich in einzelne hinter einander liegende Ab-
schnitte, die vorn, a, am grössesten und am schärfsten begrenzt sind. Im hintern Viertheile ist
die Gliederung noch nicht eingetreten. Das hintere Ende der Bauchplatten läuft in ein Zäpf-
chen d aus.
Fig. 12. Die tafelförmigen Abschnitte der Bauchplatte haben sich je in ein Ganglien-
paar a und ein Muskelsegment b gesondert, von denen das letztere bereits flügelförmig bis in die
Seitenränder des Körpers ausgewachsen ist.
'Erklärung der Ahhüdungen.
115
Fig. 13. und 14. stellt bei 45maliger Vergrösserung die Bildung der Ganglienkette und
jNIuskelsegmente aus den Täfelchen der Bauchplatten dar. a bezeichnet dabei den spätem Längs-
faserstrang der Ganglienkelte ; h deren Seitenlappen; c die (in Fig. 14. schon beträchtlich aus-
gewachsenen) Muskelsegmente; d ein seitliches Blutgefäss.
Tafel VI. und VTI. zur Entwieklungsgeschiehte von Clepsine complanata.
Sämmtliche Figuren sind etwa 25 IMal vergrössert.
Tafel VI.
Stellt den Furchungsprocess, die Bildung und Entwicklung der Keimscheibe (Fig 1 — 10.,
vergl. §. 8 — 11.), sowie die erste Anlage der Bauchplatten (Fig. 11 — 16., vgl. §. 12. u. 13.) dar.
Fig. 1. Ein Ei mit eben gebildeter Keimscheibe, vor Auftreten der ersten Furche.
Das Ei hat, wie in den folgenden Abbildungen (bis Fig. 7.), eine solche Lage, dass das Polar-
feld dem Beschauer zugewendet ist.
Fig. 2. Die Dotterkugel ist durch die erste neben der Keimscheibe hinlaufende Ring-
furche getheilt.
Fig. 3. Zu der ersten Eingfurche gesellt sich eine Meridianfurche. Die Keimscheibe
ist in zwei gekernte Häufchen zerfallen.
Fig. 4. Die Keimscheibe vergrössert sich und überdeckt mit ihrem Seitenrande die
obern zapfenförmig vorspringenden Enden der vier Furchungsballen.
Fig. 5. und 6. Durch wiederholte Meridianfurchung verdoppelt sich die Zahl der
(äusserlich sichtbaren) Dottersegmente, während die Keimscheibe unter beständiger Grossen-
zunahme allmählich immer mehr gekernte kleine Ballen bildet.
Fig. 7. und 8. Die Zahl der Ballen in der Keimscheibe hat beträchtlich zugenommen,
ohne dass der übrige sogenannte Nahrungsdotter eine w'eitere Veränderung erlitten hat.
Fig. 8. zeigt das Ei in der Profillage, um theils die Verkürzung der Längsachse, theils
auch die zapfenförmig vorspringenden Enden der Meridianfelder zu veranschaulichen.
Fig. 9. Der Nahrungsdotter ist durch Verstreichen der Meridianfurchen in der untern
Hälfte wieder glatt geworden, während die (wie in Fig. 10. und 11.) dem Beschauer halb zu-
gewendete, von der Keimscheibe fast völlig umwachsene obere Hälfte die zapfenförraigen Hervor-
ragungen der früheren Meridianfelder noch deutlich erkennen lässt.
Fig. 10. Die das Embryonalfeld kranzartig umgebenden Hervorragungen verstreichen
gleichfalls. Der Nahrungsdotter ist in zahlreiche, flächenhaft begrenzte Ballen zerfallen und bis
in die Aequatorialzone hinein von der grobkörnigen Keimscheibe überwachsen.
Fig. 11. Die Stelle der früheren Hervorragungen ist von einem RingAvulste ein-
genommen, der durch Verdickung der den Nahruugsdotter jetzt fast völlig einschliessenden Keim-
scheibe entstanden ist.
Fig. 12. Das von oben gesehene Embryonalfeld hat eine dreieckige Form angenommen,
nachdem die frühere ringförmige Begrenzung desselben durch Verstreichen des einen Segmentes
in zwei schenkelartig divergirende Seitenstreifen aufgelöst ist.
Fig. 13. und 14. Zwei Eier in der Profillage, bei denen die streifenförmige Begrenzung
des Embryonalfeldes allmählich in die späteren Bauchplatten ausw’ächst. Am Ende der dem
Beschauer zugekehrten einen Bauchplatte sieht man in Fig. 14. sich eben die drei kolossalen
zellenartigen Körnerhaufen abheben. Aehnliche kleinere Körnerhaufen finden sich zerstreut
auf der von den bügelförmig gekrümmten Bauchplatten umschlossenen spätem Rücken fläche,
die in unserer Abbildung nach links gekehrt ist. Das rechte Feld der Dotterfläche ist das aus-
gewachsene Embryonalfeld, welches der spätem Bauchfläche des Embryo entspricht.
Fig. 15. Ein etwas älteres Ei, von vorn gesehen, mit der Vereinigungsstelle der beiden
Bauchplatten. Das Rückenfeld ist nach oben, das Bauchfeld nach unten gelegen.
Fig. 16. Dasselbe Ei in der Bauchlage. Das von den beiden Bauchplatten und den kolos-
salen Zellen fast ringförmig eingefasste Rückenfeld ist dem Beschauer zugekehrt.
15*
116
Erklärung der Ahhildungen.
Tafel VII.
Betrifft die spätere Zeit des Eilebeiis (Fig. 1 — S., vgl. §. 13. und 14.), sowie die Meta-
morphose des neugebornen Embryo bis zum Verlassen des mütterlichen Körpers (Fig. 9 — 16.,
vgl. §. 15-20.}.
Fig. 1. Ein Ei in der Profillage (wie Tafel VI. Fig. 13. und 14.), dessen Baucliplatten
sich der Mittellinie des Bauchfeldes bereits angenähert haben. Am hintern Ende der Bauch-
platten sieht man die drei kolossalen Zellen. Das Kückenfeld hat eine sattelförmige Gestalt an-
genommen. Die Längsachse des Embryonalkörpers beginnt sich zu strecken.
Fig. 2. Dasselbe Ei in der Bauchlage, so dass das Rückenfeld mit dem Kopfende der
Bauchplalten und den sechs kolossalen Zellen an deren Hinterrande nach oben gekehrt ist.
Fig. 3. und 4. Ein etwas älteres Ei in der Profil- und Rückenlage, mit Bauchplatten,
deren vordere Hälften fast vollständig mit einander verrvachsen sind.
F"ig. 5. und 6. Die Bauchplatten verwachsen allmählich bis auf das hintere Ende und
beginnen von vorn nach hinten zu sich allmählich zu gliedern. Das vordere Ende der Bauch-
platten erhebt sich zu einem Kopfzapfen, auf dessen Spitze bereits die Mundöffnung sichtbar wird.
Die Embryonen sind fast gleichalt und beide in der Profillage dargestellt.
Fig. 7. Der in Fig. 6. abgebildete Embryo in der Bauchlage des Eies (wie Fig.' 2.), mit
den auf dem Rückenfelde einander zugekrümmten Enden der Bauchplatten.
Fig. 8. Ein Ei mit reifem Embryo in der Profillage, an dem ausser den stärker geglie-
derten Bauchplatten besonders noch der eingebogene Rücken auffällt.
Fhg. 9. Ein eben geborner retortenförmiger Embryo mit Ganglienkette , Darmkanal
und Pharynx (vergl. §. 15.).
Fig. 10. Ein etwas älterer Embryo, dessen hinteres Ende sich mittelst einer queren
Furche gegen den Rücken absetzt. Neben der Ganglienkette unterscheidet man die erste An-
lage der Muskelsegmente.
Fig. 11. Das hintei'e Ende der Bauchplatten hat sich durch stärkere Abschnürung in
den Saugnapf verwandelt. Die drei kolossalen Zellen sind verschwunden. An ihrer Stelle sieht
man von dem Saugnapfe ein paar strangförmige Blastemstreifen abgehen. Die Muskelsegmente
haben die ganze Bauchfläche des Körpers umwachsen. Der Embryo ist in der Profillage gezeichnet.
Fig. 12. Ein wenig älterer Embryo in der Bauchlage. Der mit Dotter gefüllte Darm-
kanal ist von den Körperwänden durch eine Leibeshöhle getrennt, welche rechts und links von
einer Anzahl scheidewandartig entwickelter Muskelstränge durchsetzt wird.
Fig. 13. Der Körper beginnt sich zu ringeln. Am hintern Ende des Darmkanals unter-
scheidet man zum ersten Male ein Rectum mit Afteröffnung. Der Pharynx ist stärker aus-
gewachsen. Von der Seite gesehen.
Fig. 14. Ein wiederum etwas älterer Embryo in der Bauchlage, mit einem Darme,
der sich in zwei Abschnitte gliedert und die Ringelung des Körpers wiederholt.
Fig. 15. Ein noch älterer Embryo, dessen Darmabschnitte noch stärker von einander
abgesetzt und mit ansebnlichen Seitentaschen besetzt sind, der Magen mit sieben, der Darm
mit vier.
Fig. 16. Eine ausgebildetc junge Clepsine , mit Augen und vollständig entwickeltem
Tractus.
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
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